Giffey, Italien und der Doppelwumms: Franzi im Unglück

Berlins Regierende irrlichtert. Friedrich Merz’ Kuraufenthalt im Sanatorium Blackrock scheint durch. Und, Achtung: Geldgewitter!

Franzsika Giffey lächelt in die Kamera. Sie hebt eine Auenbraue.

Vielleicht reicht’s zur Produktnamenausdenkerin bei Ikea: Franziska Giffey Foto: Jens Kalaene/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Erster Coronatreffer in der Familie.

Und was wird besser in dieser?

Gesundheit.

Eine Wiederholung der kompletten Berlinwahlen ist wahrscheinlich. Die SPD steht in den Umfragen schlecht da. War es das für die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey?

Giffeys Karriere hat was von „Franz im Glück“: Bundesministerin tauscht sie gegen einen gefälschten Doktor, den gegen eine Bürgermeisterin in Berlin und dies über Neuwahlen zur – nun ja. Irgendwas zwischen Rotkäppchen und Aschenputtel. Wegen einer Kehlkopfmuskelschwäche rieten ihr Ärzte vom Berufswunsch Lehrerin ab, ein Rest von Volksverkinderung weht noch stets durch ihre Rhetorik: Gute Kita, Starke Familien. Vielleicht reicht’s zur Produktnamenausdenkerin bei Ikea. Die Tolle-Urne-Wahl kann R2G stürzen, Berlin eine grüne Bürgermeisterin bringen und die Linke im Bund den Fraktionsstatus kosten. Giffey ist eine irrlichternde Politikerin und eine tolle Serie.

Die Bundesregierung stellt 200 Milliarden Euro für einen Abwehrschirm bereit, um die Strom- und Gaspreise zu senken. Ist das ein „Doppelwumms“, wie Bundeskanzler Olaf Scholz den Abwehrschirm bezeichnete?

In der 70er-Jahre-ZDF-Show „Drei mal Neun“ – unschwer als Vision des verbilligten ÖPNV-Tickets zu entschlüsseln – traten regelmäßig die Zeichentrickfiguren „Wum und Wendelin“ auf. Klar, Scholz und Lindner. Ich bin da einer ganz großen Sache auf der Spur. – Ansonsten hielten viele Leute Scholz’ „Bazooka“ für ein Kaugummi und beim Wor­ding „der Über­wumms“ riet die AG kritischer Nietzsche-Leser im Brandt-Haus ab. Mit dem Investitions- und Tilgungsfonds aus der Finanzkrise, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds wegen Corona und dem Rüstungssondervermögen mag der Eindruck entstanden sein: Wir kommen mit dem Geld aus, es sei denn, wir kommen nicht mit dem Geld aus. In dieses Geldgewitter hinein zu signalisieren, hier werde noch mal etwas ganz Besonderes gegönnt, mag die Sprach­ver­wumm­sung erklären.

Friedrich Merz warf ukrainischen Geflüchteten Sozialtourismus vor. Später entschuldigte er sich. Kann man ihm damit nicht einen AfD-Themen-Tourismus vorwerfen? Und wo machen Sie gerne Tourismus?

Merz’ jahrzehntelanger Kuraufenthalt im Sanatorium Blackrock weht einen immer wieder mal an: Ungelenk redet er allzu staatstragend, dann wieder rutscht ihm untenrum etwas Stammtisch raus. Fohlenstaksigkeit bei einem 66-Jährigen mag charmieren. Söder ist zuzutrauen, dass er den „Asyltourismus“ so bewusst raushaut wie zurückholt; bei Merz ist hingegen noch Unerfahrenheit zu befürchten. Er hat nicht mehr viel Lehrzeit und nimmt mit: Eng wird’s, wenn dir Boris Palmer beispringt.

In Italien haben jetzt auch die Rechten gewonnen. In Deutschland wäre eine Partei, die sich auf den traditionellen Faschismus beruft, isoliert. Warum ist das dort anders?

Rechte in Italien – ähnlich auch in Österreich – stellen den deutschen Hitlerismus nicht als Konsequenz, sondern mindestens als Entgleisung ihrer Hausmachersülze dar. Das hat seine Berechtigung da, wo wir unser historisches Versagen nicht beim Originalerzeuger abliefern können: Das sind wir selbst. Zudem gibt es von „Re­edu­cation“ bis „Auschwitzkeule“ eine westdeutsche Geschichte so ge- wie misslungener Aufarbeitung, die anderswo aus vorgenannten Gründen schlichter aussieht. Ein Symptom ist die notorische Wahl möglichst uncharismatischer Führer: Wir wählten Opa Adenauer, einen dicken Gemütsbomber oder eine vermeintlich graue Trümmerfrau. Obacht: Das hält nicht ewig oder von allein.

Trevor Noah tritt nach sieben Jahren als Gastgeber der Satiresendung „The Daily Show“ ab. Könnte Jan Böhmermann ihm nachfolgen?

In den Nullerjahren schauten Kenner die Wochenzusammenfassung der „Daily Show“ bei CNN International. Deutsche Senderbosse fanden das „toll, aber für unser Publikum natürlich zu spitz“. Bis dem ZDF 2009 mit der „heute Show“ eine kompatible Umsetzung gelang. Böhmermanns Sendung ähnelt eher „Last week tonight“, die in den USA 2014 startete und mit ähnlich höflichem Schlupf 2020 wieder im ZDF adaptiert wurde. Die „heute Show“ ist volkstümlicher als das Original, das „Magazin Royale“ tatsächlich „spitzer“. Der Bastard aus Ungefähr-Monitor-Recherchen und One-Linern als Streuglasur markiert eine Epoche, in der für ein Teilpublikum Comedy zur wichtigsten Nachrichtenquelle aufstieg. In Deutschland steht ein weiteres Format mit Anja Reschke vom NDR an; eine Frau als Late Night Host wäre erstmals: Teutonen auf der Überholspur.

Alle rätseln gerade über die Lecks in den Nordstream-Pipelines. Wer könnte von diesem Attentat profitieren?

Verschwörer.

Und was machen die Borussen?

Modeste wird in Köln ausgepfiffen, weil er dort wegging; in Dortmund, weil er nicht ankommt. Vielleicht applaudieren nächste Woche die Bayern.

Fragen: Daniel Schütz

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

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