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Gewalt in NahostMittlerweile Dutzende Tote

Der schwere Beschuss aus dem Gazastreifen hält über Stunden an. Israel zerstört Gebäude in Gaza, während Diplomaten sich um eine Waffenruhe bemühen.

Gaza am 12.05., ein Junge schiebt sein Fahrrad durch ein Trümmerfeld Foto: Mohammed Talatene/dpa

Jerusalem ap | Nach erneut heftigem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hat Israel am Mittwochmorgen Dutzende Luftangriffe auf das Gebiet geflogen. Unter anderem sei das Hauptquartier der Polizei in Gaza-Stadt zerstört worden, teilte das Innenministerium des Gazastreifens mit. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums stieg die Zahl der Toten auf 35, darunter zwölf Kinder und drei Frauen. Israel meldete fünf Tote durch den Raketenbeschuss, darunter drei Frauen und ein Kind. Die Gewalt war so heftig wie nie seit dem Gaza-Krieg von 2014.

Vorausgegangen waren Anfang der Woche heftige Zusammenstöße um den Tempelberg in Jerusalem zwischen der israelischen Polizei und Palästinensern. Die Erhebung ist die heiligste Stätte des Judentums, beherbergt aber auch den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee, die für Muslime die drittheiligste Stätte ihres Glaubens darstellen. Verschärfend wirkt die drohende Zwangsräumung palästinensischer Familien in Jerusalem.

Der israelische Militärsprecher Jonathan Conricus sagte, palästinensische Extremisten hätten seit Beginn des Konflikts mehr als 1.050 Raketen abgefeuert, von denen 200 allerdings bereits im Gazastreifen wieder herunter gekommen seien. Eine Drohne sei in den israelischen Luftraum eingedrungen und abgeschossen worden. Die Armee habe zwei Infanterie-Brigaden in die Gegend geschickt.

Einige der palästinensischen Geschosse durchdrangen den israelischen Raketenschutzschild. In Tel Aviv und anderen Städten waren Alarmsirenen zu hören. In Lod wurden am Morgen ein 52-Jähriger und seine 16 Jahre alte Tochter getötet, als eine Rakete im Hof ihres Hauses einschlug. In der Stadt kam es zu hefigen Zusammenstößen, als ein Araber begraben wurde, der am Tag zuvor vermutlich von einem Juden erschossen worden war. Eine Synagoge und 30 Fahrzeuge wurden in Brand gesteckt. Im benachbarten Ramle griffen nationalistische Juden Fahrzeuge von Arabern an.

Kaum sichere Orte in Gaza

Die israelischen Luftangriffe trafen Augenzeugen zufolge Einrichtungen der Sicherheitskräfte in Gaza. Mehrstöckige Gebäude wurden in Trümmer gelegt. Das Militär feuerte zuvor Warnschüsse ab, so dass die Einwohner fliehen konnten. Das Gesundheitsministerium sprach von 233 Verletzten.

Die Einwohnerin Samah Habub berichtete, die Druckwelle des Angriffs auf ihr Nachbarhaus habe sie durch das Zimmer geschleudert. Sie und ihre vier Kinder im Alter zwischen drei und 14 Jahren seien zusammen mit anderen Einwohnern aus dem Gebäude gehastet. Viele hätten geschrien und geweint. „Es gibt kaum einen sicheren Ort in Gaza“, sagte Habub.

Das Vorgehen Israels hat viel internationale Kritik auf sich gezogen. Conricus beteuerte, die Armee halte sich an internationales Recht für bewaffnete Konflikte und habe strenge Einsatzregeln. „Wir sind definitiv sehr achtsam gegenüber zivilen Opfern in Gaza und wir wollen sie minimieren“, versicherte er. „Das hat Vorrang.“ Anzeichen für ein Ende der Konfrontation gab es nicht.

Hamas-Führer Ismail Hanija bestätigte zwar, dass sich Ägypten, Katar und die Vereinten Nationen um eine Waffenruhe bemühten. Die Hamas habe aber allen mitgeteilt, dass die israelische Besatzung Jerusalem in Brand gesteckt habe, und „die Flammen haben den Gazastreifen erreicht“. Israel sei für alle Konsequenzen verantwortlich.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in einer Fernsehansprache, die Militäroperation habe den Extremisten bereits einen schweren Schlag versetzt. Israel werde seine verstärkte Operation fortsetzen, aber es werde Zeit brauchen, um sie zu vollenden.

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11 Kommentare

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  • Würde die Hamas die gesamte Energie, die sie für den Bau und Abschuss von Raketen verschwenden, dafür nutzen, die eigene Wirtschaft zu beleben, die Infrastruktur aufzubauen und sich um die Versorgung der Bevölkerung zu kümmern, wäre die Lage in Gaza wohl deutlich besser.

    Aber daran hat die Hamas kein Interesse, weder an den Befindlichkeiten der eigenen Bevölkerung noch an Frieden. Denn die Hamas braucht Israel als Feindbild. Gäbe es Frieden, wäre die Hamas überflüssig und könnte nicht mit Verweis auf das "böse" Israel von ihrem eigenen Versagen ablenken.

    Übrigens hat die Hamas nach ihrem Sieg bei der Wahl 2006 die verbliebene oppositionelle Fatah vertrieben und danach freie Wahlen abgeschafft und die gesamte politische Macht an sich gerissen. So was nennt man landläufig Diktatur.

    Ich halte selbst nicht viel von Netanjahu und der aktuellen Politik der israelischen Regierung. Aber dort gibt es einen funktionierende Demokratie mit einer pluralistischen Parteienlandschaft von links bis rechts, eine freie Presse und der Premier/ die Regierung muss sich für seine Politik vor dem Parlament und dem Wähler verantworten.

  • Wenn die Hamas Raketen auf Israel abschießt, dann besagt die propagandistische Begleitmusik sinngemäß, dass dem Gegner ein schwerer Schlag versetzt wird, von dem er sich nicht wieder erholen wird.



    Wenn Israel Raketen in die Gegenrichtung abschießt, dann besagt die propagandistische Begleitmusik sinngemäß, dass dem Gegner ein schwerer Schlag versetzt wird, von dem er sich nicht wieder erholen wird.



    Der gegenwärtige Schlagabtausch ist nicht der erste, die früheren liefen allesamt nach dem gleichen Muster ab. Am Ende stand nie ein Sieg, sondern allenfalls ein Waffenstillstand – bis zum nächsten Mal! So wird es auch diesmal laufen.



    When will they ever learn?

  • „Wir sind definitiv sehr achtsam gegenüber zivilen Opfern in Gaza und wir wollen sie minimieren“. Na das ist doch wirklich nett, dass die Isrealis nicht ganz so viele Zivilisten töten wollen oder? Aber wenn dann doch Kinder und deren Eltern getötet werden, dann ist das halt ein Lateralschaden...

    • @joaquim:

      Sollen israelische Juden sich tatenlos von der antisemitischen Hamas mit Raketen beschießen lassen, in der Hoffnung, dass Iron Dome sie alle abfängt, was nicht der Fall ist?

    • @joaquim:

      Die Hamas greift wahllos zivile Ziele an.



      Die israelische Armee bemüht sich ausschließlich militärische Ziele anzugreifen. Die Hamas verbirgt bewusst militärische Anlagen unter zivilen Einrichtungen. Es ist vollkommen hoffnungslos, so was zu sagen, oder gar historische Fakten zu benennen, es bleibt sinnlos. Das kognitive Modell der Christen über die Juden (insbes der deutschen Christen) bleibt unerschütterlich.



      Das Hauptproblem, das in Middle East einen Frieden verhindert, sind die Gelder der UN und der EU, die an der muslimischen Bevölkerung vorbei geht und in die Hände radikaler und korrupter warlords fließt. Würden darüber hinaus zivile NGO's die muslimische Bevölkerung tatsächlich unterstützen, ihnen sogar erklären, warum jüdische Flüchtlinge nach dem Holocaust so zahlreich nach Israel gekommen sind, anstatt sie mit ihrem kognitiven modell über die Juden zu verderben, könnte ein Miteinander aller in M.E. möglich sein. Aber hören Sie hier Tuvia Tenenbom, etwa ab Min 05:00



      www.youtube.com/watch?v=lpzltOV6IZg

    • @joaquim:

      Ja... Israel sieht ja alle bisherigen Konflikte mit den Idèen des Staates Palästina als 'innerstaatliche Angelegenheit' und verbietet jegliche Einmischung anderer Staaten, als auch von Seiten der U. N. O....



      Zum Anderen ist Israel als Souverän,



      (oder als art Vormund der Palästinenser?).. nicht in der Lage, Frieden und Harmonie zwischen den Völkern zu garantieren... abgesehen davon durch militärische Aktionen terroristischen Protest zu ersticken.



      Um die eskalierende Barbarei des Hasses



      zu überwinden und das Land als friedlich und human als 'bewohnbar'



      für Alle zu entwickeln, ist m.E. die



      universalistische Denkweise der U.N.O.



      Diplomatie herausgefordert. Und es



      sollte das ISTGH und HRW zu wort kommen. Es ist ja eindeutig kein innerisraelisches Problem!

    • @joaquim:

      Zunächst, wenn schon: Kollateralschaden.

      Hmm... Also ich bin jetzt selten dafür, Israel in Watte zu packen und Kritik als verwerflich anzusehen. Aber bei dem aktuellen Konflikt scheint mir die Hamas der Treiber zu sein.

      Und ganz nebenbei: der Hamas sind zivile Opfer scheißegal. Die sind im Zweifel sogar das Ziel, da militärische Ziele viel zu schwierig sind.

      Aber Sie befinden sich mit Greta in guter Gesellschaft.

      • @Strolch:

        eigentlich bin ich ja dafür, dass Israel kritisiert werden darf... aber eigentlich auch nicht und eigentlich hat auch immer die andere Seite allein Schuld. Und nicht zu vergessen: Hamas ist das inkarnierte Böse, während die IDF die moralischste Armee der Welt ist.

        • @ingrid werner:

          Wollen Sie hier ernsthaft antisemitische und islamistische Hamas, die Juden töten möchte und dies auch tut, so gut bzw so schlecht es ihr gelingt, mit IDF vergleichen, die das Töten von Juden und Israelis generell eben verhindern soll?

    • @joaquim:

      Die Raketen der Hamas unterscheiden leider auch nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen.

    • @joaquim:

      Ganz ehrlich, ich kann es nicht mehr lesen. Weder die , die den Israelis die Schuld in die Schuhe schieben wollen, noch diejenigen, die nur die Schuld bei den Palestinänsern sehen. Beide!!! Seiten haben genügend Kriegstreiber auf ihrer Seite. Beide. Keiner ist Unschuldig.

      Und so lange das beide Seiten und auch Leute wie Sie nicht begreifen wollen, solange wird der Konflikt anhalten. Und anhalten. Und anhalten.

      Und jetzt weiter mit einseitigen Vorwürfen und Beschuldigungen.



      Macht das Leben einfacher.

      Ich hab es echt so satt.