Gesundheitsschädliche Chemikalien: FDP blockiert Pestizid-Exportverbot
Vor einem Jahr kündigte Agrarminister Özdemir an, die Ausfuhr von in der EU verbotenen Ackergifte zu untersagen. Beschlossen ist das immer noch nicht.
„Nachdem das Bundeslandwirtschaftsministerium einen Entwurf für eine entsprechende Verordnung erarbeitet hat, geht es in der Ressortabstimmung nicht voran“, kritisierten der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, das Pestizid-Aktionsnetzwerk (PAN), die Entwicklungsorganisationen Misereor und Inkota sowie das European Center for Constitutional and Human Rights, die Heinrich-Böll-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung. PAN forderte zudem die Europäische Kommission auf, wie geplant ein EU-Exportverbot vorzuschlagen.
Agrarminister Cem Özdemir hatte das deutsche Verbot Mitte September 2022 angekündigt. Mit einer entsprechenden Verordnung solle die Gesundheit von Bauern im globalen Süden geschützt werden, erklärte der Grünen-Politiker damals. Außerdem schaffe ein Exportverbot auch „mehr Fairness im Wettbewerb“ für deutsche LandwirtInnen.
Sein Ministerium erwartete nach eigenen Angaben, dass die Regeln im ersten Halbjahr 2023 verabschiedet werden. Weltweit vergiften sich Umweltschützern zufolge jährlich 385 Millionen Menschen akut mit solchen Pestiziden. 11.000 Erkrankte würden sterben.
Deshalb verlangen die AktivistInnen von allen beteiligten Ministerien, Özdemirs Entwurf nun an Verbände und Länder zu schicken. „Wirtschaftliche Interessen dürfen niemals Vorrang vor Gesundheit und Umweltschutz haben. Aus diesem Grund betrachten wir eine Blockade des angekündigten Pestizidexportverbots innerhalb der Bundesregierung sehr kritisch“, sagte Silke Bollmohr, Referentin für globale Landwirtschaft und Welternährung bei Inkota.
FDP trotz Koalitionsvertrag gegen Exportverbot
Eine Sprecherin des Agrarministeriums schrieb der taz, das geplant Exportverbot „befindet sich derzeit in der regierungsinternen Abstimmung.“ Deshalb könne man nichts „zu Details“ sagen. Ähnlich äußerten sich die FDP-geführten Ministerien für Finanzen, Justiz und Verkehr.
Der agrarpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Gero Hocker, lehnte das Vorhaben jedoch ab: „Ein Exportverbot würde lediglich dazu führen, dass diese Wirkstoffe aus anderen Ländern importiert werden“, sagte er der taz. Es würde die importierenden Länder zudem „wichtiger Werkzeuge zum Pflanzenschutz berauben und zu einer größeren Abhängigkeit von Lebensmittelimporten führen.“
PAN-Referentin Susan Haffmans antwortete darauf, es gehe nur um Pestizide, die zum Beispiel Embryonen schädigen, Krebs erregen oder schon in geringer Menge tödlich wirken. Teils sei Deutschland in der EU der einzige Exporteur. Haffmans wies auch auf den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP hin. Darin heißt es: „Wir werden von den rechtlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, den Export von bestimmten Pestiziden zu untersagen, die in der EU aus Gründen des Schutzes der menschlichen Gesundheit nicht zugelassen sind.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“