Gesundheitspolitik der Großen Koalition: Arbeitnehmer zahlen höhere Kosten
Union und SPD haben sich geeinigt: Arbeitnehmer sollen einkommensabhängige Zusatzbeiträge zahlen. Der Pflegeversicherungsbeitrag steigt.
BERLIN taz | Union und SPD haben sich in den Koalitionsverhandlungen über Finanzierungsfragen im Gesundheitssystem geeinigt. Danach werden die bislang pauschal erhobenen Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen künftig einkommensbezogen erhoben. Zudem steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung. Dies erklärten die Verhandlungsführer Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) am Freitag. Für die Privatversicherten ändert sich nichts.
Gegenwärtig beträgt der Krankenkassenbeitrag für alle gesetzlich Versicherten 15,5 Prozent vom Bruttoeinkommen. Die Arbeitnehmer zahlen davon 8,2 Prozentpunkte, die Arbeitgeber 7,3. Union und SPD wollen den Arbeitgeberbeitrag auf 7,3 Prozent festschreiben. Eine Krankenkasse, deren Ausgaben steigen, darf daher künftig nur den prozentualen Arbeitnehmeranteil erhöhen.
Lauterbach betonte, mit der Einigung sei die Einführung von „Kopfpauschalen“ abgewendet worden. Kopfpauschalen wären als Festbeträge unabhängig vom Einkommen der Versicherten erhoben worden, wenn das Geld der Kassen nicht reichte. Spahn legte Wert auf die Feststellung, dass mit der Deckelung der Arbeitgeberbeiträge gesichert sei, dass künftige höhere Gesundheitsausgaben „nicht auch steigende Arbeitskosten bedeuten“.
Die Grünen kritisierten an der Einigung, dass der Kompromiss „zu Lasten der Versicherten“ gehe, weil die Arbeitnehmer den „unvermeidlichen Kostenanstieg im Gesundheitswesen“ künftig „allein stemmen müssten“. „Der Weg von Schwarz-Gelb wird nur leicht verändert fortgesetzt“, so die Grünen-Gesundheitspolitikerinnen Elisabeth Scharfenberg und Maria Klein-Schmeink.
Krankenkassen sind zufrieden
Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands der gesetzlichen Kassen, Doris Pfeiffer, begrüßte hingegen die Pläne, die Kassen erhielten damit „ihre Finanzautonomie zurück“.
Mit der Einigung kommen wieder unterschiedliche Beitragssätze der Krankenkassen auf die Versicherten zu, je nach Finanzlage der Kasse. Die Beitragssätze werden sich künftig „von Krankenkasse zu Krankenkasse unterscheiden“, kündigte Lauterbach an. Die Krankenkassen erhielten untereinander aber einen Finanzausgleich, der sich an der Einkommensstruktur ihrer Versicherten orientierte, sagte er. Krankenkassen mit einer „ärmeren“ Versichertengemeinschaft bekommen dadurch Ausgleichszahlungen.
Der Wettbewerb unter den Kassen um möglichst niedrige Ausgaben und möglichst gesunde Mitglieder und damit möglichst niedrige Beitragssätze allerdings bleibt. In der Pflegeversicherung einigten sich Union und SPD darauf, den Beitrag von heute 2,05 Prozent (Kinderlose: 2,3 Prozent) vom Bruttoeinkommen in zwei Stufen um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen.
Spätestens Anfang 2015 soll die erste Erhöhung um 0,3 Prozentpunkte kommen, was rund drei Milliarden Euro an zusätzlichen Einnahmen in die Pflegekassen spült. Davon sollen zwei Milliarden für verbesserte Pflegeleistungen verwendet werden. Eine Milliarde Euro ist für eine Rücklage eingeplant.
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