Gesetzesnovelle des Finanzministers: Lindner erhöht still die Steuern

Unbemerkt hat Christian Lindner eine Regelung durch den Bundestag gebracht, die besonders für Selbstständige die Steuern und Bürokratie erhöht.

Wahlplakat von Christian Lindner wird transportiert: Wie es ist darf es nicht bleiben - mit seinem Portrait in schwarz-weiss

Wie es ist, darf es nicht bleiben: Für Soloselbstständige war das kein Versprechen, sondern eine Drohung Foto: Christoph Hardt/imago

BERLIN taz | Zwei Grundsätze betont Bundesfinanzminister Christian Lindner mantraartig: Steuererhöhungen und mehr Bürokratie werde es mit ihm nicht geben. Als er und Wirtschaftsminister Robert Habeck ihren Koalitionsstreit über die Haushaltspolitik im Februar in Form einer öffentlichen Brieffreundschaft austrugen, erinnerte der FDP-Chef den grünen Vizekanzler schriftlich an dieses Prinzip der liberalen Regierungsbeteiligung: „Stellvertretend für die von den Freien Demokraten geführten Ministerien darf ich feststellen, dass Steuererhöhungen oder sonstige strukturelle Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger oder die Wirtschaft vom Koalitionsvertrag ausgeschlossen sind“, schrieb er.

Ganz prinzipientreu ist Lindner selbst allerdings nicht. Ausgerechnet auf seine Vorlage hin hat der Bundestag weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit eine Gesetzesnovelle beschlossen, die für betroffene Un­ter­neh­me­r:in­nen zwei Veränderungen bringt: eine höhere Steuerlast und mehr Bürokratie.

Die Änderung versteckt sich im neuen Jahressteuergesetz, das der Bundestag kurz vor Weihnachten auf Grundlage eines Entwurfs Lindners verabschiedete – und mit ihm auch den Wegfall des Paragrafen 23 im Umsatzsteuergesetz.

Dieser hatte über viele Jahre hinweg festgelegten Unternehmern die Option eingeräumt, bei der Umsatzsteuererklärung auf eine detaillierte Aufstellung der gezahlten Mehrwertsteuerbeträge zu verzichten und stattdessen einen pauschalen, im Gesetz vorgegebenen Durchschnittssatz geltend zu machen.

Die Regelung galt für kleine Handwerks- und Einzelhandelsbetriebe sowie für einige Selbstständige, Grün­de­r:in­nen und freie Berufe. Auch freie Journalisten (wie der Autor dieses Artikels) profitierten davon: Statt die einzelnen Mehrwertsteuerbeträge aus allen von ihnen bezahlten Rechnungen aufzulisten, konnten sie pauschal 4,8 Prozent ihres Nettoumsatzes als Vorsteuer abziehen. Für andere Branchen galten andere Sätze. Insgesamt nutzten laut Gesetzesbegründung im Jahr 2017 mehr als 11.000 Un­ter­neh­me­r:in­nen diese Möglichkeit. Damit ist jetzt Schluss.

Still und heimlich

Einen Tag vor Heiligabend veröffentlichte das Finanzministerium auf seiner Website ausführliche Informationen zum Jahressteuergesetz und pries die Vorteile für Bür­ge­r:in­nen und Wirtschaft an. Der Wegfall des pauschalen Vorsteuerabzugs fand aber keine Erwähnung. Offenbar möchte das FDP-geführte Haus nicht viel Aufhebens darum machen, was wenig verwunderlich wäre angesichts ständiger Tiraden der Liberalen gegen Steuererhöhungen und Bürokratie. Nun ist es ausgerechnet FDP-Chef Lindner, der die Belastungen und Restriktionen erhöht.

Während die Pauschal-Regelung im Handwerk nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks wohl keine nennenswerte Rolle spielte, kommt Kritik vom Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland.

Der VGSD kann dem Gedanken, die Regeln für alle umsatzsteuerpflichtigen Un­ter­neh­me­r:in­nen zu vereinheitlichen, zwar durchaus etwas abgewinnen – die Umsetzung aber gefällt dem Verband nicht: „Wieder einmal gehen die Reformen vor allem zulasten der Kleinen, in diesem Fall besonders von Solo-Selbstständigen“, kritisiert ein Sprecher. „Diese müssen künftig nicht nur auf finanzielle Vorteile durch die Pauschalisierung verzichten, sondern haben auch einen deutlich größeren bürokratischen Aufwand. Wer einen Steuerberater beschäftigt, dürfte künftig für diesen Mehraufwand mehr zahlen müssen.“

Einbußen im vierstelligen Bereich

Nach eigenen Recherchen gehe man davon aus, dass die finanziellen Einbußen für manche Betroffene im vierstelligen Bereich liegen könnten. Der Verband bemängelt außerdem, dass der Gesetzgeber „inkonsequent“ sei, weil eben nicht alle pauschalen Durchschnittssätze abgeschafft wurden: „Der Vorsteuerabzug für gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Körperschaften bleibt bestehen, genauso wie für Land- und Forstwirte.“

Ein Sprecher von Finanzminister Lindner erklärte, dass der Wegfall der Option „angesichts der geringen steuerlichen Bedeutung nur mit sehr geringen steuerlichen Auswirkungen verbunden“ sei. Andererseits diene die Änderung „der Vermeidung einer Privilegierung einzelner Berufsgruppen, für die die Vorsteuerpauschalierung zu einer unionsrechtlich nicht zulässigen Besserstellung führte“. Warum dies für andere Gruppen zulässig sei, ließ der Sprecher offen – ebenso wie die Frage, wie die Novelle im Verhältnis zu Lindners Mantra „keine Steuererhöhungen“ passt.

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