Gesetzentwurf zu neuem Posten im Bund: Polizeibeauftragter darf einiges
Unangekündigte Besuche und Akteneinsichten: Die Ampel gibt dem neuen Polizeibeauftragten weite Befugnisse. Die Union hält das Amt für „überflüssig“.
BERLIN taz | Es ist ein Novum: Erstmals soll nun auch im Bund ein Polizeibeauftragter eingeführt werden. Schon im Koalitionsvertrag einigte sich die Ampel auf das Vorhaben. Nun legte sie einen Gesetzentwurf vor, der bereits am Freitag im Bundestag diskutiert werden soll – und dem Amt weitreichende Befugnisse einräumt. Ausfüllen soll es der Sozialdemokrat und Polizist Uli Grötsch.
Der Beauftragte soll Fehlverhalten und strukturelle Mängel in der Polizei untersuchen, heißt es im Gesetzentwurf, welcher der taz vorliegt. Sowohl Bürger*innen als auch Beschäftigte der Bundespolizei, des BKA oder der Bundestagspolizei sollen ihm dies melden können. Mit dem Amt solle das „Vertrauen in die Polizei gestärkt“ werden, so der Entwurf.
Angesiedelt wird das Amt im Bundestag, der Polizeibeauftragte soll dort unabhängig und mit mehreren Mitarbeitenden arbeiten. Wie viele, wird derzeit noch in den Haushaltsberatungen verhandelt. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre – eine einmalige Wiederwahl ist möglich.
Auch unangekündigte Besuche möglich
Der Gesetzentwurf wurde nicht in Ministerien, sondern von den Ampel-Fraktionen im Bundestag erarbeitet. Demnach soll der Beauftragte künftig auch bei laufenden Ermittlungen eigene Untersuchungen durchführen können – sofern die Ermittlungen dadurch nicht gefährdet werden. Hinweisgebenden kann er Anonymität zusagen. Auch kann er von Polizei und Behörden Stellungnahmen einholen oder Akten anfordern. Nur bei „zwingenden, darzulegenden Geheimhaltungsgründen“ darf dies verweigert werden – worüber letztlich die Bundesinnenministerin entscheiden würde. Zudem darf der Beauftragte Dienststellen auch ohne vorherige Anmeldung betreten oder bei größeren Polizeieinsätzen dabei sein.
Nach den Lesungen im Bundestag soll die Wahl von Grötsch Anfang 2024 erfolgen. Seinen ersten Bericht soll er im Juni 2024 vorlegen. Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic sagte der taz, mit dem Amt setze man „ein zentrales innenpolitisches Vorhaben“ der Ampel um. Der Polizeibeauftragte könne strukturelle Probleme wie Racial Profiling oder rechtsextreme Chatgruppen aufklären und grundsätzlich bearbeiten. So werde „eine echte Fehlerkultur etabliert“.
Auch SPD-Innenpolitiker Sebastian Hartmann sagte, mit dem Amt schaffe man „etwas ganz Neues“ und setze „einen neuen Standard für eine moderne Polizei in unserem demokratischen Rechtsstaat“. Nicht nur auf deutscher, sondern auch europäischer Ebene gehe man damit „einen großen Schritt voran“ und könne „als Vorbild für demokratisch und extremismusresistente Polizeien dienen“.
Die Unions-Fraktionsvize Andrea Lindholz (CSU) nannte das Projekt dagegen „überflüssig“. Die Ampel offenbare damit ihr „grundsätzliches Misstrauen“ gegenüber der Polizei. „Die Polizei hat kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus und Radikalismus.“ Besorgniserregend seien vielmehr die zuletzt fast 40.000 Angriffe auf Polizeikräfte, so Lindholz zur taz.
In elf Bundesländern gibt es bereits Polizeibeauftragte oder entsprechende Beschwerdestellen.
Leser*innenkommentare
Thomas Schnitzer
Wir brauchen analog zu anderen europäischen Ländern eine unabhängige Behörde, die ausschließlich gegen die hunderte bis tausende "Einzelfälle" rechter und krimineller Polizisten vorgeht.
An die Union: Schöne Grüße, dass grundsätzliche Misstrauen gegen deutsche Polizisten ist gerechtfertigt. Siehe auch NSU 2.0 und Nordkreuz.
Und an diesem Vertrauensverlust ist die Union maßgeblich beteiligt.
Bolzkopf
" ... Beschäftigte der Bundespolizei, des BKA oder der Bundestagspolizei ..."
Und das ist der entscheidende Punkt !
Mit diesen Polizeibehörden hat der Bürger eher selten zu tun denn die "normale" Polizei ist ja bekanntlich Ländersache.
Stoffel
Toll wäre das gewesen, wenn der Kandidat kein Parteibuch hätte. Aber so ist es wieder ein Posten für einen verdientes Parteimitglied.
Nacktmull
"Ausfüllen soll es der Sozialdemokrat und Polizist Uli Grötsch"
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655170 (Profil gelöscht)
Gast
Wer die Polizei nicht adäquat überwachen will,
will den Polizeistaat.
Einen Staat im Staat ohne demokratische Kontrolle.
So ist das, "Union".
Und daran gibt's nichts rumzuschwurbeln.
Zebulon
@655170 (Profil gelöscht) In der Tat läßt das Demokratieverständnise der Union sehr zu wünschen übrig.
„Die Polizei hat kein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus und Radikalismus.“
Soso ... na dann ist doch alles bestens und ein wenig Polizeiüberwachung wird dann auch nix anderes feststellen ...
Da frage ich mich nur, woher diese Abwehrhaltung kommt, was diese begründet.
hedele
Bei 40.000 Angriffen auf Polizeibeamte gibt es wohl doch ein strukturelles Problem? Sie scheint in der Bevölkerung nicht gar so gut verankert, sondern wird als Gegner wahrgenommen. Es gibt offenbar zu wenig Linke, zu wenig Türken, zu wenig Araber, zu wenig Frauen bei der Polizei.
Perkele
Es ist kaum verwunderlich, dass die CDU dieses Projekt für überflüssig hält. Überflüssig war ja auch schon eine Untersuchung von rechtslastigen Aktivitäten im Polizeiapparat. Seehofer hat das verhindert. Der hessische Innenministzer ist total blind auf dem rechten Auge, das zieht sich wie ein brauner Faden durch seine "Anstrengunegn" diesen Sumpf auszutrocknen. Aber diese rechte Tendenz kommt einigen CDUl/CSUlern eher in ihrer politischen Richtung entgegen - deswegen wollen es diese Leute gerne bedeckt halten. Hoffentlich lassen das die Gemäßigten in den Uniosparteien nicht zu. Noch haben wir hier keine US-Verhältnisse. NOCH nicht....