Gesetzentwurf im Innenministerium: Weitere Asylrechtsverschärfungen?
Geduldete könnten ihren Status bei fehlender Mitwirkung verlieren. Die Verbreitung von Abschiebungsterminen soll verboten werden.
Berlin taz Das Bundesinnenministerium plant weitere Verschärfungen des Asylrechts. In der vergangenen Woche wurde ein Referentenentwurf des „Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, auch „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ bekannt. Demnach soll geduldeten Flüchtlingen, denen vorgeworfen wird, nicht ausreichend an der Passbeschaffung mitgewirkt zu haben, der Duldungsstatus entzogen werden.
Duldungen werden bislang meist erteilt, wenn Abschiebehindernisse vorliegen. Dies können fehlende Papiere sein, aber auch Krankheit oder die Ablehnung der Aufnahme durch die Herkunftsländer. Nach dem Entwurf sollen staatliche Leistungen und Erlaubnisse für Geduldete zukünftig „umfänglich an die Pflicht des Betroffenen geknüpft“ werden, „in zumutbarem Umfang selbst notwendige Handlungen zur Erlangung eines Passes oder Passersatzes vorzunehmen.“
Die Menschen, die den Status als Geduldete aufgrund fehlender Passbeschaffung verlieren, sollen nach dem Wunsch des Innenministeriums zukünftig sanktioniert werden können. Dies betrifft Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und auch die Erlaubnis, einer Erwerbstätigkeit oder Ausbildung nachzugehen. Obwohl die Betroffenen gerade nicht abgeschoben werden können, dürfen sie dem Gesetzentwurf nach nicht arbeiten.
Der Vorstoß aus Horst Seehofers Ministerium, der noch nicht mit anderen Ministerien abgestimmt ist, betrifft auch Beratungsstellen und ehrenamtliche Flüchtlingsunterstützer. So soll im Aufenthaltsgesetz ein Passus hinzugefügt werden, der diejenigen unter Strafe stellt, die „ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde geplante Zeitpunkte oder Zeiträume einer bevorstehenden Abschiebung veröffentlichen, an einen unbestimmten Personenkreis gelangen lassen oder einem ausreisepflichtigen Ausländer mitteilen.“ Explizit gilt dies auch für die Verbreitung in sozialen Netzwerken oder in einem geschlossenen Newsletter.
Bis zu drei Jahre Gefängnis
Bislang informieren verschiedene Flüchtlingsrechtsorganisationen und Beratungsstellen Betroffene und die Öffentlichkeit über anstehende Abschiebeflüge, wenn ihnen diese Informationen vorliegen. So weist beispielsweise der Bayerische Flüchtlingsrat auf seiner Homepage auf eine geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan am 18. Februar hin.
Ein solcher Hinweis könnte mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden, wenn der Referentenentwurf zu einem Gesetz werden würde. Der Flüchtlingsrat bezeichnet den Entwurf als „massiven Angriff auf den Grundsatz der individuellen und ergebnisoffenen Beratung von Sozialarbeiter*innen und Rechtsanwält*innen, der ein wesentlicher Eckpfeiler des Rechtsstaats darstellt.“
„Es ist unser Recht und unsere Pflicht, Flüchtlinge zu beraten. Das lassen wir uns auch nicht nehmen“, sagt Agnes Andrae vom Bayerischen Flüchtlingsrat zur taz. Sie ist selbst in der Einzelfallberatung tätig. „Wenn wir Informationen über geplante Abschiebungen haben, geben wir diese natürlich auch weiter. Wer Unterstützer*innen, Berater*innen, Anwält*innen und Ehrenamtliche mundtot macht, erklärt den Rechtsstaat zur Makulatur.“
Bereits im vergangenen Jahr hatte die baden-württembergische AfD erfolglos Strafanzeigen aufgrund veröffentlichter Abschiebetermine gestellt. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, hatte im Mai 2018 von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ gesprochen. „Das Innenministerium setzt meiner Ansicht nach mit dem Gesetzentwurf diese Rhetorik politisch um“, meint Maximilian Pichl von der Universität Kassel im Gespräch mit der taz. Pichl ist Asylrechtsexperte, Rechts- und Politikwissenschaftler sowie ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe aktiv.
„Gerade bei Abschiebungen nach Afghanistan sind Menschenrechtsverletzungen und Bedrohungen des Lebens im Ankunftsland zu befürchten. Daher halte ich es für wichtig, wenn auf diese Abschiebungen öffentlich aufmerksam gemacht wird, um die Betroffenen juristisch zu unterstützen“, so Pichl weiter. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert den Gesetzentwurf als „inhuman und mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Einklang zu bringen.“ Abgelehnte Asylbewerber würden darin wie Straftäter behandelt.
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