Gesetz gegen Opposition in Nicaragua: Alles Vaterlandsverräter
Mit einem neuen Gesetz stellt Nicaraguas autoritärer Machthaber Daniel Ortega de facto jede Opposition unter Strafe – und gängelt die Zivilgesellschaft.
Noch in der Plenardebatte verschärften die sandinistischen Abgeordneten, die über eine Verfassungsmehrheit verfügen, die Vorlage, indem sie den Aufruf zu und die Teilnahme an „sozialen Protesten“ zum „Staatsstreich“ und „Vaterlandsverrat“ erklärten.
Für Félix Maradiaga, Universitätsrektor und Mitglied der oppositionellen Coalición Nacional, ist das Gesetz eine „Verzweiflungstat“ des 75-jährigen ehemaligen Revolutionskommandaten Ortega, der „mit jeder erdenklichen Tücke seine bevorstehende Wahlniederlage aufhalten will“.
Bisher hat die Opposition für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr keinen Gegenkandidaten aufgestellt. Die Parteien von weit rechts bis links haben sich nicht einmal auf eine gemeinsame Strategie geeinigt, ob sie überhaupt antreten wollen. Denn eine Reform des Wahlgesetzes, das in seiner derzeitigen Form Ortega auf den Leib geschneidert wurde, ist ausgeblieben.
„Regulierung ausländischer Agenten“
Das jetzt verabschiedete Gesetz richtet sich auch gegen jene, die „zu ausländischer Einmischung aufstacheln“, „um militärische Intervention bitten“ oder „mit Finanzierung durch ausländische Mächte Terrorakte und Destabilisierung organisieren, die wirtschaftliche, kommerzielle und finanzielle Blockaden gegen das Land vorschlagen und verwalten“. Des „Aufstachelns zu ausländischer Einmischung“ macht sich etwa schuldig, wer die Sanktionen der USA gegen die Regierung Ortega gutheißt. Just am Tag der Parlamentsabstimmung wurde bekannt, dass drei weitere hohe Funktionäre mit Einreiseverboten in die USA belegt wurden. Darunter ein repressiver Polizeichef und der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs.
Schon im Oktober hatte die Nationalversammlung auf Initiative der Regierung ein „Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten“ beschlossen. Danach müssen sich Organisationen oder auch Medien und deren Mitarbeiter oder Berater, die Gelder aus dem Ausland bekommen, als „ausländische Agenten“ beim Innenministerium registrieren lassen.
Wer einmal registriert ist, muss über alle Projekte, die mit ausländischer Finanzierung geplant sind, Rechenschaft ablegen, sämtliche Quellen der Finanzierung offenlegen und monatlich eine minutiöse Buchführung über alle Eingänge und Ausgänge vorlegen. Damit ist die Zivilgesellschaft an die Kandare genommen, denn allein aus heimischen Quellen lassen sich die wenigsten Organisationen finanzieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Kritik an Antisemitismus-Resolution
So kann man Antisemitismus nicht bekämpfen
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung