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Gesetz gegen Opposition in NicaraguaAlles Vaterlandsverräter

Mit einem neuen Gesetz stellt Nicaraguas autoritärer Machthaber Daniel Ortega de facto jede Opposition unter Strafe – und gängelt die Zivilgesellschaft.

Wandbild Daniel Ortegas in Nicaraguas Hauptstadt Managua. Darüber gesprüht: „Mörder!“ Foto: Esteban Felix/ap

Wien taz | Wenn im November 2021 in Nicaragua gewählt wird, wird es keine Opposition geben. Die Nationalversammlung in Managua beschloss am Montag mit den Stimmen der FSLN (Sandinistische Nationale Befreiungsfront) des autoritären Staatschefs Daniel Ortega ein Gesetz, das „Nicaraguaner, die einen Staatsstreich anführen oder finanzieren, die die verfassungsmäßige Ordnung verändern, die terroristische Handlungen schüren oder dazu auffordern“, die Kandidatur für öffentliche Ämter untersagt.

Noch in der Plenardebatte verschärften die sandinistischen Abgeordneten, die über eine Verfassungsmehrheit verfügen, die Vorlage, indem sie den Aufruf zu und die Teilnahme an „sozialen Protesten“ zum „Staatsstreich“ und „Vaterlandsverrat“ erklärten.

Für Félix Maradiaga, Universitätsrektor und Mitglied der oppositionellen Coalición Nacional, ist das Gesetz eine „Verzweiflungstat“ des 75-jährigen ehemaligen Revolutionskommandaten Ortega, der „mit jeder erdenklichen Tücke seine bevorstehende Wahlniederlage aufhalten will“.

Bisher hat die Opposition für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr keinen Gegenkandidaten aufgestellt. Die Parteien von weit rechts bis links haben sich nicht einmal auf eine gemeinsame Strategie geeinigt, ob sie überhaupt antreten wollen. Denn eine Reform des Wahlgesetzes, das in seiner derzeitigen Form Ortega auf den Leib geschneidert wurde, ist ausgeblieben.

„Regulierung ausländischer Agenten“

Das jetzt verabschiedete Gesetz richtet sich auch gegen jene, die „zu ausländischer Einmischung aufstacheln“, „um militärische Intervention bitten“ oder „mit Finanzierung durch ausländische Mächte Terrorakte und Destabilisierung organisieren, die wirtschaftliche, kommerzielle und finanzielle Blockaden gegen das Land vorschlagen und verwalten“. Des „Aufstachelns zu ausländischer Einmischung“ macht sich etwa schuldig, wer die Sanktionen der USA gegen die Regierung Ortega gutheißt. Just am Tag der Parlamentsabstimmung wurde bekannt, dass drei weitere hohe Funktionäre mit Einreiseverboten in die USA belegt wurden. Darunter ein repressiver Polizeichef und der Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs.

Schon im Oktober hatte die Nationalversammlung auf Initiative der Regierung ein „Gesetz zur Regulierung ausländischer Agenten“ beschlossen. Danach müssen sich Organisationen oder auch Medien und deren Mitarbeiter oder Berater, die Gelder aus dem Ausland bekommen, als „ausländische Agenten“ beim Innenministerium registrieren lassen.

Wer einmal registriert ist, muss über alle Projekte, die mit ausländischer Finanzierung geplant sind, Rechenschaft ablegen, sämtliche Quellen der Finanzierung offenlegen und monatlich eine minutiöse Buchführung über alle Eingänge und Ausgänge vorlegen. Damit ist die Zivilgesellschaft an die Kandare genommen, denn allein aus heimischen Quellen lassen sich die wenigsten Organisationen finanzieren.

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1 Kommentar

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  • Zu Félix Maradiaga sollte man vielleicht noch erwähnen, dass er ein "Young Leader" des Weltwirtschaftsforums ist, mit anderen Worten: ein neoliberaler Fundamentalist und Menschenfeind. Finanziert wird er von FIBRAS/MpN, hinter denen wiederum das National Endowment for Democracy steht, das im Fall Nicaraguas nichts weiter ist als Reagans "Contras" mit demokratischem Anstrich. Federführend ist desweiteren Expräsident Bolaños, ein Baumwollbaron und Großgrundbesitzer, der sich im Amt durch eine christlich-fundamentalistische Agenda ausgezeichnet hat: 30 Jahre Haft für Abtreibung, und Jagd auf eine "schwul-lesbische Verschwörung" deren Anführer Ortega sei, die aber in Wirklichkeit nur in Bolaños Kopf existiert. Mit anderen Worten, hinter dem "Young Leader" Maradiaga stehen dieselben Kräfte, wie hinter der christlich-faschistischen Camacho-Áñez-Verschwörung in Bolivien.

    Völlig aus der Luft gegriffen sind die Vorwürfe gegen ihn also nicht. Und was eine Machtübername solcher Horrorclowns im Kontext der Pandemie bedeutet, kann man leicht im Vergleich der Covid-Daten von Nicaragua und Honduras sehen - selbst wenn man bedenkt, dass Ortega seine Zahlen schönen lässt, ist der Unterschied zwischen einer halbwegs sozialen Politik und einem verwahrlosten Neoliberalismus deutlich.

    Dass Ortega seinerseits auf seine alten Tage einen ziemlich elenden Caudillismo etabliert hat, bleibt davon unbenommen. Zumindest teilweise geht die Krise durch seine Verweigerung des längst überfälligen Generationswechsels auf seine Kappe.