Gesetz für Infrastruktur-Gesellschaft: DGB warnt vor privaten Straßen
Die Gewerkschaft drängt auf Änderungen am Gesetzentwurf. Sonst drohten teure ÖPP-Projekte und ein Verlust politischer Kontrolle.
BERLIN taz | Im Streit um die künftige Zuständigkeit für die deutschen Autobahnen erhöht der Deutsche Gewerkschaftsbund den Druck auf die Politik. In einem Beschluss vom Dienstag fordert der DGB-Vorstand ausdrücklich, im laufenden Gesetzgebungsverfahren jede Form der Privatisierung auszuschließen. Unter www.dgb.de/unsere-autobahn kann die Forderung unterstützt werden.
Die geplanten Änderungen bei der Autobahn-Verwaltung sind Teil der Neugestaltung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern. Das umfangreiche Gesetzespaket, das auch mehrere Grundgesetzänderungen beinhaltet, wurde Mitte Februar in den Bundestag eingebracht; eine Entscheidung ist für Ende Mai geplant. Die Verantwortung für die Autobahnen und einzelne Fernstraßen soll dabei in eine neue Infrastrukturgesellschaft übertragen werden.
Eine direkte Privatisierung dieser Gesellschaft schließt das Gesetz zwar aus, doch „mittelbare Privatisierungen“ seien möglich, warnte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell am Mittwoch. Dazu gehören etwa Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), bei denen private Konsortien ein Autobahn-Teilstück finanzieren und bauen und im Gegenzug über Jahrzehnte die dort anfallende Maut oder öffentliche Gelder erhalten – was laut Bundesrechnungshof in den meisten Fällen erheblich teurer ist als Bau und Betrieb durch den Staat.
„ÖPP ist Betrug am Steuerzahler und an unseren Kindern“, sagte Frank Hollweg von der Verdi-Bundesfachgruppe Straßenbau. Auch der DGB-Vorstand positioniert sich gegen jede Form von ÖPP-Projekten. Sowohl für einzelne Strecken als auch für ganze Netze müssten sie gesetzlich „ausgeschlossen werden“, heißt es im Beschluss.
Die neue Infrastrukturgesellschaft würden die Gewerkschaften am liebsten ganz verhindern. Weil das kaum realistisch erscheint, drängen sie nun darauf, dass diese nicht wie derzeit geplant als GmbH gegründet wird, sondern als Anstalt öffentlichen Rechts. Damit lasse sich am besten sicherstellen, dass „der Bundestag weitreichenden Einfluss auf die Gesellschaft hat“, sagte DGB-Vorstand Körzell.
„Öffentlich-Private Partnerschaften sind Betrug am Steuerzahler und an unseren Kindern“
Diese Forderungen werden auch von weiten Teilen der SPD geteilt. Nicht nur die parlamentarische Linke hatte sich klar für ein ÖPP-Verbot und eine Anstalt öffentlichen Rechts ausgesprochen; auch Johannes Kahrs vom konservativen Seeheimer Kreis hatte bei der ersten Lesung im Bundestag erklärt, er halte „eine Anstalt des öffentlichen Rechts für die richtige Rechtsform“, und gewarnt, es dürfe nicht „über die Hintertür eine Privatisierung der Bundesautobahnen stattfinden“.
Trotzdem hat die Bundesregierung, an der die SPD ja ebenfalls beteiligt ist, sämtliche Änderungsvorschläge des Bundesrats zum geplanten Gesetzespaket zurückgewiesen; dazu gehörte auch, ÖPP-Projekte nur unter bestimmten Bedingungen zu erlauben. Wie sich die SPD verhält, wenn die Union auch im Bundestag Änderungen am Gesetz ablehnt, ist offen. Denn weil viele Länder am anderen Teil des Pakets – der Neuregelung des Finanzausgleichs – sehr interessiert sind, dürfte es auch keine Option sein, das Projekt komplett scheitern zu lassen.
Leser*innenkommentare
unSinn
Danke, taz ! Die deutsche Mainstream-Presse schweigt wie auf Befehl, wenn es darum geht, wieder einmal gewaltige öffentliche Mittel ausgesuchten Konsortien und deren Hintermännern mit 30jähriger Vertragsdauer staatlicherseits zu garantieren.
Gabriel hatte dies noch mit Schäuble und Dobrindt ausgeheckt - aber wo bleibt jetzt der neue Hoffnungsträger der SPD Schulz, wenn diese von Lobbyisten in Regierung und Fraktionen ausgekungelte Ungerechtigkeit per Grundgesetzänderung noch schnell von der GroKo durchs Parlament gepeitscht werden soll ?
In wenigen Monaten schon, wahrscheinlich noch im Wahlkampf wird es eine Riesenaufregung darüber geben, dass sich die SPD in darüber geben, dass die SPD sich in den letzten Wochen von Schwarz-Rot dazu ködern ließ, das Bubenstück dieser Veränderung des Grundgesetzes mitzutragen, das laut Bundesrechnungshof die öffentlichen Haushalte, Steuerzahler und später perDobrindt-Maut auch die Autofahrer der Zukunft finanzieren sollen. Um 38% sind demnach die geplanten ÖPP-Projekte teurer als der bisherige Straßenbau.
Gerade noch wenige Wochen haben die MdBs der SPD Zeit, sich darauf zu besinnen, dass sie nicht alles absegnen müssen, was ihnen die eigenen fraktionsinternen "Fachleute" unterjubeln wollen.
In den Bund-Länder-Verhandlungen hatte der Bund bekanntlich die Länder zu diesem Privatisierungstrick erpresst, in dem er ihnen 9,5 Mrd./Jahr zugesagt hat. Für Bürger und Steuerzahler ist dies aber ein empörendes Nullsummenspiel. Dieses typische Politgeschäft aus den Hinterzimmern der Bundesministerien fußt auf dem Privatisierungswahn, bei dem sich die Amtseidableger nicht scheuen, Steuermittel von einem Bundesorgan zu anderen hinüberzuschieben, mit der erkennbaren Absicht, irgendwelchen anonymen privaten Investoren und deren geplanten Fonds staatlicherseits überproportionale Gewinne zuzuschanzen.
Das wird auf die SPD zurückfallen, dann kann man gleich CDU oder FDP wählen.
Bitbändiger
Ich wünsche dem DGB viel Erfolg beim Bemühen einiger Lobbyisten-Freunde in den Regierungsparteien, möglichst viele öffentliche Mittel mit allerlei Tricks in private Schatullen sogenannter "Investoren" zu lenken. Schon die bisherige Vorgehensweise, gegen das ausdrückliche und fundierte Votum des Bundesrechnungshofs alle möglichen ÖPP-Projekte durchzupauken, ist ein Skandal, dessen Verantwortliche eigentlich wegen Untreue vor Gericht gehörten. Die geplante Bundesgesellschaft dient keinem anderen Zweck, als diese Veruntreuung künftig noch zu erleichtern und allen möglichen Tricksereien am Haushaltsrecht vorbei das Tor weit zu öffnen.
Bitbändiger
Schlamperei:
Es muss natürlich
"...beim Kampf gegen das Bemühen einiger Lobbyisten-Freunde..."
heißen.
Tom Farmer
Es kommt wie immer darauf an wie man das macht. Der DGB kann da aber wohl nix an Konstruktivität beitragen.
Straßen gratis und die Vielfahrer werden letztlich durch Nicht-Autobesitzern und deren Steuerzahlung subventioniert? Bin ich nicht dafür!
Straßen einmalig verkaufen und Rendite bei ggf. Allianz und Co? Bin ich auch nicht dafür!
Straßen privatwirtschaftlich führen und jährliche Gewinne für staatliche Projekte oder Bürgerprojekte oder gar Bürgerentlastung GEZIELT gesetzlich definieren. Und Kostenumwälzung auf die, die am meisten fahren? Gerne! Warum nicht?
Bitbändiger
Ihre Forderung, lieber @TomFarmer, läuft auf eine entfernungsbezogene allgemeine Maut hinaus, gegen die ich nichts einzuwenden hätte - wesentliche Teile der erforderlichen Infrastruktur sind ja für die LKW-Maut schon vorhanden.
Mit der Privatisierung der Straßen hat das allerdings nichts zu tun (außer dass diese zu einer Verteuerung führen würde).