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Geschworener verteidigt GlyphosaturteilNicht Emotionen, sondern Fakten

Für Bayer sind die Jurys in den US-Prozessen wegen Krebs durch Glyphosat ahnungslose Laien. Dem widerspricht nun ein Geschworener.

Enthält Glyphosat: Der Unkrautvernichter „Roundup“ von Monsanto Foto: Reuters

Berlin taz | Die Jury im ersten US-Prozess wegen Krebs durch das Pestizid Glyphosat war einem der Geschworenen zufolge weder inkompetent noch irrational. „Es waren viele intelligente Menschen dabei, mehrere mit Doktorabschlüssen, ein Molekularbiologe, ein Wirtschaftsprüfer, ein Umweltingenieur, ein Technologiejournalist und jemand, der die Recherchen für eine Anwaltskanzlei betreibt“, sagte der Bauunternehmer Bob Howard dem Handelsblatt vom Freitag.

Howard wies Vorwürfe von Unterstützern des Glyphosat-Herstellers Monsanto und seines deutschen Mutterkonzerns Bayer zurück, Laienrichter seien nicht in der Lage, einen so komplexen Sachverhalt zu beurteilen. „Unsere Jury ist von vielen Beteiligten als hochintelligent beschrieben worden. Wir haben sogar dem Gericht Fragen vorgeschlagen – viele davon kamen von unserem Molekularbiologen“, erklärte der Kalifornier.

Monsanto habe den Anwälten vorgeworfen, Emotionen im Gerichtssaal zu schüren. „Aber das war nicht der Fall. Unser Urteil haben wir sehr rational gefällt“, ergänzte Howard. „Wir sind sehr methodisch vorgegangen und haben den Prozess Revue passieren lassen, haben Aussage für Aussage in unseren Aufzeichnungen verglichen und überlegt, was sie bedeuten.“

Er dämpfte auch Bayers Hoffnung, im Berufungsverfahren das Urteil zu kippen: „Ich glaube, dass es schwer ist, ein einstimmiges Jury-Urteil komplett umzustoßen. Wir haben Studien gesehen, die uns überzeugt haben, und die werden auch die Richter sehen. Wir haben unser Urteil nicht auf Emotionen basiert.“

Dritter Prozess läuft

Howards Jury entschied über den Fall des Kaliforniers Dewayne Johnson, der unheilbar an Krebs erkrankt ist. Zu Johnsons Erkrankung habe Glyphosat erheblich beigetragen, stellte die Jury im August in San Francisco fest. Denn Johnson hatte als Platzwart bis zu 30 Mal pro Jahr Pestizide mit dem Wirkstoff auf dem Gelände von Schulen ausgebracht.

Das Gericht verurteilte Bayers US-Tochter Monsanto dazu, dem Mann 289 Millionen Dollar Schadenersatz zu zahlen. Die Vorsitzende Richterin senkte diesen Betrag später auf 78 Millionen Dollar. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da Bayer Widerspruch eingelegt hat.

Vergangene Woche sprach zum zweiten Mal ein Gericht in Kalifornien einem Kläger rund 80 Millionen Dollar Schadenersatz zu, der jahrelang Glyphosat gesprüht und dann Krebs bekommen hatte. Derzeit läuft das dritte Verfahren dieser Art in der kalifornischen Stadt Oakland. Insgesamt sind mehr als 11.000 Glyphosat-Klagen anhängig. Der Unkrautvernichter ist das meistverwendete Pestizid und gilt Umweltschützern als Gefahr für die Natur.

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9 Kommentare

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  • "Für Bayer sind die Jurys in den US-Prozessen wegen Krebs durch Glyphosat ahnungslose Laien."



    Mit Diffamierungen den selbst und aus Gier verursachten Vergiftungen von Tausenden, wenn nicht sogar Millionen von Menschen begegnen zu wollen, grenzt für mich schon an Debilität.



    Bayer wird dieses "Geschäft" Monsanto mittelfristig unweigerlich sowas von "auf die Füße" fallen…

  • Es klingt überzeugend, dass diese GEschworenen eine recht kompetente Jury bildeten. Aber ich frage mich, ob man da eigentlich fachlich kompetente Leute braucht. Dem Gericht stehen doch jede Menge von Gutachten zur Verfügung. Sinn von dieser Art von bedeutenden Gerichtsverfahren ist doch, auch (seriöse) Laien einzubinden. Das ist so in den USA oder auch hier in Deutschland. Denen stehen im Prozess alle juristischen und für die Sachlage des zu verhandelnden Prozesses wichtigen Informationen zur Verfügung. Es werden mehrere voneinander unabhängige Personen ausgewählt, um einzelne falsche Beurteilungen zu überstimmen.

    Eine andere Sache ist, wenn der Konzern jetzt versucht, das Rechtssystem - in dem Fall das der U.S. - zu diskreditieren. Aber das wird hoffentlich stark sein und solche dummen Argumente ignorieren. Wenn die Vorstände von BAYER glaubten, durch den Kauf solch eines faulen Eies wie Monsanto Vorteile zu verschaffen, dann haben sie die Konsequenzen zu tragen. Das Traurige an der Sache ist, dass die Vorstände persönlich nie Verantwortung tragen werden. Sie werden weiterhin finanziell mit Millionensummen versorgt sein, egal ob man an ihrem Sachverstand zweifeln muss oder nicht!

  • Also die Bayern haben Roundup für ihre Landwirte zur Förderung ihrer gesunden Land-Wirtschaft von ihrer "Regierung" gefördert bekommen!



    Damit kann ich nicht einmal mehr Bayerisches Bier trinken?

  • " Denn Johnson hatte als Platzwart bis zu 30 Mal pro Jahr Pestizide mit dem Wirkstoff auf dem Gelände von Schulen ausgebracht."

    Vielleicht ein bischen viel und zu heftig und sicher kein sachgerechter Umgang mit diesem Gift. Gab es Anwendungsrichtlinien von Monsanto? Wurde auf die Notwendigkeit von Schutzkleidung hingewiesen? Seit wann wusste Monsanto, dass bei unsachgemäßem Gebrauch Gesundheitsgefahren bestehen?

    Die Informationen, die man zum Vorgang erhält, sind für eine Beurteilung zu dürftig.

  • Wird der Leserbrief jetzt auch gekürzt?

  • Ich hoffe die Bürger der EU lassen sich sich von diesem deutschen Chemieriesen nicht für dumm verkaufen.



    Die europäische Politelite ist ja eh schon von dieser Firma und der Politschen Elitekaste gekauft.



    Anders lässt sich deren politik und die daraus resultierenten Entscheidungen nicht erklären.



    Der Tod war schon immer ein Meister aus Deutschland, siehe Goethes Faust.

  • Mich überzeugt dann auch doch eher, auch wenn ich nicht dabei war, das Urteil der Jury, denn, ob Absicht oder nicht, möglicher Irrtum erfährt (auch) im dortigen Rechtssystem nun einmal Bedeutung - Aufhebung der Entscheidung, oder Rechtskraft..

  • Wer anfängt sein Gegenüber zu beleidigen gesteht ein, dass er argumentativ unterlegen ist...



    Auch wenn sie es nicht offen zugeben werde, aber die wissen natürlich genau wie giftig ihre Mittel sind und das die Studien dies belegen...



    Haben die gedacht dass sie ewig damit durchkommen? Das ist die Tabakindustrie oder VW doch auch nicht gelungen.



    Oder reicht das Glyphosatgeschäft in der EU aus, so dass am Ende ein Gewinn bleibt?