Geschlechtsspezifische Kosmetik: Moschusfahne und Maracujaduft
Männer riechen nach Kräutern oder Moos, Frauen nach Blumen. Beauty-Marketing arbeitet mit Stereotypen und reproduziert binäre Geschlechterklischees.
Wer die Regale einer Drogerie auf der Suche nach Deodorant oder Duschgel durchstreift, wird von Düften und Farben überhäuft. Bei der Entscheidung helfen Erwartungen und Klischees: Weiblich gelesene Personen bewegen sich häufig in Richtung Maracuja, Granatapfel oder Vanille, während männlich gelesene Personen offenbar nach Energy, Active oder Sport duften sollen. Obwohl letztere Beispiele im Grunde keine Duftrichtungen sind, haben wir beim Gedanken an Kosmetikprodukte „for men“ sofort einen Geruch in der Nase: vermeintlich kernig, meist unerträglich herb.
Nicht nur duftet es aus den Herrenregalen anders, es sieht dort auch anders aus: In der Damenabteilung überwiegen helle Farben, viel Rosa, Blumen und Tiere, bei den Männern dominieren Blau und Schwarz, geometrische Muster sowie Wassertropfen. Was als Männerduft vermarktet wird, soll Aktivität und Tatendrang ausstrahlen, bei den Frauenprodukten werden Schönheit und Sanftheit signalisiert – schön wie eine Blume, süß wie die Mango, gut für die Seele.
Ein Beispiel: Eine Feuchtigkeitsmaske desselben Unternehmens spricht Frauen mit den Worten „be sweet“ und dem Bild eines Lämmchens mit Blumenschmuck auf dem Kopf an, während die Männern angedachte Version „den Frischekick“ vor dem Bild eines Superhelden verspricht.
Herrendüfte sind im Regelfall an Kräutern, Zitrusduft oder Holz und Moos orientiert, Damendüfte an Blüten oder Früchten. Doch woran machen sich diese vermeintlichen Vorlieben fest? Was entscheidet darüber, wie wir selbst riechen möchten und wie unser Gegenüber riechen soll? Zunächst einmal gibt es zu Körpergerüchen allerhand Forschung.
Weit weg von natürlichen Gerüchen
Man liest, Personen eines Geschlechts würden Personen des anderen Geschlechts bevorzugen, die gänzlich anders als sie selbst riechen – so würde die Natur für einen gut durchmischten Genpool sorgen. Auch hätten die Signale, die unser Körper per Duft aussendet, ganz realweltliche Auswirkungen: Stripteasetänzerinnen bekamen laut einer Studie an ihren fruchtbaren Tagen doppelt so viel Trinkgeld, was den Forschenden zufolge auch an einem Fruchtbarkeit ausstrahlenden Körpergeruch liegen könnte.
Unsere Nase verrät uns also durchaus mehr, als uns bewusst ist – auch, ob wir jemanden „gut riechen können“. Doch die Düfte des Beauty-Marketings sind von unseren natürlichen Körpergerüchen meilenweit entfernt. Davon zeugt schon die Tatsache, dass der Schweiß von Frauen aufgrund der schwefelhaltigen Verbindungen häufiger als der von Männern einen zwiebelartigen Geruch hat – Zwiebel statt Mango?
Statt biologischer Faktoren kommt es im Beauty-Marketing eher darauf an, wie die Gesellschaft auf Geschlecht blickt. Zwar gibt es auch spezifisch als Unisex-Produkte konzipierte Düfte, Cremes und Lotionen, die verschiedene Geruchssegmente, allerdings weniger dominant vereinen.
Doch abgesehen davon teilt sich die Kosmetikwelt in ein auf Frauen und ein auf Männer zugeschnittenes Segment. Frauen werden dabei seit jeher als das zarte, romantische Geschlecht gezeichnet. Sie sollen schön, Männer hingegen attraktiv und stark wirken.
Geruchsvorlieben bilden sich erst
Dabei, wie wir solche Stereotype in uns aufnehmen, spielt Konditionierung eine große Rolle. Denn unsere Geruchsvorlieben bilden sich erst im Verlauf unseres Lebens weiter aus – ein Neugeborenes hat zwar einen sehr ausgeprägten Geruchssinn, aber noch kaum bevorzugte Düfte.
Verknüpfen wir einen Duft, oft über Jahre hinweg, mit bestimmten Personen oder mit negativen beziehungsweise positiven Erfahrungen, formt sich so unsere Geruchswahrnehmung. Riechen die Männer in unserem Leben also schon immer kernig, die Frauen blumig, verknüpfen wir die Gerüche entsprechend.
Solche Verknüpfungen macht sich nicht bloß die Kosmetikbranche zunutze. Beim sogenannten Duft-Marketing geht es darum, die Emotion der Kundschaft – und damit auch ihr Kaufverhalten – zu beeinflussen. Beim Aufenthalt in einem Geschäft nehmen wir Gerüche ganz beiläufig wahr und verbinden damit unter Umständen gewisse – gewollte – Emotionen.
Coca-Cola soll in den USA laut Marketingberichten eine Umsatzsteigerung erzielt haben, indem an Verkaufsorten der Marke der Duft einer in den 1990er Jahren besonders beliebten Sonnencreme verströmt wurde: die anvisierte Zielgruppe der Mütter war in dieser Zeit aufgewachsen und verband mit dem bekannten Cremegeruch Freizeitaktivitäten, Urlaub und damit auch Coca-Cola. Diese positiven Emotionen machte sich der Konzern zunutze. Auch Hotels und Kleidungsmarken setzen auf Signaturdüfte, die ein bestimmtes Image vermitteln und Kundschaft binden sollen.
Eher indviduell als kulturell geprägt
Uneinig ist sich die Wissenschaft darüber, inwiefern Gerüche auch kulturell geprägt sind. In der Vergangenheit hatten Studien einen kulturellen Zusammenhang erkannt: Sie kamen etwa zu dem Ergebnis, dass japanische Teilnehmende ihnen bekannte Gerüche wie gerösteten Tee oder getrockneten Fisch positiver einstuften als deutsche Teilnehmende – diese wiederum waren scheinbar begeisterte Kirchgänger:innen, bewerteten sie doch beispielsweise Weihrauch als angenehmen Geruch.
Eine aktuelle Studie aus Schweden kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Geruchswahrnehmung viel stärker von individuellen Vorlieben als von kultureller Prägung bestimmt ist. Einige Gerüche wurden auch kulturübergreifend mehrheitlich als positiv oder negativ wahrgenommen: Vanillegeruch ist anscheinend weltweit beliebt, Fußschweiß hingegen weniger, wen wundert’s.
Was nach allen biologischen und konditionierten Einflussfaktoren am Ende stehen bleibt, sind zwei Feststellungen. Erstens: Geruchsvorlieben sind individuell. Und zweitens: Marketing arbeitet mit Klischees. Wie es scheint, drehen wir uns mit der Industrie im Kreis: Diese setzt auf altbewährt-geschlechterspezifische Gerüche, und deren fortwährende Reproduktion lässt sie wiederum für uns nach Mann oder Frau riechen.
Dabei ergibt eine solche Klassifizierung keinen Sinn, wo wir Duft und Gestank doch individualisiert und verknüpft mit unseren spezifischen Erinnerungen wahrnehmen. Der Markt bietet bereits eine Auswahl an geschlechtsunabhängigen Beauty- und Pflegeprodukten. Diese sollen allerdings vermeintlich neutral riechen – bloß nicht zu männlich oder zu weiblich.
Und so wird der maracujaduftende Mann weiterhin genauso schräg angeschaut wie die Frau mit Moschusfahne – und auch, wer sich nicht im binären Geschlechterschema wiederfindet, muss gefühlt entscheiden.
Ein Vorschlag: Wie wäre es, Produkte einfach nach Geruch zu kategorisieren. Duschbad „Cherry Blossom“ dürfte dann auch in blauer Verpackung und Shampoo „Herbal Energy“ mit Blumenranke in Pastell daherkommen. Solange die Kosmetikabteilung aber noch in Farben und Klischees unterteilt ist, bleibt bloß der Ratschlag: Riecht doch, wie ihr wollt!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs