Gerichtsverfahren gegen Franco A.: Vom Offizier zum Geflüchteten
Franco A. plante mutmaßlich rechten Terror und hatte als vermeintlicher Syrer einen Schutzstatus. Der Prozess gegen ihn zeigt, wie das möglich war.
Seit Beginn des Prozesses versucht die Verteidigung, Deutschland als einen von Angela Merkel autokratisch regierten Staat darzustellen, der die Aufnahme von Hunderttausenden Geflüchteten regelwidrig durchgedrückt habe. Der Vorsitzende Richter reagiert am Donnerstag entspannt: Man werde diesen Antrag in Ruhe beraten. Dann verliest er mit einer Richterkollegin eine Stunde lang Akten.
Der Bundeswehroffizier Franco A. steht in Frankfurt am Main vor Gericht, weil er eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben soll, einen Terroranschlag oder Attentate auf Personen aus Politik und Zivilgesellschaft, womöglich in seiner Identität als syrischer Geflüchteter. 15 Monate lang hatte er ein Doppelleben geführt. Aber wie konnte Franco A. eigentlich so lange als Asylbewerber „David Benjamin“ durchgehen? Dazu haben die jüngsten Verhandlungstage neue Einzelheiten ans Licht gebracht.
Der entscheidende Tag war offenbar der 7. November 2016, damals wird Franco A. vom Bamf angehört. Ihm gegenüber sitzt zufälligerweise ein anderer Bundeswehrsoldat, ein Feldwebel, der Amtshilfe leistet, denn das Bamf ist mit der Anzahl der Antragsteller:innen völlig überfordert. Als der Feldwebel vor Gericht aussagt, macht er eins klar: Seine zweiwöchige Ausbildung reicht für den Job eigentlich nicht. Er sagt: „Landeskunde und so weiter gab es in der Ausbildung nicht.“
Franco A.s Legende wird nicht hinterfragt
Soweit bekannt, sehen sich Franco A. und der ihn befragende Bundeswehrsoldat bei der Anhörung zum ersten Mal. Auch eine Übersetzerin ist dabei, die nicht sehr gut Deutsch spricht. Das kann man im Gerichtssaal hören, weil Franco A. das Gespräch in Teilen aufgezeichnet hat und die Aufnahme im Gericht abgespielt wird. A. führt das Gespräch auf Französisch, was er fließend spricht.
Seine Legende: Er sei Angehöriger einer französischsprachigen Minderheit und katholischer Christ. Daher spreche er auch kaum Arabisch. Ihm drohe aufgrund seines Glaubens und seines jüdisch anmutenden Namens Diskriminierung und Verfolgung.
Der kaum geschulte Feldwebel, der Franco A. gegenübersitzt, stellt diese Erzählung nicht in Frage. Und die Übersetzerin hilft A. teilweise bei der Vervollständigung seiner Antworten. Sie wurde bisher nicht als Zeugin befragt, ihre Motive bleiben ungeklärt. Eine Sprachsachverständige sagt aus, dass die Übersetzerin nur sehr schlecht Französisch spricht.
Asyl bekommt Franco A. als David Benjamin nicht. Das Bundesamt schreibt ihm unter anderem, er gehöre als Christ „keiner besonders vulnerablen Gruppe an“. Aber er bekommt subsidiären Schutz.
Beschränkter Spielraum des Bamf-Entscheiders?
Der Mann, der das entschieden hat, ist Anfang 50 und arbeitet eigentlich bei der Künstlervermittlung der Arbeitsagentur in Leipzig. Als das Bamf um Unterstützung bat, hat er sich freiwillig gemeldet. Amtshilfe als Entscheider, vom normalen Arbeitsplatz aus. Vor Gericht sagt er, er könne sich an den Fall Franco A. gar nicht mehr erinnern. Aber er kann erklären, wie das damals so ablief.
Der Entscheider bekam jeden Tag einen Schwung digitale Akten zugewiesen, er hatte Zugriff auf alle Dokumente. Wenn es einen Pass oder Führerschein gab, mussten die überprüft werden. Wenn nicht, eben nicht. Er habe immer auch die Protokolle der Anhörungen durchgelesen. Geschaut, ob politische Verfolgung dargelegt wurde und ob es irgendwelche Hinweise auf Systemnähe oder Terrorismus gibt.
Sein Spielraum aber war beschränkt, er hatte nicht viel zu entscheiden. „Es gab Weisungslagen, dass Fälle aus Syrien nicht abgelehnt werden“, sagt der Zeuge. Was aber, wenn die syrische Herkunft erfunden ist? Es habe eine Dienstanweisung gegeben: „Wenn es in der Anhörung kein Zweifel an der Staatsangehörigkeit gab, war es nicht unsere Aufgabe, das anders zu bewerten.“ Er habe in manchen Fällen seine Koordinatorin auf Widersprüche hingewiesen. Die Antwort: Er solle nicht so oft nachfragen.
Was der Entscheider damit sagen will: Er hätte Franco A. alias David Benjamin gar nicht stoppen können. Die Fake-Identität hätte schon bei seiner Anhörung am 7. November 2016 auffallen müssen. Der Verteidigung von Franco A. passen diese Aussagen für ihre Erzählung, Franco A. habe ja nur die Schwächen des deutschen Asylsystems aufdecken wollen. Der Prozess wird Mitte August fortgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen