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Gericht bezweifelt AbschiebungRechtsschutz für Berliner Senegalesen

Das Berliner Verwaltungsgericht stellt in Frage, dass der Senegal ein sicherer Herkunftsstaat ist. Jetzt muss der Europäische Gerichtshof ran.

Eine Straßenszene in Dakar, Senegal, am 2. Oktober 2024 Foto: Annie Risemberg/ap

Berlin taz | Das Verwaltungsgericht Berlin stellt infrage, dass der Senegal ein sogenannter sicherer Herkunftsstaat ist. Es schaltete jetzt deshalb den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein. Im konkreten Fall ging es um einen jungen Mann aus dem Senegal, der 2023 nach Deutschland kam und Asyl beantragte. Er hatte den ­Senegal 2019 verlassen, weil er sich in der Region Casamance, wo er aufwuchs, nicht mehr sicher fühlte. Er studierte einige Jahre Management in Russland, wollte aber nicht in den Senegal zurückkehren. Er fürchtete, dass ihn die Sezessionistengruppe der Region, MFDC, festnehmen und zwingen werde, sich ihnen anzuschließen.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) lehnte seinen Asylantrag ab, weil es in der Region Casamance keinen militärischen Konflikt mehr gebe. Gegen die Ablehnung seines Antrags klagte der Mann beim Verwaltungsgericht (VG) Berlin. Das VG hatte ihm schon im April Eilrechtsschutz gewährt und nun das Verfahren ausgesetzt, um dem EuGH Fragen vorzulegen.

Seit einer Grundgesetzänderung 1993 kann der Bundestag per Gesetz „sichere Herkunftsstaaten“ festlegen, bei denen vermutet wird, dass keine politische Verfolgung besteht. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Der Senegal stand von Beginn an auf dieser Liste in Anhang II des Asylgesetzes. Derzeit umfasst die Liste zehn Staaten, unter anderem Georgien, Albanien und Serbien. Für Asylsuchende aus diesen Staaten gelten auch besonders kurze Klagefristen und andere Verfahrensnachteile.

Auch andere EU-Staaten sehen Senegal als unsicher

Das Berliner VG hält die Einstufung des Senegal als „sicherer Herkunftsstaat“ für falsch. So seien homosexuelle Handlungen strafbar und LGBTQ-Angehörige würden diskriminiert. Genitalverstümmelung sei offiziell zwar verboten, werde aber in einigen Regionen weiter praktiziert, ohne dass der Staat einschreite.

Das VG verweist darauf, dass auch viele andere EU-Staaten den Senegal nicht als sicheren Herkunftsstaat einstufen. Das Berliner Gericht sieht sich durch die EU-Asylverfahrens-Richtlinie bestätigt, wonach die Sicherheit in einem sicheren Herkunftsstaat „generell und durchgängig“ bestehen muss.

Der EuGH hatte erst im Oktober entschieden, dass ein sicherer Herkunftsstaat in allen Landesteilen sicher sein muss. Das VG Berlin will nun wissen, ob ein sicherer Herkunftsstaat auch für alle Bevölkerungsgruppen sicher sein muss und wie groß eine entsprechende Gruppe sein muss. Auch will das VG erfahren, ob deutsche Gerichte eine Festlegung als sicherer Herkunftsstaat durch den Bundestag voll überprüfen können oder ob dieser einen Einschätzungsspielraum hat.

Falls der EuGH in etwa ein bis zwei Jahren die Annahmen des VG bestätigt, könnte dieses entscheiden, dass der Senegal kein sicherer Herkunftsstaat ist. Andere Verwaltungsgerichte wären an diese Entscheidung des VG Berlin aber nicht gebunden. Außerdem müsste der junge Mann immer noch nachweisen, dass ihm im Senegal Verfolgung droht.

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