Geplante Angriffe auf Moscheen: „Worauf warten die Behörden?“
Nach der Festnahme einer mutmaßlich rechten Terrorzelle fordern Muslime mehr Schutz. Bei einigen Beschuldigten soll es Bezüge zur AfD geben.
Auch Mohammad Dawood Majoka, Sprecher der Ahmadiyya-Gemeinden, forderte eine „erhöhte Wachsamkeit der Polizei“. Die Gefahr von Angriffen auf Muslime werde immer noch unterschätzt.
Die Bundesanwaltschaft hatte am Freitag zwölf Rechtsextremisten festnehmen lassen, denen sie vorwirft, eine terroristische Gruppe gebildet zu haben. In einer Chatgruppe firmierten die Männer als „Der harte Kern“, Ermittler sprechen von der „Gruppe S.“, benannt nach dem Anführer Werner S.
Geplant gewesen seien Angriffe auf Politiker, Geflüchtete und Muslime. Der Spiegel berichtet von einem Vorhaben, in „Kommandos“ in zehn Bundesländern gleichzeitig Moscheen anzugreifen – mit dem Ziel eines Massakers wie 2019 im neuseeländischen Christchurch. Damit hätten die Neonazis Gegenangriffe provoziert wollen, die eine Art Bürgerkrieg auslösen sollten.
Ditib: Bereits zehn Angriffe seit Jahresbeginn
Bei ihren Razzien fanden die Ermittler tatsächlich mehrere Waffen, darunter eine scharfe Pistole und ein selbstgebautes Gewehr. Auch Sprengstoffexperten wurden für die Durchsuchungen dazugerufen. Laut Bundesanwaltschaft waren die Anschlagspläne aber „noch nicht näher konkretisiert“. Die Behörden hatten die Gruppe seit Monaten im Blick.
Ahmadiyya-Sprecher Majoka zeigte sich sehr besorgt. „Eine solch großangelegte Aktion hätte in einer Katastrophe enden können.“ Der Vorgang zeige einmal mehr, dass die Gefahr von rechts immer stärker werde. „Die Sicherheitsbehörden müssen deshalb sehr wachsam bleiben und all ihre präventiven und repressiven Mittel ausschöpfen“, so Majoka zur taz.
Zekeriya Altug, Sprecher von Ditib, lobte die Sicherheitsbehörden für das Aufdecken der Terrorgruppe. Aber auch für ihn zeigt der Vorfall „den Ernst der Lage“. „Der Point of no return rückt immer näher.“ Allein in den ersten zehn Wochen dieses Jahres habe es zehn Angriffe auf Ditib-Moscheen gegeben. „Muslime fühlen sich nicht mehr sicher. Die Gefahr ist real.“ Es fehle aber bis heute ein gesellschaftlicher Aufschrei, so Altug.
Auch Zentralratschef Mazyek forderte, „die Gefahr von antimuslimischen Rassismus in diesem Land nicht mehr kleinzureden“.
Innenministerium: „abstrakte“ Gefährdung
Ähnlich äußerte sich die SPD-Politikerin Sawsan Chebli. „Unsere Sicherheitsbehörden müssen sich noch viel stärker mit antimuslimischen Rassismus auseinandersetzen, mit einem wachsenden Rechtsterrorismus, der sich ganz gezielt gegen Muslime richtet.“
Es dürfe nicht sein, dass bei Angriffen auf Muslimen noch immer von Fremdenfeindlichkeit gesprochen werde, dass solche Taten medial unter dem Radar liefen „als seien sie das Normalste der Welt“. Gesellschaftlich dürfe dazu nicht geschwiegen werde, so Chebli zur taz. „All das trägt dazu bei, dass antimuslimischer Rassismus weiter in unserem Land um sich greift.“
Laut jüngsten Zahlen der Bundesregierung gab es im vergangenen Jahr 184 Angriffe auf muslimische Einrichtungen und Repräsentanten. Erst vor wenigen Tagen hatte es Bombendrohungen gegen vier Moscheen in NRW gegeben. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sprach von einer derzeit „abstrakten“ Gefährdungslage für muslimische Einrichtungen. Für konkrete Sicherheitsmaßnahmen seien die Länder zuständig.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Wer hier in Deutschland seine Religion praktizieren will und das im Rahmen unser Rechtsordnung tut, der soll das ohne Gefährdung, ohne Bedrohung tun können.“
Verbindungen zur AfD
Für Rechtsextremisten sind Muslime inzwischen ein erklärtes Feindbild, da diese angeblich einen „Bevölkerungsaustausch“ anstreben würden. Der Halle-Attentäter suchte nach seinem gescheiterten Angriff auf die Synagoge gezielt einen Döner-Imbiss auf, um nach migrantischen oder muslimischen Opfern zu suchen, einen Mann erschoss er dort.
Auch die 2017 wegen Rechtsterrorplänen verurteilte „Oldschool Society“ hatte bereits Anschläge auf muslimische Einrichtungen diskutiert. Ihr Anführer bekundete damals: „Waffen besorgen, Moschee reinrennen, bambam, fertig.“
Bei der nun festgesetzten „Gruppe S.“ werden derweil auch Bezüge zur AfD bekannt. Die Partei bestätigte der taz, dass ihr mutmaßlicher Anführer Werner S. „kurzfristig auf einer unserer E-Mail-Adressen-Listen auftauchte“. Die Antifa Freiburg hatte zuerst darauf hingewiesen. Offenbar habe S. seine Mail-Adresse auf einer der Internetseiten der AfD eingetragen, so ein Sprecher. Er betonte aber: „Der Bundesverband der Alternative für Deutschland stand zu keinem Zeitpunkt und steht in keinerlei Verbindung mit Herrn S.“ Aussagen zu lokalen Verbindungen machte der Sprecher nicht.
Werner S. war auf seinem Facebook-Profil auch mit einem AfD-Funktionär aus Sachsen-Anhalt befreundet. Mehrere der anderen Beschuldigten teilten in sozialen Medien auch AfD-Bildbotschaften. Die Männer bewegten sich vor ihren Festnahmen in Kreisen rechtsextremer Bürgerwehren und Kameradschaften.
Ihr Anführer Werner S., ein 53-jähriger Bayer, wurde laut Medienberichten seit einigen Monaten als Gefährder geführt, dem schwerste Straftaten zuzutrauen sind. Inzwischen wurden gegen alle Männer Haftbefehle verhängt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben