Geopolitik und Klimawandel: Nawalny, Johnson und Feuer überall
Was soll man zu Seehofer noch sagen? Und ob ein Giftanschlag die Macht der Pipeline bricht, ist auch eher fraglich.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Entwicklungshilfeminister Müller kündigt Rückzug für 21 an.
Und was wird besser in dieser?
Entwicklungshilfeminister Müller redet ein Jahr lang frei von der Leber weg.
Nach dem Brand in Moria und den Reaktionen aus dem Innenministerium – wen können Sie sich als Nachfolger von Horst Seehofer vorstellen?
Einen europäischen Innenminister.
Ist es sinnvoll, die Vergiftung von Nawalny mit der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 zu vermischen? Und wird es Putin überhaupt wehtun, wenn die EU den Hahn zudreht und aussteigt?
Das wäre eine Sanktion. So wie Trump Sanktionen gegen ihm missliebige Regimes in Venezuela und Iran verhängt hat. Seither dürfen die kein Öl mehr liefern. Stattdessen beziehen die USA nun Rekordmengen von Öl aus: Russland. Na sdorowje. Und schimpfen, dass Russland mit dem Geld Venezuela und Iran unterstützt. Waidmannsheil, Knie erlegt. Trumps Sanktionen bewirken hier, statt ein Schurkenland zu treffen, dreie mit Dollars zu versorgen. – Deutschland bezieht rund ein Drittel seines Erdgasbedarfs aus Russland und, weniger beachtet, inzwischen 40 Prozent seines Öls. Beim Gas könnte man Norwegen und Holland bevorzugen, beim Öl steht eine bunte Liste Verbrecherregimes zur Auswahl. Wäre also schön, wenn man Menschenrechte durch die Pipeline zurückpumpen könnte; klappt aber nicht immer so spektakulär wie bei der Ostpolitik der 70er und 80er. Warten wir einfach ab, bis Trump den Russen vorwirft, sich von ihrem irren Großkunden Deutschland abhängig zu machen.
Roter Nebel über San Francisco, die gesamte US-Westküste steht in Flammen, Tausende Menschen fliehen vor den Bränden: Ist das nun das Warnsignal zur Erdüberhitzung, das selbst Trump nicht mehr ignorieren kann?
50 Dollar auf „linke Feuerwehr ist schuld“.
Nach der Festnahme von Maria Kolesnikowa – muss die EU nun harte Maßnahmen beschließen oder ist taktieren weiterhin die beste Strategie?
Die beste Strategie ist, Putin als Paten Lukaschenkos zu verhaften und die Kiste so sauber an die Wand zu fahren wie in Syrien, Ukraine, sonst wo. Minsk liegt keine 300 km von der russischen Grenze; wie duldsam stellt man sich Moskau in dem Spiel vor? Umgekehrt: Gelänge es, das russische Regime für eine zukunftsweisende Neuwahl zu gewinnen, hätte man einen Hauch von Modell für die anderen Konflikte.
Brexit: Johnson droht mal wieder mit No-Deal-Ausstieg. Interessiert Sie das noch?
Sag mal, taz. Hast du in deiner Jugend nicht ca. monatlich gedroht „Abo jetzt oder die taz schließt“? Wie so ein deprimierter Teenager, der sich vorstellt, wie er bei seiner Beerdigung alle bitter weinen sieht? Na gut, das ist jetzt kein guter Vergleich mit Johnson. Der droht mit wirtschaftlichem Selbstmord, weil er nur bis zur nächsten Wahl denkt. Zynisch – wir können eigentlich nur warten, bis die nächste Generation Briten den Eltern sagt: Ihr habt doch alles gewusst damals.
In Leipzig-Connewitz gab es Ausschreitungen gegen Räumungen. Ist Connewitz das gallische Dorf des Linksextremismus? Und ist Wohnungspolitik womöglich der letzte gemeinsame Nenner, auf den sich die Linken einigen können?
Dach überm Kopf und Kühlschrank voll – das war mal SPD. Heute ist sie einen Schritt weiter, steht für Kopf im Kühlschrank. Und hat ihre WählerInnen an Grüne und Linke outgesourced. Die beiden haben im Bezirk Connewitz zusammen gut 55 Prozent. Beide kultivieren innige Neigungen zu Sektendebatten. Und könnten kühlen Kopf gebrauchen. Kann man unterm Strich als Plädoyer für R2G lesen.
Die Gewerkschaft Ver.di fordert 4,8 Prozent mehr Lohn. Reicht das als Coronazuschlag?
Verdi hat den Frank getauscht, von Bsirske zu Wernicke, und der muss jetzt mal liefern. Auch eine Erklärung, warum Postler 5,5 Prozent mehr bekommen sollen, öffentlicher Dienst dagegen 4,8 Prozent.
Jetzt auch noch Schweinepest – ist 2020 das mieseste Jahr, das Sie je erlebt haben?
Tönnies nickt. Werkverträge hopps, bei Schalke rausgeflogen, und nun nimmt der Chinese keine leckeren Schweinehufe mehr. Kann ein Jahr, das einen Tönnies so durchdemokratisiert, ganz schlecht sein?
Und was machen die Borussen?
Wahlbeteiligung im Auge behalten. Der alte SPD-OB tritt ab, die grüne Spitzenkandidatin könnte überraschen. Vielleicht gehen die Dortmunder aus Langeweile hin.
Fragen: maha, waam
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid