Gentrifizierung in Berlin-Mitte: Die sprechenden Fassaden
Einst schrieben Besetzer „Wir bleiben alle“ auf ihr Haus. Nun pinselt ein Investor „Wir schaffen das“ auf eine Fassade. Ein Spaziergang.
Angela Merkel hat es geschafft. Ihre Politik ist jetzt in Stein gemeißelt. In jeweils rund einen Meter hohen Buchstaben prangt dieser eine Satz, der von ihrer Flüchtlingspolitik des Sommers 2015 geblieben ist, an einer frisch sanierten Hauswand in Berlin-Mitte. Drei Zeilen, Großbuchstaben. „WIR“. „SCHAFFEN“. „DAS“. Immerhin kein Ausrufezeichen dahinter.
Erst wenn man genau hinschaut, erkennt man, das ist gar nicht in Stein gemeißelt. Nur aufgepinselt, so wie die griechisch anmutenden Stuckköpfe über den Fenstersimsen, so wie die Fachwerkbalken ganz oben an der Fassade unter der Regenrinne. Platt, flach, zweidimensional, ohne Tiefe.
Bei der Kanzlerin klangen die Worte wie ein Versprechen, ein Appell an eine gefühlte Gemeinschaft, eine Einladung mitzutun. Zwar wurde gemäkelt, es sei nicht klar, wen sie mit „wir“ gemeint habe, was „schaffen“ heiße und was „das“ sein solle. Doch klar war, es ging um Solidarität, Miteinander, Inklusion.
Was ist das hier? Eine Flüchtlingsunterkunft? Ein kirchliches Projekt? Unten im Schaufenster verspricht ein Schild „hochwertige möblierte Apartments“.
Wir. Nicht ihr.
Hier spricht nicht die Kanzlerin, hier spricht ein Haus, mitten in einem Viertel, in dem sprechende Fassaden eine Tradition haben. In dem verschiedene Akteure versucht haben, eine Marke zu setzen, ihr Revier zu markieren. Und schon liest sich der Satz alles andere als eine in die Zukunft weisende Einladung. Wir schaffen das. Wir. Nicht ihr. Ihr nicht mehr. Aber wer ist „wir“? Und wer ist dann „ihr“?
Das Haus steht an der spitzen Ecke zwischen der Invalidenstraße und der Bergstraße, die 200 Meter weiter nördlich noch heute an der Mauer endet – als Einzige von einst 300 Straßen, wie man auf einer Tafel in der dahinter liegenden Gedenkstätte nachlesen kann. In einer Ecke, die trotz der rasanten Aufwertung in Berlin-Mitte lange Zonenrandgebiet geblieben war.
Stadtviertel setzen mit der Zeit Patina an, an der man dann ihre Geschichte ablesen kann. Es sei denn, jemand übermalt sie. Dann muss man sie neu erzählen. Also machen wir uns auf den Weg, einen weiten Spaziergang und verlieren uns in den vielfach überlagerten Geschichten dieser Ecke.
Im Strudel des Betongolds
Die Filmemacherin Katrin Rothe hat einst hier am nördlichen Stummel der Bergstraße gewohnt, drei Häuser hinter dem Eckhaus. Rothe ist nicht mehr Teil des „Wir“, sie schafft längst woanders. Gerade hat sie ihr neues Projekt „im Hafen“, erzählt sie am Telefon. „Ich habe die russische Revolution verfilmt“, sagt sie, bevor sie zur Bergstraße kommt. Das heißt, erst möchte sie viel lieber über Andrej Holm reden, den neuen Staatssekretär für Bauen und Wohnen.
Film: In „Betongold“ dokumentierte die Filmemacherin Katrin Rothe, wie sie und ihre NachbarInnen im Jahr 2012 aus dem Haus Bergstraße 62 raussaniert wurden. Stream unter realeyz.de.
Roman: „Wir waren die neue Zeit“ heißt der im Herbst 2016 erschienene Roman von Andreas Baum. Er erzählt sehr anschaulich reale Geschichten aus dem Jahr 1990 von HausbesetzerInnen im nördlichen Berlin-Mitte. Rowohlt, 288 Seiten, 19,95 Euro.
Sachbuch: In dem im Sommer 2016 erschienenen Buch „Kule. Kunst & Leben. Ein Haus in Berlin-Mitte seit 1990“ haben BewohnerInnen und FreundInnen des Hausprojekts in der Auguststraße 10 die Geschichte des Hauses beschrieben. Pastor Leumund erzählt darin vom Experiment Piepschau für Frauen aus dem Jahr 1993. Deutsch und Englisch, 396 Seiten, Revolver Publishing, 39 Euro.
Zeitung: In der BesetzerInnenzeitung „BZ“ wurden in den frühen 90er Jahren Statements aus der Ostberliner HausbesetzerInnenszene zusammenkopiert. Die 22 ersten Ausgaben findet man als PDF auf der Webseite berlin-besetzt.de. (ga)
Wie mit dem und seiner Stasivergangenheit umgegangen werde, das „knallt mich an“, schimpft Rothe. Sie selbst habe auch mal für einen Job einen Fragebogen zu ihrer Stasivergangenheit ausfüllen müssen. Sie habe da Quatsch reingeschrieben, aus Protest, obwohl sie mit der Stasi nie etwas zu tun gehabt habe. Schon diese Fragerei sei doch nichts als „Ossidiskriminierung“, sagt Rothe. Wenn die taz mal UnterstützerInnen für Holm suchen würde, sei sie sofort dabei. Denn der sei „ein guter Mann“.
Den Gentrifizierungskritiker und Mietrechtsaktivisten Holm hatte Rothe bei den Recherchen zu ihrem Film „Betongold“ kennengelernt. Darin schildert sie, wie sie aus ihrer Wohnung in der Bergstraße 62, in der sie 16 Jahre gelebt hatte, raussaniert wurde. Sie erzählt, wie eine ganze Mietergemeinschaft plötzlich in den Strudel des globalen Immobilienhypes gerät. Mit ihrer Kamera hielt sie den monatelangen Kampf gegen Einschüchterungen und Schikanen fest.
Rothe erhielt am Ende eine Abfindung, damit sie auszog. Ihre Wohnung wurde mit der nebenan zusammengelegt und verkauft. An den Klingeln findet man heute Schilder mit eingravierten Namen. Hier wurden bleibende Werte geschaffen für Menschen, die es sich leisten können, andere dafür zu bezahlen, dass sie gehen.
2014 bekam Rothe für „Betongold“ den Grimmepreis. „Ihr Film macht nicht nur wütend, sondern er macht auch anderen Mut, sich gegen die Hydra der Immobilienspekulation zu wehren“, hieß es in der Jurybegründung. „Das ist Betroffenheitsjournalismus im besten Sinne.“
Zu dem frisch sanierten Haus in ihrer einstigen Nachbarschaft fällt Rothe wenig ein. Nur dass da eine Shisha-Bar drin war. Und vorher ein Italiener. Beide hätten quasi nie Gäste gehabt. „Das kam mir immer wie Geldwäsche vor“, sagt Rothe. Aber einmal, es muss so im Jahr 2003 gewesen sei, als ihr Sohn krank war und sie ihn im Rollstuhl über die Straße geschoben hatte, da sei einer rausgekommen und habe dem Jungen einen Luftballon gegeben. „Das war total rührend.“
Auf diesem Weg ist sie auch an der Bergstraße 64 vorbeigekommen, die zwischen ihrer alten Wohnung und dem Eckhaus liegt. Dort sollten die Bewohner schon viel früher verdrängt werden. Nicht durch Spekulanten, sondern durch Hausbesetzer, ein wohl einmaliger Vorgang. Und eine Riesengeschichte 1990 in der „BZ“ – der BesetzerInnenzeitung, in der Texte aus den Ostberliner Hausprojekten zusammenkopiert wurden. „Auf dem letzten B-Rat wurde beschlossen, die Bergstr. ohne weitere Diskussion zu räumen“, heißt es dort.
Pädophile Indianer
Die Besetzer der Bergstraße 64 waren in dem Sommer zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung innerhalb in der Szene in Verruf gekommen, weil dort auch Mitglieder der „Indianerkommune“ wohnten: Pädophile, die sich um Trebe-Kids kümmerten. „Kein Thema hat unter den Ostberliner HausbesetzerInnen mehr Emotionen hochgekocht, Hauskollektive und Straßen entzweit, Verhärtungen bis zu körperlicher Gewalt ausgelöst, wie die Auseinandersetzungen um das Projekt Indianerkommune in der Bergstraße 64“, heißt es in einer „redaktionellen Anmerkung“ der „BZ“ Nummer 6 vom 25. September 1990.
Die der Bergstraße 64 findet sich in dem kürzlich erschienenen Roman „Wir waren die neue Zeit“ von Andreas Baum. Der erzählt von einer Gruppe junger Studenten, die unweit des Rosenthaler Platzes ein Haus besetzten – weil man von dort mit der U-Bahn so schnell am Heinrichplatz in Kreuzberg war –, von der Schlacht mit den Nazis am Tacheles, den Diskussionen mit den politischen Lesben aus dem Frauenhaus nebenan oder dem Veganer in der Gemeinschaftsküche. Und von dem Tag als sie in die Bergstraße 64 gingen, um dort nach dem Rechten zu sehen.
„Das Haus stand damals völlig allein da, mit nackten Brandmauern. Es muss Unmengen an Brikettkohle gekostet haben, es im Winter halbwegs warm zu halten“, schreibt Baum in seinem Roman. Drinnen trafen die Besucher nicht nur auf „hohe Decken, höher vielleicht noch als in den Palästen der Altbesetzer im Westen“, sondern auch auf den Oberindianer Jürgen und seine Crew.
Anfangs wird mit ihnen noch über das Für und Wider der Kommune diskutiert, bis schließlich eine Frau losschnauzt: „Ich versteh nicht, warum hier alle um den heißen Brei herumreden. Hier sind Hardcore-Kinderficker im Raum! Und ihr alle tut so, als wäre nichts.“ Danach wird der Boss der Kommune von allen wortlos verprügelt. Auch der Ich-Erzähler macht mit, „als er unter mir lag, legte sich ein Schalter um“.
Am Ende zieht eine der Frauen ein Messer und fordert die anderen auf, den Raum zu verlassen, weil sie das, was jetzt noch anstehe, nur tun können, wenn die anderen nicht dabei seien. „Wie betäubt trotteten wir hinaus ins Treppenhaus“, beendet Baum dieses Kapitel der Bergstraße in seinem Buch.
Der Sechsenmaler
Aber erinnert er sich auch an das direkt neben der 64 liegende Eckhaus zur Invalidenstraße? Nein, schreibt Baum auf Anfrage. „Ich glaube, es hat damals überhaupt keine Rolle gespielt.“ Dann fällt ihm noch ein, dass er vor ein paar Jahren mal den Sechsenmaler auf einem der letzten unbebauten Nachbargrundstücke getroffen hat. Das muss wohl die Invalidenstraße 16 gewesen sein, auf der heute längst einer dieser Mitte-Neubauten steht.
Der Sechsenmaler hieß eigentlich Rainer Brendel und war in den 90er Jahren ein stadtbekannter Stadtgestalter, der mit weißer Farbe Sechsen malte, auf Pappen, auf Plakate und manchmal auf Hauswände. Nicht so akkurat, wie jetzt das Merkelzitat am Eckhaus, dafür viel größer. Eine Zeit lang hatte er auch die mit Wasser vollgelaufene Baugrube an der Invalidenstraße 16 mit Styroporfiguren und Ähnlichem bespielt.
Noch viel früher hatte auf dieser Brache mal ein Bauschild gestanden, auf dem angekündigt wurde: „Hier entsteht ein Konto für Dr. Helmut Kohl“. 200 Meter weiter zitiert ein Immobilieninvestor heute Angela Merkel.
Andreas Baum legt Wert darauf, dass sein Roman Literatur sei. Aber Baum, der 1990 selbst Hausbesetzer war, bewegt sich hart an der Realität. Das fiktive besetzte Haus aus dem Roman, in dem Baum seinen Ich-Erzähler wohnen lässt, ist zum Beispiel leicht erkennbar als ein noch heute existierendes Hausprojekt an der Brunnenstraße. In dessen Hinterhof findet man die für exbesetzte Häuser typischen Fassadenmalereien. Ein Stier mit Flügeln. Schreiende Comicfiguren. Jemand hat in Grün „25 Jahre“ daneben gekrakelt. Auch die Hausbesetzer werden nicht jünger.
Und sieh einer an: In der Hofeinfahrt sind auf dort klebenden Plakaten weiße Sechsen gepinselt. Sie haben eine fatale Ähnlichkeit mit der noch provisorisch an die Fassade gekritzelten Hausnummer der Invalidenstraße 6, sind aber frische Werke des Sechsenmalers.
Goldene Hausnummer statt W.B.A.
Das Straßenbild aber haben mächtigere Fassadenmaler übernommen: Gleich nebenan steht Weiß auf Schwarz: „Dieses Haus stand früher in einem anderen Land“. Eine Hommage an den Mauerfall, gestaltet von Jean-Remy von Matt, einem dem führenden Werber in Deutschland.
Schräg gegenüber leuchtet eine große goldene „183“ auf schwarzem Grund. Mit ihr übertünchte der neue Eigentümer das kämpferische „Wir bleiben alle“. Das hatten die dort 2009 geräumten Hausbesetzer aufgebracht.
Dass der Slogan ursprünglich auf das Kürzel W.B.A. und das wiederum auf den Wohnbezirksausschuss der Nationalen Front zurückgeht, der zu DDR-Zeiten an der Oderberger Straße von Oppositionellen übernommen wurde, die dann den Abriss der dortigen Altbauten verhinderten, müsste man auch erzählen, aber das wäre dann wohl eine andere Geschichte. Obwohl: Die Häuser sind noch da, nur die Leute, die drin wohnten und für ihren Erhalt kämpften, sind längst weg.
Wir bleiben alle. Wir schaffen das. Ein imaginärer Imperativ, der ein Gefühl des Zusammenhalts projiziert, aber die Möglichkeit des Scheiterns stets mitdenken lässt.
Mittes Dinosaurier
„Während wir hier in aller Ruhe ausgestorben werden, verlangen Geschäftsmänner für unsere Fußstapfen Eintrittsgelder, die wir uns selber gar nicht mehr leisten können“, rief der Dadaist Pastor Leumund, als er im Sommer 2016 sein „Trostbrot für Mitte-Dinosaurier“ predigte bei einer Feier des Hausprojekts Kule in der Auguststraße 10 vor älter gewordenen ExbesetzerInnen.
Die hatten ihr Gebäude in Eigenregie saniert. Sie haben dabei nicht nur die Brüchigkeit der Fassade konserviert, sondern sie gleich in eine wechselnd bespielbare Galerie umgebaut. Ein kleiner bleibender Freiraum zum Ausdenken. Da kann Kunst hängen oder Pastor Leumund predigen. „Wir bleiben alle“, rief der Pastor dort oben und fügte dann ehrlicherweise hinzu, „auf der Strecke.“
Die „Besetzer/Innen der Auguststraße 10“ hatten übrigens im Sommer 1990 laut einem ebenfalls in der „BZ“ abgedruckten Papier gegen die Räumung der Bergstraße 64 plädiert, weil zwei Indianer wie gefordert aus dem Haus ausgezogen seien und sich damit die Situation dort grundlegend geändert habe.
Und damit kommen wir wieder zurück zur Ecke an der Invalidenstraße. Wer herausfinden will, wem das Haus mit dem Merkel-Zitat gehört, stößt auf ein filigran verschachteltes Konstrukt. Im Internet findet sich die Invalidenstraße 6 GmbH & Co. KG, die sich „Erschließung, Kauf und Verkauf von Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen“ widmet. Sie hat ihren Sitz an der Baruther Straße 20/21 in dem brandenburgischen Städtchen Zossen.
Das ist offenbar ein lukrativer Standort für Immobilienfirmen, denn unzählige habe die gleiche Postadresse. Viele sind nach Berliner Häusern benannt, wie die Waldemar 45–47 GmbH & Co KG, die Torstraße 224, 228 GmbH & Co. KG, die Rigaer Straße 18, 19/Liebigstraße 2 GmbH & Co. KG und so weiter. Andere sind schlicht durchnummeriert: 75. Sanus Bauträger Gmbh & Co. KG, Dritte Metropolitan Berlin Immobilien GmbH & Co. KG, Vierundvierzigste Sanus Immobilien GmbH & Co. KG und viele, viele mehr.
Orientalischer Schleiertanz
Es geht aber noch weiter. Die Invalidenstraße 6 GmbH & Co. KG wurde 2012 zunächst als 51. Sanus Immobilien GmbH & Co. KG eingetragen, bevor sie umbenannt wurde. Persönlich haftender Gesellschafter war zunächst die 1. Sanus Immobilien GmbH, später die Sanus Bauträger GmbH, Kommanditistin ist mit einer Beteiligung von 10.000 Euro die Sanus Beteiligungs AG, die anders als die anderen beteiligten Firmen nicht in Zossen sitzt, sondern am Berliner Kaiserdamm. Ein Meisterwerk der Verwirrung, es wirkt wie ein orientalischer Schleiertanz, der Transparenz vorgaukelt, aber verhüllen will.
Blickt da noch jemand durch? Wohl nur Siegfried Nehls, den der Stern mal als „illuster“ einstufte. Und der Spiegel schrieb schon vor zehn Jahren über den Vorstandsvorsitzenden der Sanus AG, er sei „alter Hase im Berliner Altbausanierungsgeschäft, das er über ein Geflecht unterschiedlicher Firmen betreibt.“
Damals war die von ihm gegründete Plutonium 114 GmbH in den Fokus der Presse geraten, die mehr oder weniger direkt das Hausprojekt Köpenicker Straße 137 gekauft hatte und an dessen Stelle Luxusbauten plante. Allerdings biss sich Nehls an den dort lebenden Exbesetzern die Zähne aus, sie flogen nicht raus, sondern bekamen langfristige Verträge. Bisher ist nur der Spruch „Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten“, der als Grafitto die Brandwand der Köpi zierte, verschwunden – hinter einem nie fertiggestellten Neubau.
Nun lässt die Sanus AG also selbst Sinnsprüche an Wände pinseln. Das Merkel-Zitat an der Invalidenstraße 6, erklärt ein Firmensprecher, sei als Hommage an die Kanzlerin gedacht. Ganz unabhängig von ihrer Flüchtlingspolitik habe der Satz dem Firmenchef Siegfried Nehls so gut gefallen, dass er ihn sich zu eigen gemacht habe. Und was sagt die Kanzlerin dazu? Nichts. Ein Regierungssprecher lässt ausrichten: „Wir bitten um Verständnis, dass wir das nicht kommentieren.“
Aber es kommentiert sich auch von allein. Denn von Solidarität, Miteinander, Inklusion, von der Intention Angela Merkels bleibt wenig bis nichts.
„Wir“, das sind in diesem Fall offensichtlich Siegfried Nehls und seine Immobilienfirma. Und was will die? Sie will „neue Wege gehen“, verkündet sie auf ihrer Website: „Mit Konventionen brechen“. Zwar auch „Bewährtes bewahren“. Vor allem aber „Neues schaffen“. Sie hat „sich wandelnde Wohnbedürfnisse ebenso im Blick wie das sich stetig wandelnde Berlin“.
Top-Mieten
Deshalb werden die Wohnungen in der Invalidenstraße 6 auch als „hochwertig möblierte Apartments“ vermietet, zudem zeitlich befristet, bei einer Mindestmietdauer von sechs Monaten, womit man auch noch die neue Mietpreisbremse umgeht, die bei befristeten Verträgen nicht gilt. Gesetzeslücken werden dafür geschaffen, dass man sie nutzt, so dass nun ganz legal und je nach Lage im Haus 25 oder gleich 30 Euro pro Quadratmeter Miete verlangt werden, kalt, versteht sich, Heizkosten laufen extra, dafür aber sind laut einer Anzeige im Preis inbegriffen die Fußbodenheizung, die Granitarbeitsplatte in der Küche, das große Boxspringbett, „everthing you need for a home“ und natürlich die „pulsierenden Facetten der Stadt. Hier findet man Inspiration an jeder Ecke.“
Migranten sind übrigens durchaus willkommen. Das Angebot sei zum Beispiel attraktiv für Menschen aus London, sagt der Firmensprecher, die wegen des Brexit die britische Hauptstadt verlassen wollten.
30 Euro, das ist ein im Wortsinne absolutes Topangebot auf dem Markt. Auf der Website rühmt sich die Firma: „Sanus transformiert Berlin zur Best-Lage.“ Und wenn an diese „Best-Lage“ der Satz „Wir schaffen das“ geschrieben wird, dann klingt er nicht mehr wie ein Versprechen, ein Appell, eine Einladung. Sondern nur noch nach Vollzug.
Wenn ein Hund an einen Baum pinkelt, markiert er damit sein Revier. Bis der nächste Hund kommt und drüberpisst. Bis der nächste kommt und …
taz lesen kann jede:r
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