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Genossenschaften gegen MietendeckelSolidarität mit Mietern geht anders

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Die erste Genossenschaft zieht sich aus einem Bauprojekt zurück. Sie setzt damit die feiste Kampagne der Genossenschaften gegen den Mietendeckel fort.

Wenn's um „gemeinsam“ geht, sollte die Genossenschaften eigentlich mit dabei sein Foto: dpa

E s war zu erwarten gewesen: Am Dienstag erklärte die erste Berliner Baugenossenschaft, ein geplantes Neubauprojekt nicht mehr umsetzen zu können. Begründung: der vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Mietendeckel. Deswegen zieht sich der Beamten-Wohnungs-Verein aus der geplanten Bebauung der Buckower Felder in Neukölln zurück – und setzt damit die erbärmliche Kampagne der Baugenossenschaften gegen diesen massiven Eingriff in die Mietpreisentwicklung fort.

Schon seit Monaten trommeln diese mit Slogans wie „Mietendeckel? Gibt es doch längst – Genossenschaften“ gegen die Pläne des Senats, allen Berliner MieterInnen zumindest eine fünfjährige Verschnaufpause im Kampf gegen drastisch steigende Mieten und Verdrängung zu verschaffen – und verärgern damit auch viele ihrer Mitglieder.

Einen Erfolg hatte die Kampagne: Dass der Mietendeckel „atmen“ kann – dass also sehr niedrige Mieten ab 2021 leicht angehoben werden können – ist ein explizites Zugeständnis an sie. Und auch wenn da noch mehr ginge: Keine Landesregierung unterstützt die Baugenossenschaften so sehr wie die aktuelle.

Wer braucht Wuchermieten?

Selbst wenn dem nicht so wäre: Das fortgesetzte Rumgehacke auf dem Mietendeckel ist der Genossenschaften unwürdig. Sie sollen gemeinnützig agieren, betreiben jedoch eine feiste Klientelpolitik à la FDP und müssen sich deshalb die Frage stellen lassen, ob sie wirklich auf hohe Mieten angewiesen sind. Jahrzehntelang haben sie offensichtlich auch ohne Wucher überlebt.

Das Angebot auf dem Berliner Mietmarkt wird von preistreibenden Immobilienkonzernen bestimmt. Indem sich die Genossenschaften mit diesen in die gleiche Argumenationskette einreihen – Mietendeckel gleich Neubaubremse gleich unfair –, wenden sie sich gegen die große Mehrheit der MieterInnen. Solidarität sieht anders aus.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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17 Kommentare

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  • Der sogenannte "soziale Wohnungsbau" ist wegen der befristeten Mietpreis- und Belegungsbindung nicht mehr als eine Anschubfinanzierung für profitorientierte Investoren. Wenn die Bindung ausläuft, müssen die meisten Mieter*innen ausziehen, weil sie sich die dann geforderten Marktmieten nicht leisten können. Dabei fallen pro Jahr mehr "Sozialwohnungen" aus der Bindung als neue dazukommen. Ihre Zahl nimmt also ab. Dennoch fordern Immobilienunternehmen immer wieder noch profitablere Konditionen für sich. Das ganze Konstrukt "sozialer Wohnungsbau" ist auf die Profite von Immobilienunternehmen ausgerichtet.

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Sozialer Wohnungsbau - seit einigen Jahren in Form der "Sozialen Wohnraumförderung" ist Kompetenz der Länder. Auf diese Kompetenz beruft sich der Berliner Senat im Übrigen auch beim Mietenwahn-Gesetz. Der Bund ist in diesem Sinn großzügig, dass dies überhaupt vom Bund finanziell gefördert wird obwohl hierzu keine Kompetenz vorliegt.

    Wenn die Berliner Verwaltung es dennoch nicht schafft, diese Förderung attraktiv für Bauherren inkl. Genossenschaften zu gestalten, scheint dies ein typisches Berliner Verwaltungsproblem mit Frau Lompscher an der Spitze der Fachbehörde zu sein.

  • "Das Angebot auf dem Berliner Mietmarkt wird von preistreibenden Immobilienkonzernen bestimmt."

    Der Preis wird von Angebot und Nachfrage bestimmt. Das kann man doof finden. Da kann man gegen demonstrieren. Da kann man deckeln. Nur ändern kann man das nicht.

    Wenn ich das richtig verstanden habe, dann will ein Investor nun nicht mehr bauen. Nehmen wir man an es sollte ein 10 Parteienhaus werden. Warum finden sich jetzt nicht 10 potenzielle Mietparteien, schließen sich zusammen und bauen sich ein Haus?

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Gastnutzer 42:

      Drei Gründe lassen sich in beliebiger Und/oder-Kombination finden:



      - Unfähigkeit



      - Interessenslosigkeit



      - Mittellosigkeit



      Bei Investoren kommt halt hinzu, dass diese eine positive Rendite erwarten, die ihnen aber vom Roten Berlin verweigert wird

  • Das war überfällig, diese unsägliche Kampagne der Genossenschaften anzuprangern, danke ! Wer finanziert diese PR Aktion eigentlich, da muss zeimlich viel Geld drinstecken, so groß wie das angelegt ist. Und wir sollten auch bedenken, daß Genossenschaften dem Wohl der GenossInnen vepflichtet sind, das bedeutet nicht unbedingt Gemeinnützigkeit. Ein Kenner der Branche hat mir unlängst erzählt, daß Genossenschaften heute sowohl Steuerspar- als auch Gewinnverschleierungs-methoden sein können, wäre auch interessant zu wissen wieviel Geld aus dieser Ecke in die Meinungsmache geflossen ist .

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @püppi von Wegen:

      Eigentlich haben 2 Genossenschaften erklärt, dass sie nicht neu bauen, weil sie es sich nicht leisten können.

      was ist daran eine kampagne?

  • Ich erinnere mich gut an Debatten, in denen Genossenschafts-Funktionäre, auf die übermäßige Steigerung der Mieten in den letzten Jahren angesprochen, die Querfinanzierung des Neubaus aus den Mieten (Nutzungsentgelten) der Bestandswohnungen rundheraus abstritten. Wäre es nicht ein Mindestgebot des anständigen Umgangs mit Mitgliedern und deren Vertreter*innen, sich hierfür jetzt wenigstens zu entschuldigen?

    Genossenschaftsmitglieder gehören meist keiner höheren sozialen Schicht an und sind deshalb nicht in der Lage, Neubau zu finanzieren. Deshalb sind Mietendeckel und die jetzigen Entscheidungen von Genossenschaften richtig. Die Alternative wäre (bzw. ist es schon), dass auch Bestandswohnungen in Genossenschaften nur noch an Besserverdienende vermietet werden, um einen Neubau zu finanzieren, den sich ebenfalls nur Besserverdienende leisten können.



    Das nennt die CDU dann "gemeinnützig", klar.

    Für eine soziale Wohnraumversorgung braucht es eine Umverteilung in gesellschaftlichem Maßstab, die Einkommen, Vermögen, Steuern einbezieht.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @ClaraN:

      Was hat denn jetzt die CDU damit zu tun?

      Für soziales Wohnraumversorgung braucht es weniger Hartzer und mehr Menschen, die dies finanzieren (wollen).

      In Berlin gibt es halt eine gewisse Diskrepanz.

      • @08088 (Profil gelöscht):

        Finde den Widerspruch!

        • 0G
          08088 (Profil gelöscht)
          @ClaraN:

          Keine Antwort ist auch eine Antwort

  • Genossenschaften sind ihren Mitgliedern (Genossen) gegenüber verantwortlich und schulden diesen Solidarität. Ich bin Mitglied in einer Genossenschaft und habe mir den Kauf der Anteile seinerzeit mit Studentjobs finanziert. Ich habe die Anteile gekauft und in meine Wohnsicherheit investiert, anstatt das Geld für Konsum auszugeben. Kapitalistisch, oder? Ich will nicht, dass die Genossenschaft mit meinem Geld in nicht rentierliche Projekte investiert, in Projekte, welche die Genossenschaft in die roten Zahlen und in die Insolvenz treiben. Ich will auch nicht, dass die Genossenschaft sich dafür hergibt, einer gescheiterten Politikerkaste unter die Arme zu greifen. Es gibt gewisse Politiker und Parteien, die haben den sozialen Wohnungsbau in Berlin vor die Wand gefahren bzw. verscherbelt. Es ist nicht meine Aufgabe als Genossenschaftsmitglied, mein eigenes Geld zu riskieren, damit diese Damen und Herren Wahlgeschenke machen können um wiedergewählt zu werden und um Diäten und Pensionen zu kassieren, von denen ich nur träumen kann. Wenn ich dafür aufkommen will, dann als Steuerzahler, so wie alle Steuerzahler, denn Berlin muss jetzt kräftig in den sozialen Wohnungsbau investieren und so zur Verschuldung des Landes Berlins beitragen. In was für einem Land leben wir, wo man solche Selbstverständlichkeiten einer überörtlichen Tageszeitung noch erklären muss?

    • @Kaiser von Deutschland:

      Da frage ich mich, ob die Objekte tatsächlich nicht zu den Mietpreisen gebaut werden können, wieviel Jahre für die Amortisation der Baukosten veranschlagt werden. Ist es wirklich ein Kostenproblem, oder eher eines von Gewinnen, die unterhalb der Erwartungen liegen.

    • 0G
      08088 (Profil gelöscht)
      @Kaiser von Deutschland:

      Bitte vergessen sie nicht, dass dies die taz ist.

      Solidarität funktioniert übrigens dort besonders gut, wo der Forderer nur emotional solidarisch sein muss, aber finanziell keine Auswirkungen spürt.

  • Meine Güte, ist es wirklich so schwer zu verstehen? Das Problematische an diesem Mietendeckel ist, dass die Bedingungen für alle, die vermieten, damit nicht länger verlässlich sind. Wer garantiert den Betroffenen denn, dass in fünf Jahren nicht ein neuer Mietendeckel verabschiedet wird, der dann auch für ehemalige Neubauten gilt? Anders gefragt: Würden Sie es akzeptieren, wenn die taz Ihr Gehalt für fünf Jahre auf die Höhe von 2013 zurücksetzt? Und hätten Sie dann noch das Vertrauen, dass das die einzige Kürzung bleiben wird? Von daher ist das Verhalten der Genossenschaften konsequent und keine "erbärmliche Kampagne".

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Fängt ja gut an. Die ersten Genossenschaften bauen schon nicht mehr. Ob das geplante Gesetz jetzt rechtswidrig ist oder nicht sei einmal dahingestellt. Gründe: Das Eigenkapital für die Querfinanzierung der neuen Wohnungen fehlt einfach. Keiner traut dem Senat, dass die Mieten langfristig die Kosten decken. Beides aufgrund RRG-Gesetz im Roten Berlin.

    Die Begründung sieht übrigens in anderen Tageszeitungen anders aus als in der taz. Es kann sich aber jeder selber eine Meinung bilden.

  • „Sie sollen gemeinnützig agieren, betreiben jedoch eine feiste Klientelpolitik à la FDP und müssen sich deshalb die Frage stellen lassen, ob sie wirklich auf hohe Mieten angewiesen sind. „

    Das ist ein Irrtum, im Verlauf 1988-1992 hat die Bundesregierung Kohl/Genscher Baugenossenschaften Gemeinnützigkeit mit der Maßgabe aberkannt, auch sie hätten Erträge aus Mieten zu erwirtschaften, die sie in neu zu gründende Stiftungen für Wohnquartier nahe Zwecke einbringen können, um gleichermaßen wie private Wohnungsunternehmen verstetigt für den Mietpreisanstieg mit Sorge und Verantwortung zu tragen, statt, wie zuvor, nach Rücklagenbildung, Erträge aus Mieten für die Mietpreisstabilisierung zu verwenden

  • vielleicht verwechseln ja welche gemeinnützig mit ich möchte auf kosten anderer leben?