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Genossenschaft für VorkaufsfälleEine frische und gewinnende Idee

Neue Mietergenossenschaft fürs Vorkaufsrecht gegründet, wenn kommunale Unternehmen nicht einspringen können. Ein Wochenkommentar.

Kapitalismus ist doch öde, Genossenschaftliches ist der neue Schick Foto: dpa

Es werden derzeit immer mehr Häuser in Berlin auf den Markt geworfen. Besonders auch private Eigentümer wittern wohl, dass die Preisentwicklung nicht ewig nach oben gehen kann, und versuchen schnell noch zu Höchstpreisen zu verkaufen. Für die Bezirke, die es mit der Anwendung des Vorkaufsrechtes ernst meinen, zuallererst also Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln, ist die jüngste Entwicklung überfordernd. Mehr als ein Dutzend Mal erhielten sie allein im April Meldungen über erfolgte Verkäufe, die sie dann jeweils noch innerhalb von zwei Monaten abwenden können. Doch diese Masse können sie und die Wohnungsbaugesellschaften, die als Käufer in die Verträge eintreten sollen, nicht stemmen. Das Geld ist endlich, erst recht bei den immer wahnsinnigeren Preisen auf dem Immobilienmarkt.

Es ist vor allem der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt, der aus der strukturellen Überforderung eine Tugend macht, ihr mit kreativen Lösungsideen begegnet. Sein jüngster Einfall ist innerhalb von nur wenigen Wochen Wirklichkeit geworden und sorgt für Hoffnung in immer mehr Hausgemeinschaften. Die vor Wochenfrist neu gegründete Genossenschaft „Diese eG“ soll zukünftig als Käufer einspringen, wo Wohnungsbaugesellschaften abwinken. Schon jetzt gilt sie vielen als letzter Strohhalm vor dem nächsten profitgierigen Eigentümer.

Dabei ist das Konzept für die Mieter keineswegs komfortabel. Mieter, die Genossen werden wollen, müssen 500 Euro pro Quadratmeter bewohnter Fläche auf den Tisch legen. Viel Geld dafür, dass sie nur Mieter bleiben.

Um einen Kauf finanzieren zu können, sind darüber hinaus Zuschüsse und Darlehen vom Senat und Bankkredite notwendig. Das Erstaunliche: Eine Mehrheit der Mieter in den aktuell betroffenen Häusern ist genau dazu bereit, zu groß ist die Angst vor Verdrängung. So teuer es ist, verlockend ist der Gedanke allemal: Die Mieter werden als Genossenschaftsmitglieder Miteigentümer ihrer Häuser. Ein Verkauf ist praktisch ausgeschlossen, Mieterhöhungen sind auch nicht zu befürchten.

Und Schmidt treibt schon sein nächstes Projekt voran: Mithilfe eines Bodenfonds, dem Community Land Trust, soll Grund und Boden dauerhaft der Spekulation entzogen werden. Der Trust könnte zukünftig jene Grundstücke übernehmen, auf denen die Häuser stehen, die von der neuen Genossenschaft gekauft werden, und sich an den Kosten beteiligen.

Der Baustadtrat treibt schon sein nächstes Projekt voran: ein Bodenfonds

Die Ideen greifen ineinander und verfolgen ein Ziel: den Ausbau des nichtgewinnorientierten Sektors. Gewinner dabei sind die Mieter.

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3 Kommentare

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  • CLT's sind tatsächlich eine spannende Alternative zu Mainstream Wohnkonzepten, vor allem da sie eine partizipative Entwicklung und Bewirtschaftung vorsehen. In UK ist seit ca 2009, somit nach der globalen Finanzkrise und weiter anziehender kommunaler Austeritat, stark angewachsen und zu einem eigenen Geschäfts- und Invesitionsmodell avanciert. Kritiker_innen in der Praxis und Wissenschaft (zB.



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    W(h)ither the community in community land trusts?



    James DeFilippis) bewerten die Veränderungen durch eine solches "mainstreaming" der CLT als problematisch, insofern viel CLT in UK von Schirmorganisationen strukturiert und nur noch wenig mit Selbstbestimmung und community, also Gescheinschaftlichkeit zu tun haben. Das sollte mit bedacht werden.

  • Bei einer 55 QM Wohnung macht das 27.500 Euro für nur die Genossenschaftsanteile....



    Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die Mieter bezahlen können.....v.a. wenn man das mal auf Familienwohnungen mit 80 und mehr QM hochskaliert. Ausserdem wird kein Amt diese Kosten mittragen, weder bei der Investition an sich noch später beim Mietzuschuss ...oder ? Also was daran jetzt so im Sinne der MieterInnen sein soll verstehe ich beim beim besten Willen nicht, für mich klingt das eher nach grüner Aneignung unter dem Deckmantel sozial zu handeln.



    Wenn man wirklich etwas ändern will muss man z.B. auch daür sorgen, dass die Mieter Kredite für diese Anteile bekommen, was bei den meisten im Normalsystem der Kreditvergabe nicht der Fall sein dürfte.

    • @püppi von Wegen:

      Genau das wird Aktuell versucht umzusetzen. Aus Mietersicht ist ein Kredit, welcher nicht verloren geht definitiv eine Option. Besser als auf lange Sicht eine höhere Miete zu zahlen ohne die Möglichkeit sich seine Anteile auszahlen zu lassen. Der Satz im Text sie bleiben nur Mieter ist ebenfalls falsch. Wer Anteile zeichnet wird Genosse mit stimmrecht!