Genossenschaft „Diese eG“ in Berlin: Angst vor der Insolvenz
Seit Montag verhandeln Senat und die Investitionsbank Berlin über ein Darlehen. Donnerstag soll die Entscheidung fallen.
Berlin taz | „Wegen Euch verschuldet“ oder „Hausaufgaben gemacht“: Kleine Transparente wie diese haben Mieterinnen und Mieter, meistens Familien mit Kindern, am Sonntag bei einer Kundgebung vor der Berliner Finanzverwaltung mitgebracht. Die etwa 60 DemonstrantInnen gehörten zu den mehr als 200 MieterInnen aus sechs Häusern in Friedrichshain, Kreuzberg und Schöneberg, die seit Wochen um ihre Zukunft bangen. Die Mietshäuser wurden in den vergangenen Monaten über das Vorkaufsrecht von der Genossenschaft „Diese eG“ erworben. Doch bis zuletzt war die Finanzierung der Ankäufe nicht gesichert.
Die „Diese eG“ war im Mai gegründet worden, um auch dann in das Vorkaufsrecht eintreten zu können, wenn öffentliche Wohnungsbaugesellschaften aufgrund eines zu hohen Preises den Kauf ablehnten. Um die aufgerufenen Spekulationspreise stemmen zu können, hatte die Genossenschaft, die über keine eigenen Mittel verfügt, ein Finanzierungsmodell basierend auf vier Säulen aufgestellt: ein freiwillig zu leistender Eigenanteil von mindestens 70 Prozent der MieterInnen von 500 Euro pro bewohntem Quadratmeter, Bankkredite, ein Zuschuss des Landes Berlin in Höhe von 10 Prozent des Kaufpreises sowie Darlehen aus einem Programm des Landes Berlin zur Förderung genossenschaftlichen Neubaus und Bestandserwerbs, das von der Investitionsbank Berlin (IBB) verwaltet wird.
Während es aufseiten der MieterInnen und der GLS-Bank keine Probleme gab, erweisen sich die anderen beiden Säulen als brüchig. Zwar beschloss der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses im Sommer, dass Genossenschaften ebenso wie Wohnungsbaugesellschaften einen Zuschuss zum Kauf erhalten können, jedoch nicht rückwirkend.
Fünf Häuser – von dem Kauf eines Gebäudes in der Rigaer Straße ist sie inzwischen zurückgetreten – hatte die „Diese eG“ da schon gekauft und darauf gebaut, dass ihnen die Zuschüsse nachträglich gewährt würden. „Wir haben fest damit gerechnet; der politische Wille, das so zu beschließen, war kundgetan“, sagt Werner Landwehr, Vorstand der „Diese eG“ und Regionalleiter der GLS-Bank. Gemeint ist etwa ein entsprechender Senatsbeschluss aus dem Mai – vor dem ersten Ankauf der „Diese eG“ –, Genossenschaften beim Vorkauf zu unterstützen.
Die „Diese eG“ konnte die Zuschüsse also nur für die beiden zuletzt erworbenen Häuser am Heckmannufer und in der Gleditschstraße erhalten. Für die anderen vier musste die entstandene Lücke durch noch höhere Förderanträge an die IBB ausgeglichen werden. Doch die Zusage für Darlehen, die etwa 60 Prozent der Kaufsumme von insgesamt etwa 50 Millionen Euro ausmachen, ließ auf sich warten.
Laut Landwehr weigerte sich die IBB, „einen Beschluss des Senats umzusetzen“ und die Mittel, die „für genau solche Fälle gedacht sind“, zu bewilligen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung teilte mit, die IBB prüfe die „insgesamt tragfähige Finanzkonstruktion“.
Seit Montag verhandeln Vertreter der Senatsverwaltungen für Finanzen, Wirtschaft und Stadtentwicklung mit der IBB, um eine Lösung zu finden.
Die Hängepartie hatte sich zuletzt zugespitzt, als der bisherige Eigentümer der Holteistraße 19/19a auf der Kaufsumme in Höhe von knapp 6 Millionen Euro bestanden hatte. Öffentlich hatte sich dieser darüber beschwert, dass Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) ein erforderliches Negativzeugnis erst nach mehrmaliger Aufforderung ausgestellt hatte und Werner Landwehr erst zum zweiten Beurkundungstermin beim Notar erschienen war. Weil mangels IBB-Bewilligung immer noch kein Geld geflossen war, hatte er der „Diese eG“ einen Vollstreckungstitel in voller Kaufpreishöhe zustellen lassen. Inzwischen soll laut Tagesspiegel der Eigentümer den Bezirk verklagt haben, für den Kaufpreis aufzukommen.
Seit Montag verhandeln Vertreter der Senatsverwaltungen für Finanzen, Wirtschaft und Stadtentwicklung mit der IBB, um eine Lösung zu finden. Diese soll laut Eva Henkel, der Sprecherin von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), noch im Laufe des Donnerstags verkündet werden. Henkel betonte dabei, dass die Häuser wirtschaftlich betrieben werden müssten: „Es darf keine dauerhaften Subventionsträger geben.“ Darüber hinaus würden noch die Eigenkapitalzusagen geprüft. Bis Donnerstag früh habe es noch keine Nachweise dafür gegeben, dass die Eigenkapitalquote von 10 Prozent erreicht sei.
Für den Fall, dass die Darlehen nicht bewilligt würden, sprach Landwehr von einer „furchtbaren Situation“ besonders für die MieterInnen, die zum Teil privat Kredite aufgenommen haben, um ihren Anteil zu leisen. Landwehr nannte die lange Dauer des Verfahrens einen „politischen Skandal“.
Unklar ist weiterhin, welche Konsequenzen die Rückabwicklung des Vorkaufs in der Rigaer Straße 101 hat. Da in dem Haus ein sehr viel höherer Sanierungsbedarf festgestellt wurde als anfänglich angenommen, hatte das Land den Zuschuss verweigert, und auch mit dem IBB-Darlehen war nicht mehr zu rechnen. Infolgedessen waren „Diese eG“ und Bezirk von dem Kauf zurückgetreten.
Der Eigentümer hatte daraufhin von einer Schadenssummer von mehreren 100.000 Euro gesprochen – aufgrund des gesunkenen Verkaufspreises wegen des geplanten Mietendeckels. Florian Schmidt hatte einen Anspruch auf Schadensersatz angezweifelt.
Leser*innenkommentare
Ulli Z
Moment mal. In der Rigaer Straße übt der Bezirk ein Vorkaufsrecht zu Gunsten eines Dritten, der DIESE eG aus. Damit wird die DIESE eG durch hoheitliche Akt unwiderruflich Vertragspartner des Verkäufers, und damit der Kaufpreis auch auf jeden Fall fließt, haftet der Bezirk für alle Verpflichtungen der DIESE eG aus diesem Kaufvertrag gesamtschuldnerisch mit (vgl. § 27a BauGB).
Offensichtlich danach (so was prüft man üblicherweise BEVOR man in einen Kaufvertrag einsteigt) fiel der DIESE eG auf, das Haus ist ja marode, teure Sanierungskosten stehen an. Das ist aber kein Rücktrittsgrund von einem Kaufvertrag.
Wenn der Bezirk den Vorkaufsrechtsausübungsbescheid aufhebt, ist die DIESE eG dennoch in der Pflicht, zu zahlen.
Geht das schief weil das Geld nicht da ist, kann sich der Verkäufer vertrauensvoll an den Bezirk wenden, der gesamtschulderisch haftet. Und versucht jetzt der Bezirk sich durch Aufhebung des Bescheides aus der Sache rauszuschlängeln, wandelt sich der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in eine Schadenersatzforderung. Der Verkäufer muss so gestellt werden als habe der Verkauf vollzogen werden können.
Trifft die Erwartung des Verkäufers zu, jetzt nur noch zu einem niedrigeren Preis verkaufen zu können wegen der Mietpreisbremse, dann muss der Bezirk die Differenz übernehmen.
Beweisschwierigkeiten umgeht der Verkäufer, wenn er direkt nach dem Platzen des Kaufvertrages und der Rücknahme des Vorkaufsrechtes das Haus öffentlich versteigert. Nach ständiger Rechtsprechung entstehen dabei Verkehrswerte. Die Differenz zum ursprünglichen Kaufpreis verlangt er dann vom Bezirk. Ergibt die Versteigerung dagegen einen identischen oder höheren Preis, ist ihm kein Schaden entstanden, und der Bezirk hat den Hals wieder aus der Schlinge. Er schuldet dann ggf. "nur" noch die Bruttodifferenz Altkaufpreis+Notar- und Maklergebühren sowie, falls diese schon fällig wurde, die Grunderwerbsteuer.
Peterbausv
Währenddessen bekommen Frau Lompscher und auch Herr Schmidt eine günstigere Miete.
8.000 Euro im Monat sind ja auch nicht soviel, immerhin das kann man von ihm lernen.
Linke Politik heißt, Mietsenkungen für Luxuswohnungen und keine Wohnungen für Wohnungslose.
Kann man sich nicht ausdenken.
Thorsten
500,- Euro pro Quadratmeter abzudrücken, um weiter Miete zahlen zu dürfen, ist doch an sich schon hochgradig dämlich. Außerdem sollte den Genossenschaftlern klar sein, dass sie einem gewissen Herrn Schmidt auf den Leim gegangen sind, der Kaufverträge unterschrieben hat, obwohl die Finanzierung nicht gesichert war.
08088 (Profil gelöscht)
Gast
Klar, dass der Senat wieder einspringt. Es bekommen ja die richtigen.
DiMa
Der Skandal ist dich nicht die Dauer der Prüfung sondern die Tatsache, dass die Häuser ohne rechtlich einwandfreie Grundlage erworben worden sind. Die Zusagen beteiligter Politiker haben alle keine Bindungswirkung. Herr Landwehr durfte sich nicht darauf verlassen.
Insoweit sollten weder Herr Landwehr noch Herr Schmidt aus der politischen und persönlichen Verantwortung entlassen werden.
Es wäre ein Skandal, wenn Verwaltung und IBB jetzt einen krummen Deal eingehen, nur um irgendwelche Mieter, die sich auf dieses windige Konzept eingelassen haben, zu retten.
ClaraN
500,-€ pro bewohntem Quadratmeter ... aufseiten der Mieter*innen gab es keine Probleme???
Das sind z.B. bei einer Einzelperson in einer 50 qm - Wohnung 25.000,-€. Wenn es da angeblich "keine Probleme" gibt, dann kann das ja nur daran liegen, dass in den Häusern entweder keine ärmeren Menschen wohnen oder dass sie ohne laut zu werden ausgezogen sind oder dass diese Auseinandersetzungen hinausgeschoben und totgeschwiegen werden oder noch ansteht. Zumal ja bis auf den 10%igen Zuschuss auch alle Kredite noch mit den Mieten abbezahlt werden müssen, diese also nicht allzu niedrig sein können.
Egal wie, diese Aufkäufe sind offenbar Mittelschichtprojekte und taugen nicht, die Wohnungsnot in dieser Stadt wirklich zu beheben. Sie forcieren eher die sozialen Säuberungen, weil sie den Blick verstellen und Scheinlösungen vorgaukeln.
HugoHabicht
@ClaraN Wenn man die € 500/m² zur Miete rechnet, sind die Wohnungen teurer, als wenn sie die teuerste Heuschrecke saniert hätte. So sitzen die Mieter in unsanierten Häusern mit hohen Mieten und freuen sich, dem Kapitalismus ein Schnäppchen geschlagen zu haben. Though this be madness yet there is method in it.