Genitalverstümmelung in Deutschland: 65.000 Frauen sind betroffen
Die Genitalverstümmelung wird auch in Deutschland zunehmend zum Problem. Was fehlt: Aufklärungsarbeit und Seminare für Ärzt*innen.
In Deutschland sind rund 65.000 Mädchen und Frauen von der Praxis betroffen, weitere 15.000 sind laut Angaben von Terre des Femmes potenziell bedroht. Grund dafür ist unter anderem die zunehmende Migration aus Ländern wie Eritrea oder auch dem Irak. Auch aus Somalia, wo sich der Anteil beschnittener Frauen auf 98 Prozent beläuft, kommen zunehmend mehr Migrant*innen nach Deutschland.
Angesichts steigender Zahlen von weiblicher Genitalverstümmelung fordert Terre des Femmes von der Bundespolitik eine „umfassende Bereitstellung von Geldern für die Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit“. Es müssten flächendeckende Maßnahmen eingeführt werden, um betroffene Frauen auch wirklich erreichen zu können.
Auch Katharina Kunze vom Deutschen Frauenring sieht großen Nachholbedarf der Bundesregierung im Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung. Neben Beratungsangeboten in Deutschland fordert der Verein auch stärkere Bemühungen der deutschen Vertretung in den besonders betroffenen Staaten.
Geld für Hilfe fehlt
Die Arbeit von Aktivist*innen vor Ort habe gezeigt, dass sich dadurch die Praxis eindämmen lasse. Das spiegele sich jedoch nicht in der finanziellen Unterstützung von Hilfsprogrammen wider. „Wir haben schon mehrfach Anträge an die Bundesregierung auf finanzielle Unterstürzung gestellt“, berichtet Souleymane Diallo vom Verein Mama Afrika. In Guinea eröffnete das deutsch-afrikanische Projekt Kindergärten und veranstaltet Informationsabende für Frauen und Männer.
Diallo zeigt sich angesichts der zunehmenden Zuwanderungszahlen aus Afrika enttäuscht, dass das Problem der weiblichen Genitalverstümmelung kein größeres Echo in der Politik findet. Die Frauen „leiden und werden ausgegrenzt“; im Anbetracht dessen dürfe beim Umgang mit weiblicher Genitalverstümmelung auf keinen Fall „auch nur ein Auge zugedrückt werden“.
Da FGM ein Asylgrund ist, der durch Ärzt*innen festgestellt wird, müssen jedoch nicht nur die betroffenen Frauen über die Folgen von FGM aufgeklärt werden, sondern auch medizinisches Fachpersonal muss stärker geschult werden.
Keine Fortbildung für Ärzt*innen
Die Chirurgin Cornelia Strunz kritisiert fehlende Informations- und Fortbildungsangebote für Ärzt*innen in Deutschland. Im Berliner Krankenhaus Waldfriede betreut sie Migrantinnen mit Genitalverstümmelung. Viele Ärztinnen und Gynäkologen hätten „kaum Erfahrungen mit der Diagnose weibliche Genitalverstümmelung“ und seien dementsprechend damit überfordert.
Problematisch sei das vor allem, da FGM erst seit Kurzem Teil des Lehrplans von Medizinstudierenden in Deutschland ist. Umfassende Weiterbildungsmaßnahmen auf nationaler Ebene wären deshalb dringend notwendig, sagt Strunz.
Bis jetzt, so kritisieren die Ärzt*innen- und Frauenverbände, würden die Fortbildungen aber hauptsächlich privat organisiert und nicht staatlich geregelt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen