Generationenwandel in der Klimakrise: Wenn der Boomer erzählt
Sie wissen alles. Und tun fast nichts. Schließlich haben sie ja genug getan, die Boomer. Oder?
D ann bin ich halt ein Boomer. Obwohl ich einer bin und solche Wörter wie Boomer auch deshalb eigentlich nicht benutze, weiß ich ungefähr, was das bedeutet. Ich bin ein alter Depp. Das allein wäre noch nicht das Problem. Von meiner Sorte gibt es so viele, dass die Welt schier daran zugrunde geht. So ist es doch, oder? Wir Boomer kapieren es einfach nicht.
Mit uns Boomern ist es auch deshalb so schwierig, weil wir die Welt zwar ihrem Untergang entgegentreiben, aber dennoch glauben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Wir wissen schon, wie schlimm es um das Klima bestellt ist, doch richten wollen wir es nicht. Aber viele von uns finden es gut, dass es die jungen Leute gibt. Greta Thunberg hat's dauf. Oder Luisa Neubauer. Wie die reden kann! Die machen das schon ganz gut, die jungen Leute. Meinen Segen haben sie. Sie haben ja auch den Segen von Angela Merkel und Barack Obama. Sollen sie schön weiterprotestieren. Vielleicht werden sie ja darüber so weise, wie wir es geworden sind.
Wir haben früher schließlich auch gute Sachen gemacht. Wackersdorf zum Beispiel. Was haben wir nicht alles auf uns genommen, um zur Demo am Bauzaun der seinerzeit geplanten Wiederaufarbeitungsanlage für abgebrannte Kernelemente in die tiefste oberpfälzische Provinz zu reisen. Ich war zwar damals nicht dabei. Aber der Helmut und der Martin sind hingefahren. Und ich fand richtig toll, dass sie das gemacht haben. Ich habe dafür einen Artikel in der Schülerzeitung drüber geschrieben. Oder war das der Alexander?
Ich war damals auch gegen das Waldsterben. Und gegen den Umbau eines Teils des Altmühltals zu einer Betonrinne namens Main-Donau-Kanal war ich auch. Mir kann niemand vorwerfen, dass ich nichts getan habe. Ich habe das gern getan. Es war mir ein Bedürfnis. Ich denke, viele andere Boomer sehen das ähnlich. Wir haben unsere Schuldigkeit getan. Jetzt sind eben die jungen Leute dran.
Sollen sie doch demonstrieren. Ich nehme dann halt einen Umweg, wenn Straßenzüge dafür gesperrt werden. So sind eben die Zeiten. Es ist ja nicht so, dass ein Boomer nichts mehr dazulernt. Ich verziehe mein Gesicht nicht mehr, als müsste ich gleich brechen, wenn eine junge Kollegin eine Packung vegane Schokolade auf dem Tisch liegen hat. Und ich habe auch schon mal stolz erzählt, dass meine Kinder kein Fleisch essen. Ich finde, das ist schon mal gar nicht so schlecht. Mehr kann ich nun wirklich nicht mehr tun. Warum eigentlich nicht? Ganz einfach: weil ich ein Depp bin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin