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Gender Pay GapMänner erhalten Bonus für lange Arbeitszeit

Bei Hochqualifizierten ist der Lohnnachteil von Frauen gegenüber Männern besonders groß. Im Durchschnitt sinkt die Ungleichheit der Löhne aber etwas.

Gleiche Arbeit- ungleicher Lohn Foto: imago

Berlin taz | Mit einer Annahme muss Katharina Wrohlich leider aufräumen: Hohe Bildung schütze Frauen nicht, wie oft vermutet, vor ungleicher Bezahlung. „Im Gegenteil“, sagt die Ökonomie-Professorin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Mit zunehmender Berufsqualifikation blieben die Einkommen weiblicher Beschäftigter sogar weiter hinter denen der Männer zurück.

Die neue Studie zum Lohnabstand zwischen Frauen und Männern (englisch „Gender Pay Gap“) erscheint an diesem Mittwoch, zwei Tage vor dem alljährlichen internationalen Aktionstag „Equal Pay Day“, an dem seit fast 60 Jahren Gewerkschaften und Bürgerrechtsorganisationen gleiche Bezahlung unabhängig vom Geschlecht einfordern.

Noch immer allerdings verdienen Frauen im Schnitt pro Stunde 16 Prozent weniger als Männer. Und, das zeigen Wrohlichs Ergebnisse: Der Rückstand der Frauen nimmt im Laufe des Arbeitslebens zu. Bei jüngeren Leuten Mitte 20 ist er kaum vorhanden, mit Mitte 50 dann erheblich.

Bei abhängig Beschäftigten mit Hochschulabschluss wächst die Lohnlücke mit zunehmendem Alter am stärksten. Immerhin um 28 Prozent liegen die durchschnittlichen Verdienste für Männer höher als für Frauen, wenn diese 50 Jahre alt sind. Bei Beschäftigten mit Abitur oder Ausbildung beträgt der Gender Pay Gap in diesem Alter 20 Prozent, bei Leuten ohne Abitur und Ausbildung nur 18 Prozent. Basis für diese Berechnung sind die Bruttostundenlöhne.

Wenn Kinder kommen, gehen vor allem Frauen in Teilzeit

Der wesentliche Grund für diesen von jungen Jahren ins Alter wachsenden Gender Pay Gap ist nach Wrohlichs Einschätzung der höhere Anteil von Teilzeitarbeit unter Frauen gegenüber Männern. Die Lohnkurven gehen dann besonders auseinander, wenn Frauen um ihr 30. Lebensjahr herum vermehrt in Teilzeit und nicht mehr in Vollzeit arbeiten.

Dies wiederum hängt damit zusammen, dass Familien gegründet werden und der Nachwuchs kommt. Wobei die Unterschiede in Westdeutschland viel größer sind als in den östlichen Bundesländern, wo Frauen deutlich weniger Teilzeit arbeiten.

Für die am besten qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommt dabei ein besonderer Effekt zum Tragen. Der Nachteil der Frauen fällt besonders in Gewicht, weil sie wegen ihrer Teilzeittätigkeit gleichzeitig auch niedrigere Stundenlöhne erhalten. Das eine bedingt das andere. Wenn beispielsweise eine Anwältin 30 Stunden pro Woche arbeitet, ihr männlicher Kollege hingegen 60 Stunden, ist letzterer der Firma einen höheren Stundenlohn wert. Das lässt sich verstehen als Bonus für die Bereitschaft und auch Möglichkeit, ständig im Einsatz zu sein.

Verteilung von Sorgearbeit

Wobei sich die Frage stellt, warum Frauen überhaupt mehr in Teilzeit arbeiten als Männer. Das hat unter anderem mit einem Mangel an Plätzen in Kindertagesstätten zu tun, während gleichzeitig Frauen noch immer mehr Sorge- und Familienarbeit leisten. Hinzu kommen politische Rahmensetzungen wie das steuerliche Ehegattensplitting und Minijobs, die wegen der Lohnlücke vor allem weibliche Beschäftigte animieren, weniger zu arbeiten als ihre Partner.

Wobei sich dieser politische Rahmen beeinflussen und verändern lässt, etwa durch mehr Kita-Plätze. Und das funktioniert: So lautet die gute Nachricht des Statistischen Bundesamtes, dass der Gender Pay Gap insgesamt von 2023 auf 2024 um zwei Prozentpunkte von vorher 18 auf nun durchschnittlich 16 Prozent sank.

Wohlgemerkt: Das bedeutet nicht, dass weibliche Beschäftigte für die exakt gleiche Tätigkeit so viel weniger Geld erhalten als Männer. Vielmehr enthält dieser Wert viele Faktoren, wie etwa auch die Berufswahl: Frauen üben oft schlechter bezahlte Tätigkeiten aus als Männer. Doch auch für gleiche Arbeit bekommen Frauen noch immer weniger Geld, wenn auch die Lücke kleiner ist. Der sogenannte „bereinigte“ Gender Pay Gap beträgt sechs Prozent.

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1 Kommentar

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  • Was in dieser Diskussion immer ausgeblendet wird ist die Möglichkeit dass sich Frauen (gerade auch hoch qualifizierte oder feministische) vielleicht doch lieber um Kinder als um Karriere kümmern möchten. Das Beispiel mit der Anwältin ist Unfug, denn wenn sie 60h und ein Mann 30h arbeiten würde käme sie auf den höheren Stundenlohn, nicht das Geschlecht, sondern die zu Verfügung gestellte Arbeitszeit ist da der Hintergrund.