Geldstrafe für Anti-Kohle-Aktivistinnen: Ein „ehrenwertes Anliegen“
„Winter“ und „Jazzy“ hatten bei der Räumung des Hambacher Forsts im Jahr 2018 Widerstand geleistet. Das Urteil gegen die beiden fiel milde aus.
Die beiden nicht identifizierten jungen Frauen, in BesetzerInnenkreisen Winter und Jazzy genannt, offiziell UP 51 und UP 64 (für Unbekannte Person), hatten sich im Hambacher Wald in der Baumhaussiedlung Norden hoch oben miteinander verkettet. Der Vorwurf: passiver Widerstand. Das Strafgesetzbuch drohte mit Paragraf 113 Absatz 2, dem besonders schweren Fall von Widerstand – nämlich bei Gemeinschaftlichkeit. Das hätte bis zu fünf Jahre Haft für Winter und Jazzy bedeuten können.
Winter (mit schwarzer Wollmütze) und Jazzy (mit Mütze, Kapuze und dickem Schal vor Mund und Nase) lächelten bei der Vernehmung von Amtspersonen gelegentlich. Die Aussagen waren wie so oft in Hambach-Prozessen widersprüchlich, lückenhaft, schwammig, manchmal zum Lachen.
Der Baudezernent des Kreises Düren, den die schwarz-gelbe Landesregierung angewiesen hatte, das Gelände aus Brandschutzgründen räumen zu lassen, wirkte gar desinteressiert: Genaue Erinnerungen, wie wer wann was angeordnet oder getan habe? „Da müsste ich in den Unterlagen nachgucken.“ So viel zur Prozessvorbereitung.
Richter: Vermeintliche Klüngelei spiele keine Rolle
Ausführlicher sprach er über die Rolle von RWE bei der Räumung. Der Konzern habe Verwaltungsbeamten in den Wald geshuttelt. „Verfahrenshelfer“ seien sie gewesen. Ja, RWE-Leute seien auch bei Besprechungen dabei gewesen. Einer seiner Mitarbeiter gab zuvor im Zeugenstand an, Angestellte des Energieunternehmens hätten Vorgaben gemacht, welche Baumhäuser als nächstes anzugehen seien.
Winters Verteidiger Christian Mertens zog aus den Aussagen folgende Schlüsse: Wenn RWE bei der Räumung Regie führte und das Vorgehen koordinierte, war diese nicht rechtmäßig. Es sollte alles „im Handstreich erledigt werden“. Und wegen Widerstandes gegen einen unrechtmäßigen Einsatz könne man nicht verurteilt werden. Außerdem: „Die Brandschutz-Verfügung war handwerklich so voller Fehler, dass sie als juristische Seminararbeit mit null Punkten bewertet worden wäre.“
Richter Behrend wollte sich auf diese Ausführungen nicht einlassen. Es sei über die Schuld der Angeklagten zu urteilen, nicht über vermeintliche politische Klüngelei.
Am Ende wurden es für Winter und Jazzy also 40 Tagessätze. Verteidiger Christian Mertens behielt sich Rechtsmittel vor. Er war in Eile – der nächste Hambach-Prozess stand an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid