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Geld für Desiderius-Erasmus-StiftungDas Abwarten ist absurd

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die AfD-Stiftung mit Steuergeldern nähren? Ein liberaler Rechtsstaat zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er seine Gegner auch noch finanziert.

Warten auf das Bundesverfassungsgericht: Erika Steinbach, Vorsitzende der Erasmus-Stiftung Foto: Felix Zahn/photothek/imago

S chon der Name ist eine Provokation. Desiderius Erasmus von Rotterdam war ein Universalgelehrter und Humanist des 16. Jahrhunderts. Der rastlose Mann hat mehr als 150 Bücher geschrieben.

Gewiss war sein Denken der damaligen Zeit verhaftet, als von Rechtsstaat oder Demokratie keine Rede sein konnte. Aber Desiderius war ein Vordenker. Ausgerechnet nach diesem Menschen hat die rückwärtsgewandte AfD ihre parteinahe Stiftung benannt.

Die taz bietet nun mit der Veröffentlichung über interne Querelen einen Einblick in die innere Verfasstheit dieses Vereins. Da wird zweierlei deutlich: Erstens sind die rechtsextremen und verschwörungsideologischen Tendenzen in dieser Institution kein unbedeutendes Randphänomen, sondern Programm. Und zweitens bemüht sich die Stiftungs-Chefin Erika Steinbach dennoch darum, das Bild eines seriösen demokratischen Vereins zu kreieren.

Versäumnis des Bundestags

Es wäre absurd, wenn der demokratische Staat diese Natter auch noch mit Steuergeldern nähren würde. Ein liberaler Rechtsstaat zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er seine Gegner auch noch finanziert.

Unglücklicherweise jedoch hat es der Bundestag versäumt, dies nach eindeutigen rechtsstaatlichen Regeln zu bestimmen. Es existiert nämlich gar kein Gesetz, das die Finanzierung der parteinahen Stiftungen regelt.

Warten auf Karlsruhe

Die AfD ist nicht verboten, schon gar nicht ihre Stiftung. Deshalb klagt die Partei auf Rechtsgleichheit: Wenn alle im Bundestag vertretenen Parteien staatlich alimentiert werden, warum dann nicht die Desiderius-Stiftung? An dieser Argumentation ist leider etwas dran.

Die Mehrheit des Bundestags wartet ab. Sie wartet auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dieser Angelegenheit. Es ist denkbar, dass die Richter der AfD in Teilen recht geben.

Dann wird das Wehklagen groß sein. Von der Zivilgesellschaft, die sich gegen den Rechtsextremismus stellt, zu Recht. Aber die demokratischen Parteien im Bundestag haben es sich selbst zuzuschreiben, sollte geschehen, dass Rechtsextreme künftig über Millionen aus dem Staatssäckel verfügen dürfen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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2 Kommentare

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  • Die Frage ist doch, was und wer greift "den liberalen Rechtsstaat" denn an? Und wo sind welche Grenzen? Es ist ja vor allem die SPD, die sich gegen "Regeln" hier wohl wehrt. Denn was jetzt für die AfD bzw. deren Stiftung gelten soll, kann genauso morgen auch für linke Parteien gelten. Hier ist äußerste Vorsicht geboten. Denn schnell ist man bei den "Urteil Verfassungsfeinde". Die Linke wird doch mindestens einmal wöchentlich damit überzogen. Und dann auch deren Stiftung nicht mehr unterstützen? Das hätten sie wohl gerne, die "angeblichen Retter des liberalen Rechtsstaat". Dann doch lieber alle gleich unterstützen. Ein Demokrat hat damit keine Probleme, die "Retter des liberalen Rechtsstaat" scheinbar schon.

  • Anstatt liebgewonnen Pfründe auf den Prüfstand zu stellen, immerhin rd. 660 Mio. € in 2022 und die Finanzierung der Parteienstiftungen aus dem Bundeshaushalt zu nehmen, wartet man lieber darauf dass Karlsruhe entscheidet und nimmt damit hin, dass die Afd zwei Siege in einem kassiert. Wenn man einen Bruchteil des Budgets in die Bundeszentrale für politische Bildung kanalisieren würde, wäre allen wahrscheinlich mehr geholfen (außer den Versorgungsstiftungen).