piwik no script img

Geheimdienstskandal in DänemarkEine Abhörstation vor Kopenhagen

Eine Geheimdienstaffäre bringt Dänemarks Regierung in Erklärungsnot. Der Skandal reicht weit ins verbündete Lager – und war schon früher bekannt.

Nicht nur hier in Bad Aibling, sondern auch in Kopenhagen hörte die NSA mit Foto: imago

Stockholm taz | Am Sonntagabend meldete sich dann Edward Snowden mit einem sarkastischen Tweet aus seinem Exil in Moskau zu Wort: „Ach, hätten wir das doch nur schon vor Jahren untersuchen können! Warum hat uns denn bloß niemand gewarnt?“ Der bekannte Whistleblower spielte darauf an, dass die Erkenntnis von der Zusammenarbeit des dänischen Militärgeheimdienstes Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) und des US-Geheimdienstes NSA beim Anzapfen und Abhören des Tele- und Internetverkehr an dänischen Daten-Knotenpunkten nicht neu sei. Dänemark ist eines der mindestens 33 Länder, die unter dem Codenamen „RAMPART-A“ die NSA dabei unterstützen, die elektronische Kommunikation weltweit zu überwachen, hatte die linke dänische Zeitung Information schon 2014 berichtet – nach Auswertung von Snowden geleakten Dokumenten.

Am Montag veröffentlichte Recherchen mehrerer europäischer Medien, darunter der dänische Rundfunk, NDR/WDR und Süddeutsche Zeitung, liefern nun Details zu diesen Überwachungsaktionen. FE half den USA demnach, führende PolitikerInnen aus Schweden, Norwegen, Deutschland und Frankreich abzuhören. Auch gegen Mitglieder der eigenen Regierung wurde fleißig spioniert. Dies ist nicht nur grotesk, sondern nach dänischem Recht auch verboten.

Der neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auch abgehörte ehemalige Kanzlerkandidat Peer Steinbrück spricht jetzt von einem „Skandal“ und bezeichnet das Verhalten des dänischen Geheimdiensts als „absurd“. Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist kritisierte dies als „einen unhaltbaren Zustand“ und forderte: „Jetzt müssen alle Karten auf den Tisch“. Außenministerin Ann Linde hakte nach: „Die schwedische Regierung will nun volle Klarheit.“

Die schwedische Regierung will nun volle Klarheit

Ann Linde, Schwedens Außenministerin

Audun Lysbakken, Vorsitzender der norwegischen Linkssozialisten, sprach von einem „ernsthaftem Vertrauensbruch“, den sich die Nato-Partnerländer Dänemark und USA da geleistet hätten. Auch Norwegens Verteidigungsminister Frank Bakke-Jensen fühlt sich von seiner dänischen Kollegin Trine Bramsen hereingelegt. Als er Bramsen im Herbst 2020 nach ersten Berichten, wonach sich die NSA/FE-Aktivitäten auch gegen Norwegen gerichtet hätten, kontaktiert habe, sei er von ihr nicht über die US-Spionage informiert worden, beteuert er.

Dabei steht fest, dass Kopenhagen spätestens im August 2020 eine vollständige Analyse der FE-Aktivitäten bekommen hatte, die auch die „Operation Dunhammer“ (deutsch: „Rohrkolben“) umfasste, über die durch die jetzigen Medienveröffentlichungen nun weitere Einzelheiten ans Licht kamen. Der „Dunhammer“-Rapport war ein zunächst interner Bericht von einigen FE-Angestellten, die herausgefunden hatten, dass die NSA in der FE-Abhörstation „Sandagergård“, die auf der zu Kopenhagen gehörenden Insel Amager liegt, selbstständig schalten und walten konnte und dabei auch dänische BürgerInnen überwachte – und beispielsweise auch 2009 die TeilnehmerInnen der internationalen Kopenhagener Klimakonferenz Cop15 ausspionierten.

Ob der schon 2015 fertiggestellte Rapport neben der FE-Führung auch der damaligen Regierung in Kopenhagen bekannt war, ist unklar. Jedenfalls verschwand er ohne bekannt gewordene Konsequenzen in der Schublade. Bis Whistleblower ihn Ende 2019 wieder ans Licht holten und den dänischen Rundfunk auf die Fährte setzten.

Im Sommer 2020 warf das Kontrollorgan der Regierung zur Überwachung der Geheimdienste dem Militärgeheimdienst FE vor, er sei „Hinweisen auf Spionage nicht nachgegangen“. Das habe die Gefahr einer ungesetzlichen Überwachung von eigenen Mitbürgern zur Folge gehabt. Die FE-Verantwortlichen wurden entlassen. Was man aber auch damals offenbar noch für sich behalten wollte: den Umfang der durch FE ermöglichten Spionage gegen befreundete Regierungen.

Dänemarks Regierung ist in Bedrängnis

„Das stinkt natürlich gewaltig“, reagiert Thomas Wegener Friis, Historiker und Spezialist für Geheimdienstforschung an der Süddänischen Universität. Mit dem Ausspionieren von Norwegen, Schweden, Deutschland und Frankreich habe FE geholfen, „Dänemarks beste Freunde zum Narren zu halten“. Wobei das ja „keine dunklen Mächte oder Länder sind, von denen wir eine Invasion befürchten müssen“. Und er fragt: „Wo liegt da eigentlich das Interesse Dänemarks?“ – „Mehr als peinlich“, kommentiert auch die Tageszeitung Politiken: „Wer vertraut denn dem dänischen Staat jetzt noch?“

Als Information 2014 erstmals die Zusammenarbeit zwischen FE und NSA publik machte, verweigerte der damalige Verteidigungs- und jetzige Finanzminister Nicolai Wammen jeglichen Kommentar „zu konkreten Aktivitäten“. Auch Ministerin Bramsen will sich jetzt zu „Spekulationen in den Medien“ nicht äußern. Ganz allgemein findet sie aber: „Systematische Spionage gegen nahe Alliierte ist inakzeptabel.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Es ist zwar immer wieder müßig und man kann von Charles de Gaulle halten was man will - aber er hatte eine unumstößliche Wahrheit ausgesprochen:

    "Staaten (und damit auch die Geheimdienste) haben keine Freunde, nur Interessen"

    Daher ist es nur logisch, das Geheimdienste auch "Freunde" ausspähen. Egal ob Dänen uns aushorchen (oder dabei helfen), wir Franzosen aushorchen oder der Luxemburger Belgien belauscht.

    Das ist einfach "Business as usual" und wer denkt das sowas nicht stattfindet in allen Weltregionen und unter allen "Freunden" ist einfach sehr Naiv.



    Es ist die Aufgabe der Dienste Informationen zu generieren, welche den staatlichen Interessen nützen könnten.



    Woher man Sie bekommt, wollten und wollen die Nutznießer in der Regel nur dann wissen, wenn diese Information ebenfalls nützlich sein kann.

    Und auch wenn die Dienste für Projekte oder auf gewissen Ebenen zusammenarbeiten, darf man sicher sein, das es eine andere Abteilung gibt, welche versucht dem "befreundeten" Dienst auch Informationen abzuluchsen oder allgemein bei diesem "Freund" eigenstaatliche Interessen vertritt (Informationen gewinnen will).

    Daher seid versichert das dieser Sturm im Wasserglas nach der üblichen und von allen erwarteten Empörungswelle auch schnell wieder unterm Tisch verschwunden ist.

  • Btw - Das hat Bucky Fuller - nicht verdient! In echt nicht •



    upload.wikimedia.o..._Montr%C3%A9al.jpg



    & much more -



    de.wikipedia.org/w...Buckminster_Fuller



    &



    architekturvideo.d...uckminster-fuller/



    &



    www.dbz.de/artikel...rford_1222744.html



    & Vertell Vertell -



    Was eine Ausstellung - in OWL - 🙀 -

  • Immer nur NSA, das wird auf die Dauer langweilig. Deutschlands politische und wirtschaftliche Macht ist auch anderen Staaten ein Dorn im Auge, vor allem solchen, die uns nicht so „freundschaftlich“ gesonnen sind. Warum kümmert sich z. B. Edward Snowden nicht auch mal um das, was die Geheimdienste z. B. Russlands über uns wissen? Die dazu nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten hat er doch wohl noch nicht verlernt?!



    Ich ahne es: Für Snowden selbst ist die Sache wohl zu heiß, und es findet sich offenbar kein anderer Whistleblower seines Formats. Denn anderswo macht man keine kleinlichen Unterschiede zwischen „Whistleblower“ und „Verräter“, sondern einfach nur kurzen Prozess!

    • @Pfanni:

      Es scheint Ihnen entgangen z sein, dass nicht nur Putin, sondern auch die USA da kurzen Prozess machen!



      Was soll Snowden denn machen, nachedm in Deutschalnd kein Politiker genug Arsch in der Hose hatte um ihm hier Asyl anzubieten?



      Bin mir sicher, dass er von hier aus mit Kusshand gegen Russland ermitteln würde - aber er ist wohl klug genug, nicht gegen die einzige Hand zu agieren, die ihn schützt...

  • Warum kann man den Nachrichtenverkehr überhaupt abhören? Ist die Verschlüsselung so im Eimer?

    • @Bunte Kuh:

      Verschlüsselungen kann man knacken. ALLE!

  • Diese künstliche Aufgeregtheit einiger Politiker ist schon amüsant. Immerhin wissen wir doch von unserem Herrn Maaßen (früherer Geheimdienstchef), wie sehr man Linke, Klimaaktivisten und andere "Progressive" kontrollieren möchte. Wobei Geheimdienst und Militär selbstverständlich engstens zusammenarbeiten.

  • wetten dass es ausser ein bisschen rhetorischem protest zum zweck der verarschung der öffentlichkeit in den von der nsa ausspionierten europäischen -staaten keine konsequenzen geben wird-und dass das ausspionieren danach bald wie gewohnt weiter geht.

  • Sofort beide heftig sanktionieren - wir schmeißen doch dauernd mit sowas für und gegen allesmöglichem um uns.

    European Union



    Consolidated Financial Sanctions List



    This list has been updated on 28/05/2021 18:15



    geht bis - Page 511 on 511

    Und es gibt weitere, nicht nur finanzielle



    eeas.europa.eu/hea...union-sanctions_en

    Übrigens:



    Die Nato und die Europäische Union wollen sich in den aufflammenden Spionageskandal im Zusammenhang mit Publikationen in der deutschen Presse über die dänische „Amtshilfe“ für die USA beim Abhören deutscher Politiker 2012-2014 nicht einmischen.

    „Ich bin über diese Berichte informiert und weiß, dass die einbezogenen Länder versuchen, Fakten festzustellen und sie zur Sprache zu bringen. Die Nato als Organisation bleibt diesem Prozess fern“, erklärte Allianzchef Jens Stoltenberg in Brüssel im Vorfeld einer Sitzung der Verteidigungs- und der Außenminister der Nato.

  • 2G
    29449 (Profil gelöscht)

    Ich hätte da mal eine Frage: Wer war denn da zu diesem Zeitpunkt amerikanischer Präsident???

    Und dann würde mich auch noch interessieren warum man Snowden, der zumindest dabei geholfen hat solche Missstände aufzudecken so Scheiße behandelt???

    Kann es daran liegen, daß der BND und andere Kumpanen es noch doller treiben???

    • @29449 (Profil gelöscht):

      Kann es sein, dass Ihnen da die Krypto AG in den Sinn kommt? Also mir schon. Wenn man im Glashaus sitzt, wird das mit den Steinen problematisch.

  • "Es ist etwas faul im Staate Dänemark!"

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Khaled Chaabouté:

      "Es lebt kein Schurk' im ganzen Dänemark,



      Der nicht ein ausgemachter Bube wär'."