Geheimdienste in Russland: Tschekist als Traumberuf
Eine Anstellung beim FSB halten immer mehr Russen für einen Glücksfall. Zu dem positiven Image hat auch Präsident Wladimir Putin beigetragen.
Die Attraktivität des Dienstes hat sich seit 2001 verdoppelt, ermittelte das russische Meinungsforschungsinstitut FOM im Januar. In 2000 war gerade Wladimir Putin, scheidender FSB-Chef, als russischer Präsident in den Kreml eingezogen.
35 Prozent der Befragten hielten an der Jahrtausendwende einen FSB-Job für erstrebenswert. 34 Prozent begegneten damals dem Geheimdienst noch mit Bedenken. Nach 17 Jahren Putin-Ära sind die Vorbehalte fast verflogen. Nur noch zwölf Prozent hegen Zweifel. Stattdessen halten bereits zwei Drittel der Gesellschaft eine Anstellung im Geheimdienstorden für einen besonderen Glücksfall.
69 Prozent halten die Arbeit der Behörde für prestigeträchtig. Noch mehr schätzt die junge Generation bis 30 Jahre mit 76 Prozent den Dienst.
Gestählter Sportler
Unbestritten, zur wachsenden Beliebtheit des Dienstes trug Wladimir Putin als gestählter Sportler und wachsamer Tschekist bei. Tscheka hieß der Geheimdienst nach der Oktoberrevolution. Als Berufsbezeichnung hat sich der „Tschekist“ für Spione innen wie außen bis heute erhalten.
Das Prestige förderte nicht zu Letzt auch die Propaganda vermeintlicher Bedrohung aus dem Westen. Der Dauerbeschuss aus den TV-Röhren verwandelte Russland in eine belagerte Festung, die sich gegen übermächtige Feinde meint zur Wehr setzen zu müssen.
Auch der Kampf gegen islamistischen Terror – etwas realer als die virtuellen Fantasien westlicher Bedrohung – fördert die positive Sicht auf die Sicherheitsorgane. Nachteil indes, die Gefahr, dass sich der Geheimdienst ins Privatleben einmischen könnte, wird nur noch als zweitrangig betrachtet, meint Grigorij Kertman vom FOM.
Darüber hinaus zeichnen auch Unmengen von Filmen und TV-Serien ein heroisches Bild vom Komitee für Staatssicherheit samt den Vorgängerorganisationen Tscheka und NKWD. Aufopferungsbereite Patrioten überlagern allmählich das Image des Dienstes als Repressionsinstanz.
Sozialer Aufstieg
Ebenfalls nicht zu unterschätzen: Die Biographien von Wladimir Putin und KGB-Mitstreitern laden zur Nachahmung ein. Sie stehen noch für eine Zeit, in der die Mitarbeit in den „Strukturen“ gesellschaftlichen Aufstieg bedeutete.
Wladimir Putin stammte aus ärmlichen Verhältnissen und war nur ein durchschnittlicher Schüler. Gelegentlich räumt er das freimütig ein. „Er hat es geschafft, warum sollten wir es nicht hinkriegen“, sagen sich Jugendliche. Die „Organe“ boten damals soziale Aufstiegsmöglichkeiten. Diese sozialen Lifte sind inzwischen überfüllt.
In der Auseinandersetzung um die Führungsrolle in Staat und Gesellschaft stach der FSB alle anderen staatlichen Agenturen aus. Inzwischen präsentiert er sich als gesamtgesellschaftlicher Kontrolleur, der alles im Griff hat. Weder Beamte noch Geschäftsleute seien Herren ihrer selbst, meint der Politologe Nikolai Petrow im Wirtschaftsblatt Wedomosti.
Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in den 1990ern träumten junge Leute davon, binesmeny – Geschäftsmänner zu werden. Himbeerrote Jacketts waren die Einheitskleidung jener ruchlosen Glücksritter. Zwischendurch sorgte auch mal für Verstörung, dass junge Frauen Liebesdienste auf Valutabasis als Berufswunsch nannten.
Garantierte Nebeneinnahmen
Das änderte sich jedoch mit Wladimir Putin in den Nullerjahren. Seither galt eine Stelle im Staatsdienst, der garantierte Nebeneinnahmen sicherte, als erstrebenswert. Deren Anwärter stiegen auch zu den begehrtesten Bräutigamen auf.
„Hat jemand noch Illusionen über die Zukunft Russlands?“ fragt ein Wedomosti-Leser. Niemand möchte heute noch Kosmonaut oder Wissenschaftler, ja nicht einmal Geschäftsmann oder Bandit werden. Nein, KGBler! klagt der Beobachter. „Was bedeutet Freiheit und Wachstum eigentlich für Euch? Ihr wollt den Sieg der Repression…“
Die Hälfte der von FOM Befragten wünscht den Kindern einen FSB-Job. Schwarzer Humor der Sowjetzeit brachte es schon auf den Punkt: die eine Hälfte sitzt, die andere bewacht.
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