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Geflüchtete in der PandemieAbgehängt

Beratungsstellen können derzeit nur eingeschränkt helfen. Für Geflüchtete wird es so nochmal schwieriger, sich in Deutschland ein Leben aufzubauen.

Hausaufgaben? Zum Haareraufen. Mit geringen Sprachkenntnissen und ohne Hilfe oft sogar unmöglich Foto: Andreas Arnold/dpa

HAMBURG taz | Sheren Mahmed geht jeden Montag zum Mädchentreff von „Fluchtraum Bremen“, einer Beratungsstelle für Geflüchtete. Sie trifft dort Freundinnen, macht ihre Hausaufgaben und bekommt Unterstützung durch die Mit­ar­bei­te­r:in­nen und Ehrenamtlichen – so war es jedenfalls vor der Pandemie.

Der Mädchentreff findet aktuell zwar noch mit Maske und Abstand vor Ort statt, doch Mahmed kann momentan nur zu einem vorher vereinbarten Termin gehen. Und nur für ein kurzes Zeitfenster statt für einen ganzen Nachmittag. Dabei bräuchte sie gerade jetzt mehr Zuwendung.

Denn die Coronakrise macht der 19-Jährigen zu schaffen: Ihr Unterricht findet jetzt online statt. „Das ist schwer für mich. Ich verstehe nicht alles“, sagt sie. Sie habe Angst, den Anschluss zu verlieren, weil sie noch nicht fehlerfrei Deutsch spreche. Mahmed macht eine Ausbildung zur Kinderpflegerin und kam vor vier Jahren aus Syrien nach Deutschland.

Die Sorgen und Ängste der jungen Frauen seien in dieser Zeit noch intensiver, sagt auch Hannah Dehning, Leiterin des Mädchentreffs im Fluchtraum Bremen. Die schlechte Lage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sei verunsichernd. „Wir müssen weiterhin offen bleiben“, sagt sie. Für die jungen Frauen biete man hier einen Schutzraum. „Aber wir haben viele Anfragen und geringe Kapazitäten.“ Und nicht nur beim Mädchentreff, auch in den anderen Beratungstreffen werde man „überrannt“. Die Einrichtung Fluchtraum Bremen hilft bei Jobcenter-Anträgen, Hausaufgaben und dem Verfassen von Bewerbungen, sie bietet aber auch einen Ort des Austauschs.

Kein Internet, keine Ruhe beim Lernen

Dehning ist dankbar, dass nun zumindest Tablets für alle Schü­le­r:in­nen zur Verfügung stehen. Doch insbesondere in den Geflüchteten-Unterkünften gebe es kein gutes Internet und keinen Ort der Ruhe.

Auch in Hamburg gestaltet sich das digitale Lernen für geflüchtete Schü­le­r:in­nen oft schwierig. Berit Hansen organisiert mit der Initiative „Kids Welcome“ Freizeitangebote für Kinder, die in Hamburger Geflüchteten-Unterkünften leben. Ehrenamtliche machen mit den Kindern Sport, spielen, basteln, helfen bei Hausaufgaben und unternehmen Ausflüge. „Das ist jetzt natürlich stark eingeschränkt“, sagt Hansen. Im ersten Lockdown musste man komplett pausieren. Jetzt sei das Programm nach draußen verlegt. Außerdem versuche man, den Kindern über Whatsapp oder Telefonate Nachhilfe zu geben. Doch es mangele an Platz, und die schlechte technische Ausrüstung erschwere das Lernen. „Es macht den Anschein, dass in den Lösungen für Schulen geflüchtete Kinder oft nicht mitgedacht wurden“, sagt Hansen.

Mit dem Vergessenwerden haben aber nicht nur die geflüchteten Kinder zu kämpfen. Weil in den Ämtern der Publikumsverkehr aktuell eingeschränkt ist, würden viele Anträge nur online bearbeitet, erzählt Muhamed Lakmes. Er lebt seit fünf Jahren in Deutschland und arbeitet als Fachinformatiker. Der Syrer war 2018 einer der Mitbegründer des Hamburger Vereins „Angekommen in Deutschland“. Dort geben die Ex-Geflüchteten ihre Erfahrungen ehrenamtlich an die neu Ankommenden weiter. „Wir wissen genau, welche Hilfe benötigt wird und sprechen die Sprachen“, erklärt Lakmes. Er selbst helfe im Projekt „Go Digital“ mit, das die Medienkompetenz bei den Geflüchteten stärken soll. „Die Jugendlichen kommen irgendwie klar. Aber bei den Älteren fehlen oft Grundlagen“, sagt Lakmes. So wird ein virtueller Gang zum Amt schwer.

Das Telefon allein reicht nicht

Lakmes versuche nun, die Menschen online oder telefonisch zu betreuen und helfe dabei, E-Mail-Adressen zu erstellen und Bewerbungen zu schreiben. „Ich habe Hilfe durch Freiwillige bekommen. Jetzt möchte ich das zurückgeben“, erklärt der 27-Jährige seine Motivation. „Es kann sehr überfordernd sein, neu in einem Land zu sein“, sagt Lakmes aus eigener Erfahrung. Hilfsprojekte, die oft durch Ehrenamtliche gestemmt werden, seien ein wichtiger Hebel, um Geflüchtete schneller in die Gesellschaft zu integrieren. Denn fehlende Sprachkenntnisse und Isolation könnten den Integrationsprozess verlangsamen.

Wie wichtig die Hilfen sind, weiß auch Ekkehard Hörner, der sich seit eineinhalb Jahren bei „Kiel Hilft“ engagiert. Der Verein bot vor der Pandemie drei Mal wöchentlich Sprachtreffen an. Außerdem gab es eine Fahrradwerkstatt, Nähkurse und Kochabende. „Der soziale Aspekt steht bei uns im Vordergrund“, sagt Hörner. Nun ist das Gelände des Vereins geschlossen, Hilfesuchende können sich per Telefon und Videokonferenz an die Ehrenamtlichen wenden.

„Vieles haben wir auch ins Private verlegen müssen“, erzählt Hörner. „Im Sommer konnten wir ein Zelt im Hinterhof aufbauen und uns dort mit Abstand treffen. Das geht jetzt nicht mehr.“ Er treffe sich nur ab und zu noch persönlich mit den Menschen, die er betreut. „Manche Dinge kann man nicht am Telefon klären“, sagt er.

Mit Nabil Alim (Name geändert), der seit etwas mehr als einem Jahr in Deutschland lebt, übt Hörner digital Deutsch. Alim kommt aus dem Jemen und hat dort als Englischlehrer gearbeitet. Jetzt hofft er auf eine Anrechnung seines Studiums. „Ich weiß, dass ich zum Unterrichten aber auch gut Deutsch können muss“, sagt Alim. Gerade bringe er sich mit Hörners Unterstützung viel selbst bei, da sein offizieller Deutschkurs nicht stattfinde.

Trotzdem verlangsame sich so sein Lernprozess. „Vor der Schließung bin ich drei Mal die Woche zu den Sprachtreffs von ‚Kiel Hilft‘ gegangen“, erzählt Alim. Durch das zusätzliche Sprechen mit Mut­ter­sprach­le­r:in­nen habe er oft mehr gelernt als im Deutschkurs. Nun befürchtet er, dass er den Deutschkurs nicht rechtzeitig abschließen könne – und somit weniger Chancen auf einen Job habe.

Es sei „katastrophal“, dass so viele Hilfen und Beratungsangebote für Geflüchtete in der Pandemie wegfallen würden, sagt Hörner. Wie so viele Ehrenamtliche bleibt er aber hartnäckig und unterstützt, wo er kann – und dass, obwohl er selbst zur Risikogruppe gehöre: „Natürlich ist gerade alles schwierig. Aber das Zusammenarbeiten mit den Menschen macht mir große Freude. Ich möchte und kann das nicht missen.“

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