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Geflüchtete in PolenMorawieckis Augenwischerei

Kommentar von Gabriele Lesser

Der Ausnahmezustand an der polnischen Ostgrenze zu Belarus ist grundlos. Polens Ministerpräsident spielt sich damit zum Retter auf.

Polnische Soldaten errichten einen Zaun an der Grenze zu Belarus Foto: imago

D as Wort „Ausnahmezustand“ hat in Polen keinen guten Klang. Es erinnert an den Kriegszustand, den der kommunistische General Woj­ciech Jaruzelski am 13. Dezember 1981 über Polen verhängt hatte. Massenverhaftungen, Ausgangssperren, Zensur waren die Folgen. Doch nun – 40 Jahre später – will Polens nationalpopulistische Regierung unter Mateusz Morawiecki von der „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) erneut den Ausnahmezustand verhängen.

Zwar erst mal nur für einen Monat und auch nur in einem drei Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze zu Belarus. Doch er wird wie damals die Bürgerrechte der Polen einschränken, um eine angebliche Gefahr aus dem Osten zu bannen. Angeblich damals, weil Jaruzelski die „sowjetischen Truppen an der Ostgrenze Polens“ als „drohende Gefahr“ brauchte, um sich als großen Patrioten und Verteidiger Polens darzustellen zu können. Jaruzelski wollte an der Macht bleiben.

Die Unterdrückung der Pressefreiheit und der oppositionellen Gewerkschafts- und Freiheitsbewegung Solidarność wurde zur „patriotischen Pflicht“ verklärt. Heute wissen wir, dass Jaruzelski seine Landsleute 1981 schamlos belog. Moskau kämpfte 1981 in Afghanistan und hatte keineswegs die Absicht, in Polen einzumarschieren. Auch heute ist die vielfach von der PiS beschworene „Gefahr aus dem Osten“ nur eine angebliche.

Denn die meisten Migranten, die das Lukaschenko-Regime an die belarussisch-polnische Grenze karren lässt, werden von Polens Soldaten an der Einreise gehindert. Da das Argument wenig glaubwürdig klingt, die Bürgerrechte der Polen einschränken zu wollen, weil an der Ostgrenze Polens knapp 3.000 Menschen gerne einen Asylantrag stellen würden, warnen PiS-Politiker nun noch vor dem russischen Manöver Zapad (Westen). Da könnte es zu „Provokationen“ kommen.

Man wolle niemanden erschrecken, aber da würden Hunderttausende Soldaten vor der Grenze Polens aufmarschieren. Auch die PiS will sich wie einst Jaruzelski nur als „Retter vor der Gefahr aus dem Osten“ aufspielen. Einen echten Grund für die Ausrufung des Ausnahmezustandes in Polen gibt es nicht.

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Auslandskorrespondentin Polen
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3 Kommentare

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  • Das Wort "Ausnahmezustand" hat in keinem Land einen guten Klang. Drei Kilometer sind nicht viel, reichen aber aus um unliebsame Beobachter wie etwa Journalisten abzuhalten. Das ist mutmaßlich das wichtigste Anliegen der polnischen Regierung, die sich immer weiter von der EU und ihren Werten entfernt. Wo soll das enden??

    Natürlich sind Lukaschenkos "Gäste" sein Problem, schließlich hat er ihnen selbst Touristen-Visa verschafft, dann soll er auch für sie sorgen. Polen hat jedes Recht, diese Touristen an der Weiterreise nach Polen zu hindern. Aber das geht auch weniger martialisch und mit sanfteren Methoden.

  • Die 3000 Menschen wollen aber nicht in Polen Asyl beantragen sondern höchstwahrscheinlich nach Deutschland weiterreisen. Ist ja auch nachvollziehbar. Wir waren dieses Jahr mit kurdischen Bekannten aus Berlin mal kurz in Polen und hatten nach 3 Straßen sofort eine Polizeikontrolle. Polen wird in absehbarer Zeit keine muslimischen Geflüchtete aufnehmen wollen und ich würde mir das als Geflüchteter auch gut überlegen. Allerdings haben die Länder auf der Transitroute nach Deutschland kein gesteigertes Interesse Teil dieses Treks zu sein. Deshalb wird abgeschreckt. Um das zu verhindern gibt es ein ganz einfaches Mittel. Deutschland führt einfach direkte Flugverbindungen ein und holt die Geflüchteten aktiv ins Land. Damit wäre Geflüchteten und unseren europäischen Partnern geholfen. Ob das dann allerdings innenpolitisch gut ginge, wage ich zu bezweifeln.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @Šarru-kīnu:

      Würde illegale Fluchtbewegungen über Drittstaaten auch nur unterbinden wenn wirklich jeder der kommen will kommen darf.