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Geflüchtete in DeutschlandKirchenasyl vor dem jüngsten Gericht

Bundesinnenminister Seehofer lädt zur Klärung, wie es mit dem Kirchenasyl weitergehen soll. Die Innenminister der Länder machen Druck.

Unter dem Kreuz: Derzeit gibt es in Deutschland 445 aktive Kirchenasyle mit 674 Personen Foto: dpa

Berlin taz | Der Streit schwelt seit längerem: Wann darf die Kirche einen Flüchtling, der abgeschoben werden soll, in ihre Räume aufnehmen? Vorläufige Klärung soll ein Gespräch am Freitag bei Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bringen. „Wir wollen dafür werben, dass die bestehende Praxis des Kirchenasyls weiter Bestand hat,“ sagt Prälat Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, eine Art Verhandlungsführer der Kirche.

Im Februar 2015 hatten sich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auf ein Verfahren für das Kirchenasyl verständigt. Es regelt bis ins Detail die Abläufe bei Kirchenasylen, von der sofortigen Meldung des Schutzsuchenden bei den Behörden über die Einreichung eines Dossiers bis hin zur nochmaligen Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.

Einigen Bundesländern passte dies nicht: Sie sind zwar für die Abschiebungen zuständig, spielen beim Prüfverfahren aber keine Rolle. Im Dezember protestieren deshalb die Innenminister. Bei ihrer Sitzung in Leipzig stellten sie fest, dass „bei der Anzahl von Kirchenasylen keine grundlegende Verbesserung eingetreten ist“. Soll heißen: Es sind ihnen zu viele. Dies werde „in Teilen der Öffentlichkeit zunehmend kritisch betrachtet“.

Tatsächlich gibt es derzeit 445 aktive Kirchenasyle mit 674 Personen, davon sind 125 Kinder. 375 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin-Fälle, also Menschen, die nicht in ihr Herkunftsland, sondern in einen EU-Staat abgeschoben werden sollen. Diese Zahl sei im Vergleich zur Gesamtzahl der Schutzsuchenden „marginal“, sagt der Prälat Jüsten.

Doch die Innenminister machen schon länger Druck. Mehrfach wurden seit 2016 in Bayern Strafverfahren gegen Pfarrer eingeleitet. Auch in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ermitteln Staatsanwälte gegen Geistliche. Zuletzt musste sich im März ein Pfarrer in Rheinland-Pfalz wegen „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“ verantworten. „Wir sind sehr verwundert, dass es zu diesem Verfahren gekommen ist“, sagte der Sprecher der pfälzischen Landeskirche, Wolfgang Schumacher.

Der politische Druck nimmt zu

Das Oberlandesgericht München hatte Anfang Mai zwar die Praxis des Kirchenasyls grundsätzlich bestätigt. Doch der politische Druck nimmt zu und dürfte auch der Grund für die neue Gangart der Justiz gegen die Pfarrer sein.

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) etwa sagte, die Kirchen hätten sich „auf einen besonders sensiblen Umgang mit dem Instrument verständigt“, doch die Praxis erwecke „den Eindruck, dass dies nicht von allen Gemeinden verinnerlicht wurde“.

Über dem Gespräch am Freitag schwebt die Drohung der von Ländern und Innenministerium, die so genannte Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate zu erhöhen. Das würde die meisten Kirchenasyle faktisch aushebeln. Hintergrund ist, dass die Behörden derzeit sechs Monate Zeit haben, einen Flüchtling in einen anderen EU-Staat zurück zu schieben. Verstreicht diese Frist, darf er sein Verfahren in Deutschland betreiben – es sei denn, er ist untergetaucht. Bislang wertet das BAMF ein gemeldetes Kirchenasyl nicht als untertauchen. Doch das könnte sich ändern, hat das Bundesinnenministerium offenbar angedroht.

Die Kirchen hoffen, dies abzuwenden, indem die Bundesländer stärker am Verfahren beteiligt werden. „Wir wollen in gutem Einvernehmen mit den Ländern sein,“ sagt der Prälat Jüsten.

Doch das wird nicht so einfach. „Wir wollen auf keinen Fall am Kirchenasyl rütteln“, sagt etwa ein Sprecher von Schleswig-Holsteins Innenminister Grote. Die Kirchen sollten bloß „die Vereinbarung einhalten“. Nach Lesart Grotes schließt dies Kirchenasyl vor allem für Dublin-Fälle aus. „Da geht es um Rückschiebungen in demokratische Staaten, das kann ja gar kein Härtefall sein“, sagt Grotes Sprecher.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche besteht hingegen darauf, auch Dublin-Fälle schützen zu dürfen. Teils drohe diesen in Staaten wie Ungarn unmenschliche Behandlung, teils würden durch Dublin-Rückschiebungen Familien auseinander gerissen und häufig drohe eine „Kettenabschiebung“ – etwa erst nach Norwegen und dann weiter nach Afghanistan.

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19 Kommentare

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  • Die Kirchen haben sich selbst auferlegt, Menschen (nur) in humanitär ausweglosen Situationen Kirchenasyl zu gewähren. So jedenfalls verstehe ich die diesbezüglich zugänglichen, auch im Internet, Veröffentlichungen.

    Darüber lässt sich natürlich gut streiten.

    Mit der Gewährung von Kirchenasyl übt der "Hausherr" Hausrecht aus, das die Befugnisse der Behörden nicht bricht. Gleichwohl wird es von den Behörden in der Regel anerkannt, besser, respektiert.

    Das ist meiner Meinung nach auch in Ordnung.

    In der Praxis der Ausländerbehörden ist Kirchenasyl, es mag ja "Spitzen" geben, nun wahrlich im Ergebnis kein Ausschlag gebendes Hindernis bei der Rechtsdurchsetzung (Ausreise). Da wird ein Scheingefecht inszeniert. Viel schlimmer ist m.E., dass es immer schwieriger geworden ist, vergleichsweise schwere Stratäter auch nur zeitweise (zB für ein Jahr) abzuschieben.

  • Von mir aus darf jeder Verein so viele Menschen hier beschäftigen und ihnen ein Leben ermöglichen, wie er will.

     

    Es kostet ja niemanden, der nicht im Verein ist, etwas.

     

    Ist für mich eher die Frage, inwieweit das steuerlich absetzbar sein sollte, bevor Daimler oder die Deutsche Bank auf komische Ideen kommen.

  • So sehr ich ein Verfechter eines liberalen Migrations- und Asylrechts bin, so sehr bin ich auch gegen Sonderrechte für die Kirchen.

     

    Warum gibt es ein "Asyl" durch den örtlichen Musikverein nicht genauso wie bei den Kirchen?

     

    Recht sollte blind sein vor der Religion und der Kirche!

    • @megatherium:

      Welches Sonderrecht? Welcher Paragraph. Es gibt kein Sonderrecht. S gibt lediglich mündige Bürger. Auch in Kirchen

  • 8G
    80336 (Profil gelöscht)

    Mögen die Geistlichen der betrügerischen Rede der Rotwelschen standhalten wie einst der Glöckner von Notre-Dame. Werden sie doch auf taube Ohren stoßen bei der Meute, die Barmherzigkeit gegenüber einem Menschen in Not als "rechtsfreien Raum" kriminalisieren möchte, selbst dann, wenn sie darauf hingewiesen wird, dass das Kirchenasyl zu den ersten kulturellen Errungenschaften der Menschheit gehörte, und Eingang in nahezu alle Kulturen gefunden hatte.

  • Wie wäre es bei einem Moschee-Asyl?

  • Warum werden eigentlich nur Ausländer ins Kirchenasyl genommen? Wie wäre es, einheimische GEZ-Verweigerer, Schwarzfahrer oder Container (also die Leute, die Nahrungsmittel aus dem Müll fischen) vor dem Zugriff der Justiz zu bewahren?

     

    Oder ist das nicht christlich genug?

    • @Frank Erlangen:

      Ganz einfach deswegen, weil die nicht um Asyl bitten?

       

      Kirchenasyl ist halt auch nicht rechts genug (GEZ-Verweigerer) und wohl auch nicht links genug.

       

      Und der Schwarzfahrer wird wahrscheinlich wegen 50 Euro auch nicht wochenlang in einer Kirche rumhängen wollen, wenn zu Hause die Kinder plärren oder ein Fußballspiel läuft.

      • @Rudolf Fissner:

        LOL, der war gut! :-))

  • Hat Milos Zeman mit folgender Feststellung wirklich Recht, frage ich mich:

     

    ‚Falls Sie in einem Land leben,

    in dem Sie für das Fischen ohne Angelschein bestraft werden, jedoch nicht für illegalen Grenzübertritt ohne gültigen Reisepass, dann können Sie getrost sagen, dieses Land wird von Idioten regiert.‘

    • @Nikolai Nikitin:

      Ich denke, der "Seemann" übertreibt. (In der Regel) Ordnungswidrigkeit gegen Straftat aufwiegen wollen, das finde ich lachhaft. So adressiert man doch Vergleiche nur an schlichte Gemüter.

      Im Übrigen muss man bei dem s.g. illegalen Grenzübertritt zwischen den in der Praxis vorkommenden Erscheinungen (Fallgestaltungen) unterscheiden.

      So ist es auch nach internationalem Recht statthaft, dass man sein leben (gegen die Regeln ohne Visum und Pass) in Sicherheit bringt.

      Dass man sich darauf konzentriert, dass das Einreisen ja ach so schändlich ist, das zeigt doch nur den Mangel bei der Durchsetzung der Ausreise. Da muss sicherlich noch mehr getan werden.

      • @Gerhard Krause:

        Die Menschen, die ohne Pass über Deutschlands Grenzen immigrieren, retten nicht ihr Leben, denn sie kommen ausnahmslos aus sicheren Herkunftsländern.

        • @Nikolai Nikitin:

          Das ist dabei nun nicht der Punkt. Der Grenzübertritt wird durch das Asylanliegen etwa legitimiert. Will man daran festhalten, und ich meine man muss, wird man Lügner weiterhin begünstigen, weil man sie vorher nicht "enttarnen" kann.

          Bevor ich abschweife, Fingerabdrücke im Ausland nehmen und speichern und hierher übermitteln pp., konsequente Rückführung, Versagung von Aufenthaltstiteln, enger gefasste Vorschriften sind sicherlich effektiver.

  • Gibt es gar nicht!

     

    Es gibt kein "Kirchenasyl".

    Denn die Kirche ist kein rechtsfreier Raum. Und sie darf es auch nicht sein.

    ...

    • @Hartz:

      War es auch nie. Aber Gesellschaft wird nicht allein durch Gesetze geregelt.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Würde die Polizei wohl auch auf den Fußabtretern vor buddhistischen Zentren halt machen?

        • @61321 (Profil gelöscht):

          Natürlich. Warum nicht?

  • Bei der Abschaffung des Kirchenasyls gleich auch die Kirchensteuer abschaffen.

  • Seitdem einige Flüchtlinge, welche Lettland zugeteilt waren, ihre dortigen Arbeitsstellen aufgegeben hatten, um es in Deutschland zu versuchen, und sie aufgrund von Kirchenasyl nicht innerhalb der vorgeschriebenen sechs Monate zurück nach Lettland geschickt werden konnten, bin ich für die Abschaffung von Kirchenasyl. Entweder gelten rechtsstaatliche Entscheidungen für alle, oder es backt halt jeder seine eigenen Brötchen. Dann braucht man aber Steuerasyl in Liechtenstein auch nicht mehr zu verfolgen