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Geflüchtete aus der UkraineZwischenstation Berlin

In Berlin kommen weiterhin Tausende Ukrai­ne­r:in­nen an. Helfende organisieren Tickets für die Weiterfahrt, in der Hauptstadt bleiben wird schwieriger.

Erleichterung am Hauptbahnhof Berlin: eine Frau begrüßt ein Mädchen aus der Ukraine Foto: Annegret Hilse/reuters

Berlin taz | Für die ukrainischen Flüchtenden ist der Berliner Hauptbahnhof in Deutschland der erste Anlaufpunkt. Nach Schätzungen der Senatsverwaltung kommen derzeit täglich zehntausend Menschen dort an.

Die Deutsche Bahn setzt Sonderzüge ein, die mehrmals am Tag zwischen der polnischen Grenze und Berlin pendeln. Dazu verkehren regulär Eurocity-Züge zwischen Warschau und Berlin. In einem von ihnen sind auch Chad und sein Freund Beni das letzte Stück bis nach Deutschland gekommen. Vor sieben Tagen sei er in Ternopil im Westen der Ukraine aufgebrochen, einen Teil der Strecke bis nach Polen seien sie zu Fuß gegangen. Chad stammt aus dem Kongo und lebte zum Studieren in der Ukraine. Er spricht langsam und leise. Wie fast alle Ankommenden ist ihm die Erschöpfung deutlich anzusehen.

Tickets zur Weiterfahrt sind kostenlos

Viele Menschen sitzen im Berliner Hauptbahnhof auf ihren Koffern, ruhen sich aus oder schauen auf ihre Handys. Sie halten ihre Kinder im Arm oder kümmern sich um die Katzen und Hunde, die sie in kleinen Transportboxen mitgebracht haben, während sie auf die Weiterfahrt warten.

Im Untergeschoss des riesigen Bahnhofs haben Freiwillige innerhalb weniger Tage eine Ankunftsstation für die Flüchtenden eingerichtet. Sie verteilen Lebensmittel und frische Kleidung, Kinderspielzeug, Sim-Karten und Coronatests. Es gibt Informationsstände für BPoC und LGBTQI*-Menschen. Die Deutsche Bahn verteilt an einem Schalter kostenlose Tickets zur Weiterfahrt innerhalb Europas an ukrainische Fahrgäste. Zwischen den sichtlich erschöpften Menschen laufen Hel­fe­r*in­nen in roten und gelben Warnwesten durch die Menge. Die Hilfsaktion in Berlin wird über Telegram- und Facebookgruppen koordiniert, einen zentralen Ansprechpartner gibt es nicht.

„Ich bin einfach gekommen und wollte helfen“, erzählt Michele Trincia. Der 66-jährige Unternehmer habe am Sonntag drei Ukrainerinnen von der polnischen Grenze mit seinem Privatauto abgeholt und zum Berliner Hauptbahnhof gebracht. Seitdem sei er hier, geschlafen habe er nicht. „Wir sprechen die Menschen an und helfen ihnen, das Ticket für die Weiterfahrt zu holen“, sagt er. Viele würden weiterreisen in andere Städte in Deutschland, wo sie Verwandte oder Bekannte haben. Einige wollen auch weiter Richtung Westen, nach Paris zum Beispiel.

Unterkünfte werden über Messengerdienste vermittelt

Während er erzählt, winkt er einen Mann mit einer Krücke zu sich und deutet auf einen Campingstuhl, der neben ihm steht. Er fragt ihn auf Russisch, wie er helfen kann. Der Mann deutet auf sein Knie. Seit Mittwoch seien sein 14-jähriger Sohn und er unterwegs, von Kiew aus über die Slowakei nach Deutschland. Er sei auf der Flucht immer wieder hingefallen und habe Schmerzen. Ein weiterer Helfer kommt hinzu und holt das Rote Kreuz, es geht eine Weile hin und her.

Etwas später erzählt Trincia, der Mann habe niemanden, bei dem sein Sohn und er jetzt aufgenommen werden könnten. Er habe ihnen gesagt, dass sie dann weiterreisen müssten, „Berlin ist voll“. Wohin, das solle er für sie aussuchen, habe der Mann geantwortet. Während Trincia erzählt, schluckt er mehrmals, seine Stimme stockt. „Die Züge sind voll mit Leuten, die wie er tagelang im Keller gewohnt haben, nicht geduscht haben, nichts gegessen haben. Das kann man sich nicht vorstellen.“

Die Berliner Senatssozialverwaltung hatte am Montag auf Twitter vermeldet, dass alleine am Sonntag mehr als 13.000 Menschen aus der Ukraine nach Berlin gekommen seien, Samstag kamen nach Angaben der Senatsverwaltung rund 11.000 Menschen mit Bus und Bahn nach Berlin. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte vor einer Woche mit 20.000 Geflüchteten gerechnet. Nach Giffeys Angaben sollen Ukraine-Flüchtlinge in der Hauptstadt auch in Hotels unterkommen, Viele Hotels böten freiwillig Hilfe an.

Wer in Berlin bleibt, wird von den Hel­fe­r*in­nen zum Busterminal oder zu den Treffpunkten mit Angehörigen oder Bekannten begleitet. Auch die Unterkünfte werden teilweise über den Messengerdienst Telegram vermittelt. So sind auch Roxy und John auf die Aktion aufmerksam geworden. Das Paar aus Brandenburg wartet am Aufgang zu den Gleisen auf eine Frau und deren zwei Kinder, die sie bei sich aufnehmen wollen. „Sie hat in einer Gruppe geschrieben, dass sie etwas sucht, und dann haben wir uns einfach gemeldet“, erzählt John.

Sein eigener Vater und seine Brüder lebten auch in der Ukraine, können aber nicht ausreisen. Sie hätten immerhin ihren Heimatort Kiew in Richtung Westen verlassen können, erzählt der 27-Jährige. Vier Tage lang habe er nichts von ihnen gehört, bis sie sich schließlich gemeldet und vorerst Entwarnung gegeben hätten: „Alles okay.“ Mit selbst geschmierten Brötchen, Trinkpäckchen und einem Puzzle für die Kinder unterm Arm warten sie nun, bis der Zug aus Polen ankommt.

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