Geflüchtete Frauen in Hamburg: Schutzraum vor dem Aus
Die einzige Hamburger Unterkunft für geflüchtete Frauen mit ihren Kindern soll in drei Monaten schließen. Wo die Schutzbedürftigen in Zukunft hin sollen, ist noch unklar.
Daniel Posselt, Sprecher des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge, mag die bevorstehende Schließung noch nicht bestätigen, wohl aber, dass sie Thema ist: „Wir sind in der Abstimmung, stehen kurz vor einer endgültigen Entscheidung.“ Die ist nach Informationen der taz nur deshalb noch nicht auch offiziell gefallen, weil es noch keine Antwort auf die Frage gibt, wo die heute am Kaltenkircher Platz lebenden oder künftig noch in Hamburg eintreffenden geflüchteten Frauen mit ihren Kindern untergebracht werden sollen.
Bis eine Lösung gefunden ist, hält sich der zuständige Koordinierungsstab offenbar bedeckt. Denn der Bedarf an einer speziellen Schutzeinrichtung für weibliche Flüchtlinge ist unbestritten. Als die Schutzeinrichtung am Kaltenkircher Platz vor fast zwei Jahren eröffnet wurde, lobten Politik und auch Flüchtlingsinitiativen die neue Einrichtung. Separate Wohnungen gaben den Frauen Privatsphäre, ein geschützter Innenhof lud die Kinder zum Spielen ein. Damit aber könnte es jetzt vorbei sein.
Da die bevorstehende Schließung in den vergangenen Wochen durchsickerte, aber nicht offiziell bestätigt wurde, sind die BetreuerInnen der Einrichtung verunsichert, wie es weiter geht. Anfang Dezember übernimmt ein neuer Träger die Einrichtung. Das Deutsche Rote Kreuz, das die Flüchtlingsherberge bislang betrieb, übergibt die Einrichtung an Fördern & Wohnen. Heißt die Aufgabe des neuen Trägers nun nur noch: abwickeln?
Daniel Posselt, Sprecher des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge
Weil weniger Flüchtlinge ankommen, schließen immer mehr Erstaufnahmen wie die an der Schnackenburgsallee. Diese wurde Anfang September geschlossen. Auch die Schutzunterkunft am Kaltenkircher Platz sei nicht immer ausgelastet gewesen, heißt es aus der Behörde.
MitarbeiterInnen der Einrichtung betonen, vor einigen Wochen seien kurzfristig ganz viele Frauen innerhalb weniger Tage ohne erkennbaren Grund in andere Einrichtungen verlegt worden. Die nur in den Folgetagen geringe Auslastungsquote werde nun dazu missbraucht, zu behaupten, die Einrichtung sei überdimensioniert und damit zu teuer. „Es geht darum, Kosten zu sparen“, vermutet die Bürgerschaftsabgeordnete der Linken, Christiane Schneider. Schneider kann „kein einziges fachliches Argument für die Auflösung der Einrichtung“ erkennen.
Währenddessen überlegen Innen- und Sozialbehörde zusammen mit dem Zentralen Koordinierungsstab, wo und wie die Frauen mit ihren Kindern untergebracht werden können.
Umfangreiches Schutzkonzept
Sie sollen, auch wenn viele von ihnen ausreisepflichtig sind, in Zukunft gleich in einer Folgeeinrichtung untergebracht werden. Das würde den Frauen die Möglichkeit geben, für sich und ihre Kinder selber zu kochen und der Stadt die teuren Catering-Kosten einsparen. Klar ist auch: Anders als bei anderen Folgeeinrichtungen soll es für die neue Heimat für schutzbedürftige Mütter und Kinder ein umfangreiches Schutzkonzept geben – mit Bewachung durch eine Security Firma rund um die Uhr.
Schneider befürchtet „katastrophale Folgen für viele Betroffene, die aus ihrer Alltagsumgebung herausgerissen werden und ihren Schutzraum verlieren“. Es müsse umgehend geklärt werden, wie ihr Schutz und ihre Unterstützung bei der Verarbeitung der oft furchtbaren Gewalterfahrungen in ihrem Herkunftsland und auf der Flucht zukünftig gewährleistet werde.
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