Gefechtsfeuer in Sudans Hauptstadt: Dutzende Tote nach Gefechten
In Sudan eskaliert die Gewalt zwischen Militär und paramilitärischen Kräften. Die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg wächst.
Von den seit Samstag andauernden Kämpfen betroffen sind die Hauptstadt Khartum und andere Gebiete wie die Region Darfur und die Stadt Merowe. Der schon länger eskalierende Konflikt hat in Sudan zuletzt Angst vor einem neuen Bürgerkrieg aufkommen lassen.
Am Sonntagmorgen wurden schwere Kämpfe aus Khartum und der angrenzenden Stadt Omdurman gemeldet. Die prominente Menschenrechtlerin Tahani Abass sagte, es gebe Gefechte am Militärhauptquartier, dem Internationalen Flughafen und dem Sitz des staatlichen Fernsehens. Beide Seiten lieferten sich Schusswechsel in den Straßen, auch in Wohngebieten herrsche Krieg, sagte sie der Nachrichtenagentur AP, während im Hintergrund Gewehrfeuer zu hören war.
Kampfflugzeuge des Militärs beschossen Stützpunkte der RSF in Khartum. Beide Seiten erklärten, die Kontrolle über strategische Punkte in der Hauptstadt und andernorts im Land zu haben. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Für den Ausbruch der Kämpfe machten sich Militär und RSF gegenseitig verantwortlich.
Übergang zu einer Zivilregierung verhindert
Am Samstagabend signalisierten die Kampfparteien, dass sie zu keinen Verhandlungen bereit seien. Militärchef Abdel Fattah Burhan forderte die Auflösung der RSF und sprach von einer Rebellenmiliz. RSF-Chef Mohammed Hamdan Dagalo schloss im Satellitensender Al-Arabija Verhandlungen aus und forderte Burhan auf, sich zu ergeben.
Der diplomatische Druck auf die Kampfparteien wuchs unterdessen. Der UN-Sondergesandte für den Sudan Volker Perthes, US-Außenminister Antony Blinken, UN-Generalsekretär António Guterres, der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, der Leiter der Kommission der Afrikanischen Union Moussa Faki Mahamat und der Chef der Arabischen Liga Ahmed Abul Gheit forderten ein Ende der Kämpfe. Auch Außenministerin Annalena Baerbock hat ein Ende der Kämpfe in Sudan gefordert. „Beide Seiten müssen die Kampfhandlungen einstellen und weiteres Blutvergießen verhindern“, erklärte die Grünen-Politikerin am Sonntag im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Mitglieder des Weltsicherheitsrats verlangten ebenfalls eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und eine Rückkehr zum Dialog. Auch arabische Staaten mit wirtschaftlichen Beziehungen zum Sudan – Katar, Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – riefen zu einer Waffenruhe und zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch auf.
Die Spannungen zwischen dem Militär und der berüchtigten RSF sind in den vergangenen Monaten eskaliert und haben zur Verschiebung der Unterzeichnung eines Abkommens für den Übergang zu einer Zivilregierung in Sudan geführt.
Ein erster Versuch des Übergangs zu einer zivilen Regierung wurde im Oktober 2021 mit einem von General Burhan angeführten Putsch beendet. Die Verschiebung des neuen Anlaufs erfolgte Anfang April in einer Phase, in der Verhandlungen für eine Reform der Sicherheitskräfte zwischen dem Militär und den Schnellen Unterstützungskräften offenbar in einer Sackgasse angelangt waren. Deren Ziel war die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte. Der Streit darüber mit dem Militär blockiert das Übergangsabkommen.
Angst vor einem neuen Bürgerkrieg
Der von Burhan gestürzte frühere Ministerpräsident Abudallah Hamdok warnte vor einem größeren Konflikt. „Schüsse müssen sofort aufhören“, sagte er in einer über Twitter verbreiteten Video-Botschaft.
Zahlreiche Mitglieder der RSF gehörten einst der Dschandschawid-Miliz an, die den Aufstand in der Krisenregion Darfur niederschlug und dabei nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen Kriegsverbrechen verübte. Ihr Chef Dagalo ist noch vom langjährigen sudanesischen Machthaber Omar Al-Baschir ernannt worden. Al-Baschir wurde im April 2019 nach einem Volksaufstand vom Militär gestürzt. Seitdem ist der ehemalige Präsident, der vom Internationalen Strafgerichtshof wegen des Darfur-Konflikts gesucht wird, in Khartum inhaftiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!