Sudan nach dem Militärputsch: Der Widerstand wächst
Das Militär ist nach seiner Machtergreifung weitgehend isoliert. Die Demokratiebewegung ist zuversichtlich, General Burhan in die Knie zu zwingen.
Am Montag hatte General Abdel Fattah al-Burhan, bisher der faktische Staatschef des Landes an der Spitze eines „Souveränitätsrats“, die zivile Übergangsregierung für aufgelöst erklärt, die seit August 2019 Sudan regiert und zu freien Wahlen führen soll. Der zivile Premierminister Abdalla Hamdok wurde festgenommen, ebenso andere zivile Minister.
Der faktische Militärputsch ist international breit verurteilt worden und hat zu ersten Streichungen von Finanzhilfen geführt. Am Donnerstag verlangte der UN-Sicherheitsrat auf einer Dringlichkeitssitzung die „Wiedereinsetzung einer von Zivilisten geführten Übergangsregierung“ – eine Kompromisslösung, nachdem Russland eine ausdrückliche Forderung nach Wiedereinsetzung der gestürzten Regierung abgelehnt hatte.
Die größte Herausforderung für die Generäle kommt von innen. Seit Montag geht die Demokratiebewegung, die 2019 mit Massenprotesten den Sturz des Langzeitdiktators Omar Hassan al-Bashir erzwungen hatte und sich nun um die Früchte ihrer „Revolution“ betrogen sieht, wieder gegen die Restauration der Militärherrschaft auf die Straße.
Barrikaden aus Steinen
Behörden, Universitäten, Schulen, Märkte, Banken und die meisten Geschäfte in Khartum und anderen Städten sind als Zeichen des Protests geschlossen. Jugendgruppen haben zahlreiche Straßen mit Barrikaden aus Steinen abgeriegelt, um der Armee die Bewegungsfreiheit zu nehmen. Eine Kampagne von Streiks, Nachtwachen und Straßenversammlungen soll am Samstag mit einer Großkundgebung von einer Million Menschen in Khartum ihren Höhepunkt erreichen.
Unterdessen scheint die Lage täglich zu eskalieren. Übereinstimmenden Berichten zufolge kam es am Donnerstagabend zu schweren Übergriffen der Armee in einem nördlichen und einem östlichen Vorort von Khartum. Soldaten setzten Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, als Demonstranten sich der Räumung von Straßensperren widersetzten. Sieben Tote sind bestätigt, was die Gesamtzahl der bestätigten Opfer unter den Demonstranten seit Montag auf 11 Tote und rund 170 Verletzte erhöht. Die wirklichen Zahlen könnten höher sein.
Viele Stimmen in der Protestbewegung zeigen sich zuversichtlich, dass Burhans Putsch scheitern wird. Nicht nur arbeiten manche zivile Ministerien weiter und stellen sich gegen das Militär. Auch 68 sudanesische Diplomaten im Ausland haben sich mit der gestürzten Regierung solidarisch erklärt, darunter Sudans Vertreter bei UNO und EU, in den USA und China.
Ein erstes Zeichen, dass das Militär zurückrudert, gab es am Freitag: General Burhan gab bekannt, er habe dem mittlerweile in sein Haus zurückgekehrten abgesetzten Premier Hamdok angeboten, sein Amt wieder zu übernehmen. Hamdok soll das abgelehnt haben: Die Protestbewegung will keine Rückkehr zur zivil-militärischen Machtteilung mehr, sondern eine rein zivile Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt