Geberkonferenz für Afghanistan: Taliban senden ein Signal aus Kundus
Pünktlich zur Konferenz in Brüssel gab es einen Angriff auf die nordafghanische Stadt. Die Taliban wurden am Dienstag zurückgedrängt.
„Wir haben mehrere Plätze zurückerobert“, sagte Polizeichef Kasim Dschangalbagh laut Reuters. Die Taliban erklärten dagegen in Internetportalen, ihre Kämpfer seien weiter in der Stadt. Montagfrüh gegen zwei Uhr waren die Taliban aus vier Richtungen vorgedrungen. Sie drangen in kleinen Kommandos über Wohnviertel, in denen sie die Bevölkerung als menschliche Schutzschilde benutzt haben sollen, bis ins Zentrum der Stadt vor. Über Opfer gibt es noch keine halbwegs verlässlichen Angaben.
Die Taliban hatten schon vor einem Jahr in einer Blitzoffensive Kundus, wo bis Ende 2013 die Bundeswehr stationiert war, überraschend für knapp zwei Wochen eingenommen. Bei der Rückeroberung bombardierte die US-Luftwaffe ein Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen. 42 Menschen starben. Im April scheiterte ein weiterer Versuch der Taliban, die Stadt einzunehmen.
Jetzt ging es wohl weniger um die Eroberung von Kundus als vielmehr um ein Signal. Denn am Mittwoch findet in Brüssel eine internationale Afghanistan-Geberkonferenz statt, bei der die Regierung mit ihren internationalen Unterstützern um eine Fortsetzung der Hilfe verhandelt.
Kabul hofft auf Zusagen im Umfang von drei Milliarden Dollar pro Jahr bis 2020. Von der Konferenz, der schon am Dienstag Gespräche vorangingen, sollte eigentlich ein positives Signal ausgehen. Dem setzten die Taliban jetzt ihre Botschaft entgegen.
Bereits am Sonntag hatte sich die EU-Kommission mit Afghanistans Regierung auf die Rücknahme für in Europa nicht als asylberechtigt anerkannte Afghanen geeinigt. Die EU sagte Kabul auch weitere 200 Millionen Euro zu.
Ob diese an Bedingungen zur Rücknahme von Flüchtlingen gebunden sind, wollte die Kommission nicht sagen. Entsprechende Berichte wurden aber auch nicht dementiert. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sieht die Vereinbarung unter dem Titel „Gemeinsamer Weg nach vorne bei Migrationsfragen“ die „Rückführung“ von bis zu 80.000 afghanischen Flüchtlingen vor.
Über die genaue Zahl wurde offenbar noch bis zum Schluss gefeilscht. Offiziell sind Entwicklungshilfe und Flüchtlingspolitik strikt voneinander getrennt. Seit dem Türkei-Deal versucht die EU zunehmend, Finanzhilfen von der Rücknahme unerwünschter Flüchtlinge abhängig zu machen. Dies sei „eine Form der Erpressungspolitik in neokolonialer Manier“, sagte der Südasien-Referent von medico international, Thomas Seibert.
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