Gaza-Protest in Großbritannien: Massenfestnahmen in London
Bei einer gewaltfreien Demonstration in London gegen die Einstufung von „Palestine Action“ als terroristisch werden über 400 Personen festgenommen.

Bei „Palestine Action“ handelt es sich um eine von der britischen Regierung im Juni als terroristisch eingestufte Gruppe. Wer sie unterstützt, macht sich strafbar. Und so nahm die Londoner Polizei (Met) unter Berufung auf das britische Antiterrorgesetz insgesamt 466 Personen fest, darunter auch Senior:innen. Die meisten Festgenommenen saßen auf dem Boden – wer nicht freiwillig aufstand, wurde weggetragen, während andere „Schämt euch!“ an die Adresse der Polizei skandierten. Acht weitere Personen wurden zusätzlich aus anderen Gründen festgenommen, darunter fünf wegen Angriffen auf Polizeibeamte.
In Polizeigewahrsam behalten wurden lediglich Personen, die sich nicht ausweisen wollten, alle anderen wurden nach Angaben der Polizei unter Bewährungsbedingungen wieder freigelassen. Inwiefern eine Anklage folgt, ist nun Sache der Staatsanwaltschaft, hieß es weiter. Für Verstöße gegen das Antiterrorismusgesetz gilt ein Strafmaß von bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug. Auch einige VIPs befanden sich unter den Versammelten, darunter Bianca Jagger, die allerdings kein Plakat zeigte.
„Palestine Action“ hat seit 2020 und verstärkt seit 2023 Unternehmen und Einrichtungen in Großbritannien angegriffen, denen sie vorwerfen, mit dem israelischen Militär zusammen für die Unterdrückung von Palästinser:innen verantwortlich zu sein. Teils waren es Angriffe mit roter Farbe, aber auch Eindringen und Zerstörung von Büros und Arbeitsräumen. Wiederholt wurde dabei Elbit Systems aufgesucht, ein israelisches Rüstungs- und Technologieunternehmen, aber auch das französische Unternehmen Thales.
Einstufung als „terroristisch“ von Anfang an umstritten
Nachdem Aktivist:innen der Gruppe im Juni in den Militärflughafen Brize Norton in Oxfordshire eingedrungen waren und dort die Triebwerke von zwei britischen Tankflugzeugen mit roter Farbe bespritzten, wurde die Gruppe schließlich als terroristisch eingestuft.
Diese Entscheidung war von Anfang an umstritten und wird rechtlich durch die Gruppe „Defend our Juries“ (DOJ) hinterfragt. Am 30 Juli gewannen DoJ-Anwälte das Recht, die Einstufung anzufechten. Sie halten das Verbot für überzogen – nur drei von mindestens 385 Aktionen von „Palestine Action“ kämen in die Nähe der britischen Terrorismus-Definition. Eine Anhörung ist für November geplant.
Letzte Woche wurden die ersten drei Personen wegen der verbotenen Unterstützung von „Palestine Action“ bei einem Protest am 5 Juli angeklagt, 200 weitere wurden auf vorherigen Demonstrationen festgenommen.
Als die britische Innenministerin Yvette Cooper das Verbot der Organisation ankündigte, unterstrich sie, dass das Recht auf friedlichen Protest unangetastet bleibe und auch für propalästinensische Gruppen gelte. Sie begründete das Verbot mit Hinweis auf durch die Gruppe verursachte Schäden in Millionenhöhe. Britische strategische Sicherheitseinrichtungen und die Öffentlichkeit seien gefährdet worden, was die Gruppe noch dazu gefeiert habe. Bezüglich der Massenfestnahmen vom Samstag bemerkte Cooper, „nur ein sehr kleiner Teil der Leute“ habe gegen Gesetze verstoßen.
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