Gastkommentar zur Krise in Venezuela: Nullen zu streichen, ändert nichts
Geldscheine zu verändern, wird an der Inflation Venezuelas nichts ändern. Ausschlaggebend ist Vertrauen und das ist schon verloren gegangen.
S toppt das Streichen von ein paar Nullen auf dem Geldschein, wie jetzt in Venezuela geschehen, eine Hyperinflation? Die Antwort ist klar: nur auf dem Papier. Solange nicht gleichzeitig garantiert ist, dass die Zentralbank unabhängig von der Regierung agieren kann, ist es nur eine Frage der Zeit, bis erneut Nullen weggestrichen werden müssen.
Der Grund hierfür ist, dass Regierung und Zentralbank den Wert eines bedruckten Stücks Papiers – nennen wir es Geld – nicht direkt steuern können. Preise in einer Ökonomie werden von den Firmen gesetzt, Löhne von den beteiligten Parteien verhandelt. Vertrauen alle darauf, dass der Wert des Geldes beziehungsweise die Preise stabil bleiben, werden sie Preise und Löhne nicht erhöhen. Haben sie dieses Vertrauen nicht, dann werden sie die Löhne und Preise erhöhen.
Das zentrale Wort ist hier Vertrauen. Vertrauen, dass die Zentralbank im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles unternimmt, um den Wert des Geldes zu erhalten. Dabei kann die Zentralbank in einen Zielkonflikt mit der Regierung geraten: Letztere bevorzugt in der Regel eine lockere Geldpolitik mit niedrigen Zinsen, um durch günstige Kredite die Wirtschaft zu stimulieren und gleichzeitig günstig ein Haushaltsdefizit zu finanzieren. Um aber Preisstabilität zu garantieren, muss die Zentralbank die Zinsen erhöhen können. Damit die Regierung die Zentralbank nicht zu niedrigen Zinsen zwingen kann, muss die Zentralbank unbedingt und ohne jeden Zweifel unabhängig sein.
Andernfalls verlieren die Marktakteure das Vertrauen in die Stabilität des Geldes und setzen immer wieder höhere Preise und Löhne fest. Genau das ist in Venezuela passiert. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sollte sich den Anfang der Hyperinflation in Venezuela genau anschauen, denn sie begann mit der Beschneidung der Unabhängigkeit der Zentralbank durch den damaligen Präsidenten. Verfolgt Erdoğan seine Politik weiter, ist es nur eine Frage der Zeit, bis in der Türkei auch Nullen weggestrichen werden müssen.
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