Galerien nach der Wiedereröffnung: Möglichst keimfrei zur Kunst
Gemeinsam mit dem Einzelhandel konnten die Berliner Galerien wieder öffnen. Eine erste Kunsttour durch Kreuzberg.
D er erste Galeriebesuch seit dem Lockdown beginnt mit einem Schild. An der Eingangstür zu Thomas Schulte hängt es und weist Besucher*innen darauf hin, nur mit Mund-Nasenschutz einzutreten, sogleich die Hände zu desinfizieren und überhaupt sich maximal zu zweit – plus Galeriepersonal – in den Räumen aufzuhalten. So fühlt es sich an, das neue Normal in den Kunsträumen der Stadt: möglichst keimfrei und ziemlich ruhig.
Was den bei Thomas Schulte ausgestellten, fantastisch komponierten fotografischen Werken Robert Mapplethorpes freilich eher zugute kommt. Erstmals komplett in Berlin zu sehen sind seine „XYZ Portfolios“ und darüber hinaus weitere Fotografien Mapplethorpes, ausgewählt vom Theaterregisseur Robert Wilson.
In den vergangenen Wochen hatte Thomas Schulte wie alle anderen Galerien der Stadt geschlossen, nun sind es die ersten unter den Kulturorten, die gemeinsam mit dem Einzelhandel in der vergangenen Woche öffnen konnten. Manche taten das sofort, andere folgen bald.
Bald wäre Gallery Weekend
Ohne Corona befänden wir uns eigentlich gerade in der heißesten Phase des Berliner Kunstkalenders: Am kommenden Wochenende wäre Gallery Weekend. Das ist längst in den September verschoben. Was stattdessen jetzt stattfindet, ist ein vorsichtiges Herumprobieren. Was geht? Was nicht? Was tun, wenn zu viele gleichzeitig kommen?
Thomas Schulte, Charlottenstr. 24, dienstags bis samstags 12 bis 18 Uhr, bis 9. Mai
Thomas Fischer bei Soy Capitán, Prinzessinnenstr. 29, donnerstags bis samstags 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung, bis 30. Mai
Barbara Weiss, Kohlfurter Strasse 41/43, dienstags bis samstags 11 bis 18 Uhr, bis 16. Mai
Die Gefahr ist vermutlich nicht so groß. Normalerweise gibt man sich in den Galerien auch nicht gerade die (jetzt natürlich noch besser gereinigte) Klinke in die Hand und große Eröffnungen oder andere Veranstaltungen plant logischerweise niemand. Immerhin bin ich nicht überall die einzige Besucher*in.
Die König Galerie hat sogar ein Ticketsystem für 30-minütige, kostenlose Ausstellungbesuche installiert. Ob als Marketingmaßnahme oder aus tatsächlicher Notwendigkeit sei dahingestellt, ausgebucht ist es jedenfalls bis zum 25. Mai. Interesse ist da, ob daraus gute Geschäfte erwachsen, muss sich noch herausstellen.
Ohne Begegnung geht es nicht
Die Kunst, das haben die vergangenen Wochen mehr denn je gezeigt, lebt von Begegnungen, von Begegnungen mit der Kunst, aber auch mit Menschen. Zum Beispiel mit Thomas Fischer, der derzeit keine eigenen Räume für seine Galerie hat, sondern immer wieder mit anderen, befreundeten Galerien kooperiert, aktuell für eine Ausstellung mit der Kreuzberger Galerie Soy Capitán. Es ist eine Idee, die jetzt gerade, wo die Krise vielen Galerien an die finanzielle Substanz geht, umso besser und nachahmenswerter klingt: geteilte Kosten, geteilte Risiken, Solidarität in einem – jenseits der Großgalerien – ohnehin oft prekären Geschäft mit der Kunst.
Da die Kulturbeilage taz Plan in unserer Printausgabe derzeit pausiert, erscheinen Texte nun vermehrt an dieser Stelle. Mehr Empfehlungen vom taz plan: www.taz.de/tazplan.
Irmel Kamps Ausstellung „Zink“ hat Fischer Anfang März schon in Kreuzberg eröffnet, bis zum 11. April hätte die Schau gehen sollen. Bis Ende Mai verlängert sei sie nun, erzählt der Galerist beim Treffen vor Ort – und natürlich von den merkwürdigen ostbelgischen Architekturen auf Kamps Fotografien.
Ob es nur mir so geht, dass sich über alles zwangsläufig eine Art Corona-Filter legt? Kamp fotografierte in den späten 1970ern, frühen 1980ern jene mit Zinkblech verkleidete Wetterseiten von Gebäuden. Tiere sind zu sehen, landwirtschaftliches, Autos, aber keine Menschen. Im April 2020 erscheinen die Aufnahmen der beinahe unbelebten Architekturen, der Häuserfassaden fast ohne Fenster in neuem Licht, transportieren andere Anknüpfungspunkte.
Illusionistische Effekte
Ein paar Straßen weiter bei Barbara Weiss hat Friederike Feldmann die Wände mit Zeichnungen gefüllt und zeigt auf diese Weise nicht zuletzt, wie wenig das Netz doch tatsächlich übertragen kann. Die Galerie hatte, um die Schließzeit zu überbrücken, auf ihrer Website ein Video gepostet, auf dem Feldmann durch ihre eigene Ausstellung führt.
Zweifellos eine sehr gute Idee, erhellend ist es zu sehen, wie die Künstlerin selbst ihre Kunst erklärt. Direkt vor ihren Arbeiten stehend erkennt man aber erst deren großartigen illusionistischen Effekt. Auf dem Bildschirm bleibt alles Theorie.
Bestenfalls gibt es in Zukunft beides, als Ergänzung zueinander: die Kunst selbst und ihr digitales Begleitungprogramm.
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