Quarantäne mit Kindern: Eine neue Dimension von Miteinander

Selbstständigkeit erproben und zusammen spielen: Kolumnistin Sylvia Prahl gibt Tipps, wie sich Familien die Corona-Zeit vertreiben können.

Britzer Garten

Social Distancing ist im Britzer Garten kein Problem Foto: Thomas Wolter/ Pixabay

Der Shutdown bringt viele neue Erkenntnisse. Über einen selbst und vor allem über das eigene Kind. Klar, auch vor Corona war nicht jede gemeinsam verbrachte Stunde Qualitytime. Aber mit dem Homeschooling hat das tägliche Miteinander eine neue Dimension erreicht. Denn welche Eltern wissen schon, was vormittags im Unterricht abgeht? Sehr selten kommt auf die Frage „Und, wie war’s heute in der Schule?“ kaum mehr als nur ein sonores „Gut“. „Was habt ihr in Deutsch gemacht?“ „Weiß nicht.“ Ok, das Kind hat gerade keinen Bock, ist ja auch müde, also fragen wir später nochmal nach.

Und nun Homeschooling. Jetzt wissen wir zumindest, was inhaltlich vormittags im Unterricht abgeht. Vor den Osterferien hieß es oft: „Frau XY kann das aber viel besser erklären als du.“ Inzwischen hat man selbst auch dazugelernt, Strategien entwickelt, wie der Stoff ans Kind zu bringen ist, und wenn das dann geklappt hat, das stolze Gefühl kurz genießen.

Anfängliche Probleme, den Tag zu strukturieren, haben wir mit einem Laufzettel gut in den Griff bekommen. Da stehen nicht nur die Pflichten drauf, sondern auch Ordnungspunkte wie „Daddeln“ und „Glotzen“. Keine festgelegten Uhrzeiten. Was erledigt ist, wird im Smiley-Feld abgehakt. Die freie Zeiteinteilung im vorgeschriebenen Rahmen hat zu einer erstaunlich effektiven Organisation geführt.

„Sachkunde“ im Hinterhof

Auch wenn viele Eltern befürchten, dass die Kinder jetzt Stoff verpassen und kaum zu schließende Wissenslücken entstehen, wäre in den Blick zu nehmen, was die Kinder in dieser Zeit alles anderes lernen. Neben Dingen wie Selbstorganisation, selbstständigem Arbeiten und der Erhöhung der Frustrationstoleranz können das ganz pragmatische Dinge sein, die auch ganz prima unter das Label „Sachkunde“ passen: Werken im Hinterhof (wenn genügend Materialien herumliegen), Schutzmasken nähen (Stoff kann man gut auf dem Markt am Maybachufer kaufen).

Da die Kulturbeilage taz Plan in unserer Printausgabe derzeit pausiert, erscheinen Texte nun vermehrt an dieser Stelle. Mehr Empfehlungen vom taz plan: www.taz.de/tazplan.

Insbesondere Backen hat hier bezüglich stolzer Selbstständigkeit einiges bewirkt. Das Bereitstellen der Produkte (mit Mehl sparsam umgehen!) und der Backgeräte sowie der Hinweis, dass eine Renovierung der Küche zurzeit nicht drin sei, genügte. Rezepte für Muffins, Cookies und Crumble gibt es im Netz, Tür zu, und ein paar Stunden später dürfen alle die Köstlichkeiten genießen.

Auch hat regelmäßiges Tagebuch führen zu einer Selbstreflexion geführt, die über das bloße Notieren der Tätigkeiten herausgeht. Und für das Ausdenken und Zeichnen eines Comics war sonst wohl auch immer die Zeit zu knapp.

Was allerdings kaum auszugleichen ist, insbesondere, auch weil die Schule als Begegnungsort wegfällt, ist die soziale Isolation. Das wurde ganz deutlich, als wir zufällig auf einem Spaziergang Freund*innen getroffen haben. So geleuchtet hatte das Kind seit Wochen nicht mehr.

Keine Umarmungen

Und das, obwohl – völlig irre – die Abstandsregeln von den Kids schon so verinnerlicht sind, dass sie auf die sonst üblichen Umarmungen verzichtet haben. Auch wenn ein persönliches Treffen nicht zu toppen ist, dass Schulaufgaben mit Klassenkamerad*innen per Skype erledigt werden können, mit Omis und Opis und den Freund*innen über Bildtelefon kommuniziert werden kann, hilft ganz gut.

Und spielen. Beim Klassiker Mau Mau können Aggressionen herrlich spielerisch abgebaut werden, wenn genüsslich mehrere Siebenen aus dem Hut gezogen werden und einer plötzlich mit der doppelten Kartenmenge dasitzt. Für die Schulung der geistigen Beweglichkeit mit enormem Spaßfaktor ist „Dobble“ das Spiel der Wahl. Auf 55 runden Karten sind jeweils 8 Symbole abgedruckt. Zwischen zwei Karten gibt es jeweils genau eines, das auf beiden Karten doppelt vorkommt. Das gilt es zu finden und laut auszusprechen.

Ungeahnte Hürde: Wortfindungsschwierigkeiten unter Zeitdruck. Es gibt 5 Spielvarianten. Bei der Variante „Der Turm“ werden alle Karten auf die Spieler*innen verteilt und sie legen die Karten auf eine Karte in der Mitte ab. Wer zuerst alle Karten verbraten hat, hat gewonnen. Interessant dabei ist immer, wer sich bei gleichzeitigem Ausrufen des doppelten Symbols durchsetzen kann. Dobble gibt es in verschiedenen Ausführungen und kostet ca. 10 €.

Diamanten sammeln

Um Schnelligkeit geht es auch bei „Ubongo“. Hier bekommen alle Spieler*innen einen Satz bunter unterschiedlich geformter Plättchen, die auf einem Spielfeld in vorgegebener Form passend angeordnet werden müssen. Welche der Plättchen verwendet werden sollen, entscheidet vor Spielbeginn der Würfel. Leute mit einem grafisch geschulten Auge sind hier klar im Vorteil.

Wer die Plättchen passend verlegt hat, ruft „Ubongo“ und darf sich einen blauen Diamanten nehmen, der oder die Zweite bekommt noch einen braunen. Alle, die vor Ablauf der Sanduhr fertig werden, bekommen auch noch einen Diamanten aus dem Beutel. Wer am Ende die höchste Punktzahl hat, und die ist unabhängig von der Menge Diamanten, hat gewonnen.

Wer noch einen drauf setzen will, spielt „Ubongo 3D“, da müssen, wie der Name schon sagt, dreidimensionale Spielsteine passend ineinandergefügt werden. Ubongo gibt es noch in weiteren Ausführungen und kostet in der abgespeckten Reiseversion ca. 7 € und in der großen um die 30 €.

Endlich selbst lesen

Und da nicht immer vorgelesen werden kann, wird nun auch vermehrt selbst gelesen. Lesemuffel mit Harry-Potter-Affinität lesen beim interaktiven Spiel „Hogwarts Mystery“ (kostenlos im App-Store) mehr, als ihnen klar ist und haben Spaß dabei. Und für Kinder, die gerade dabei sind in die wunderbare Welt der Buchstaben einzutauchen, hat die Berliner Autorin Claudia Honecker zwei Fibeln geschrieben, die Sabine Pflitsch lebensnah illustriert hat. „Wir sind ganz durcheinander“ heißen sie, in einem herrscht „Chaos im Zoo“ im anderen „Chaos in der Küche“.

Die Idee ist so einfach wie bezaubernd: Buchstaben der Küchenbegriffe beziehungsweise Namen der Zootiere sind durcheinander geraten. Die Giraffe ist da zunächst die Igreffa, dann die Fragife oder der Efigraf. Passend dazu ist das Bild einer fragmentierten Giraffe abgebildet. Auf der Folgeseite ist die Giraffe ganz und die einzelnen Buchstaben schwirren über die Seite. Auf einer gestrichelten Linie können sie passend angeordnet werden.

Am Buchende sind alle Begriffe nebst Bild zum Überprüfen noch einmal abgebildet. Hier werden nicht nur Begriffe eingeübt, sondern Freude am Spiel mit Wörtern im Speziellen und Sprache im Allgemeinen angetriggert, die in beliebiger Form außerhalb des Buches am Abendbrottisch weitergeführt werden kann, erhältlich im Ladislaus Bean Verlag für ca. 12 €.

Social Distancing ließ sich im Britzer Garten schon immer problemlos umsetzen. Bis es wieder Präsenzveranstaltungen gibt, stellt das Freilandlabor Britz Infos über aktuelle Themen als „Freilandlabor-Notizen“ ins Netz. Bevor man in den Britzer Garten fährt, kann man sich also über den Brutbeginn der Graugänse zu Hause informieren und die Lage dann im Britzer Garten in Eigenregie erkunden. Es gibt auch Videobeiträge über Karpfen oder Kanadagans und Familientipps, unter anderem mit Ideen, wie man sich den Garten auf den Balkon holen kann.

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