G7-Gipfel in Kanada: Wie ein Tanz auf rohen Eiern
Das wichtigste Ziel der G7-Staatschefs in Kanada ist es, einen Eklat wie 2018 zu vermeiden. Eine Abschlusserklärung ist gar nicht erst geplant.

Aber davon kann keine Rede sein. Eine gemeinsame Abschlusserklärung ist erst gar nicht geplant – und sechs Staats- und Regierungschefs sehen ihre Hauptaufgabe darin, einen Eklat mit dem siebten zu vermeiden. Eine Wiederholung von 2018, als Trump den G7-Gipfel – auch damals in Kanada – wütend verließ und noch aus dem Flugzeug seine Unterschrift unter die Abschlusserklärung zurückzog, soll es bitte nicht geben. Oder, wie es Bundeskanzler Friedrich Merz vor dem Abflug verlauten ließ: „Das wichtigste Ziel wird sein zu zeigen: Die G7-Staaten sind einig, und sie sind handlungsfähig.“
So etwas müsste niemand sagen, wenn die G7-Staaten tatsächlich einig und handlungsfähig wären. Themen wie Klimaschutz oder Entwicklungszusammenarbeit, früher Kernbereiche der G7, sind mit Trump ohnehin schon gestrichen. Die Europäer hoffen darauf, im direkten Gespräch wenigstens bei den leidigen Zollstreitigkeiten mit der Trump-Regierung einer Lösung näherzukommen – um dann vielleicht eine Chance zu haben, die eigentlich anstehenden Kernthemen zu bearbeiten.
Im Zentrum steht eigentlich nach wie vor der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, bzw. konkret die Forderung der Europäer nach weiteren stärkeren Sanktionen gegen Russland. Trump hat sich dazu bislang indifferent und wankelmütig verhalten.
Konkurrenz um die Rolle des Trumpflüsterers
Am Dienstag wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zum Gipfeltreffen hinzustoßen – er äußerte schon zuvor, er erhoffe sich von den G7 stärkeren Druck auf Russland. Es wäre das erste direkte Zusammentreffen von Selenskyj und Trump seit jenem verhängnisvollen Tag in Washington Ende Februar, als Selenskyj schließlich aus dem Weißen Haus geworfen wurde. Auch so ein Eklat soll jetzt bitte nicht wieder passieren.
Auch Trumps Annexionsfantasien könnten eine Rolle spielen: Kanada selbst würde der Präsident gern als 51. Bundesstaat der USA betrachten; nur dass der kanadische Gastgeber Mark Carney ihm bereits mehr als deutlich gemacht hat, was Kanada davon hält.
Und Trumps Begehrlichkeiten gegenüber Grönland spielen in diesen Tagen auch wieder eine Rolle: Demonstrativ machte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf dem Hinflug einen Abstecher nach Grönland und versicherte sowohl Dänemark als auch Grönland seine Solidarität.
Unübersehbar war schon im Vorfeld des Gipfels eine gewisse Konkurrenz unter den europäischen Regierungschefs. Wenn es denn so ist, dass für Trump persönliche Beziehungen entscheidender sind als politische Grundsatzfragen: Wer ist dann der beste „Trumpflüsterer“, wie es Politico formulierte? Der Brite Keir Starmer, der aus den Einschleimereien gar nicht mehr herauskommt? Italiens postfaschistische Georgia Meloni, deren Programm Trumps MAGA-Agenda am nächsten kommt? Oder Friedrich Merz, der sich bei seinem ersten Besuch ebenfalls Trumps Gehör zu verschaffen schien?
Für alle ist die Zusammenkunft mit Trump wie ein Tanz auf rohen Eiern – und eine denkbar ungünstige Voraussetzung zur Lösung von Weltkrisen.
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