Fußballexperte der ARD: Abschalten mit dem Bastian
Zu DFB-Pokalabenden gehört ein Experte mit analytischem Verstand und Hintergrundwissen. Manchmal steht aber nur Bastian Schweinsteiger da.
S eit einer halben Stunde versuche ich mich an einen einzigen Satz zu erinnern, den Bastian Schweinsteiger gesagt haben könnte, als er am Dienstagabend als Experte Freiburgs Sieg in Hamburg begleitete. Aber da ist einfach nichts. Dabei bin ich mir sicher, dass ich Bastian Schweinsteiger gesehen habe, wie er Wörter aneinanderreiht, ich kann mich auch an sein leutseliges Grinsen erinnern und an diesen Anzug, einem Traum in Beige, der schlecht saß und das letzte Mal Ende der Achtziger in Mode gewesen ist im deutschen Fernsehen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein paar „Werthers Echte“ in den Taschen verstaut hatte.
Leider hat er keines davon live gegessen, dann hätte wenigstens die Bonbonverpackung vielleicht für ein bisschen Knistern gesorgt. Jetzt aber bleibt rückblickend das Gefühl, ich sei gestern auf einer Gemeinderatssitzung gewesen, deren Tagesordnung nur einen einzigen Punkt umfasste; vielleicht so was wie die Begrünung des Autobahnzubringers. Zwischendrin muss ich eingenickt sein.
Es gäbe schon ein paar Anforderungen, die ein*e Fernsehexpert*in erfüllen könnte. Zum Beispiel Expertise beitragen. Dass Bastian Schweinsteiger Expertise hat, darüber besteht kein Zweifel: Am Beitragen hapert es, an der Umsetzung. Alles, worauf Bastian Schweinsteiger hinweist, ist entweder schon von den Kommentator*innen siebenfach gesagt worden; oder es war derart offensichtlich, dass es sich selbst jene Kommentator*innen verkniffen haben, das nochmal durchzukauen. In keinem anderen Bereich würde man derartiges akzeptieren. Wer wäre schon zufrieden damit, wenn er im Museum eine Führung buchen würde, und der Guide ginge dann voraus und sagte in jedem Raum: „Hier sehen Sie ein paar Bilder. Bilder sind meistens Leinwände mit Farbe drauf.“
Aber im Fußball ist es eine Analyse, wenn Bastian Schweinsteiger sagt, eine Mannschaft führte, weil sie das bisher einzige Tor geschossen habe. Das Problem ist dabei nicht nur, was er sagt, sondern auch wie: Denn selbst wenn man von Expert*innen nicht immerzu erwarten kann, dass sie wenige Augenblicke nach dem Spiel eine fulminante und alles durchdringende Analyse abliefern, die die geheimen Kniffe und versteckten Details offenlegt, so könnte es doch wenigstens einigermaßen gutes Fernsehen sein, das heißt: unterhaltsam. Ein bisschen Charisma, ein wenig Bühnenpräsenz, das wären doch Mindestanforderungen an den Job?
Zimmerpflanzen und Worthülsen
Bastian Schweinsteiger scheint ein netter Kerl zu sein, wie er dasteht mit seinem noch immer spitzbübischen Lächeln, seiner gleichermaßen verschämten wie offenherzigen Art. Aber es hilft nix, er kann nicht gut reden. Es gibt Zimmerpflanzen, die interessanter dastehen, als er vorträgt. Es sind immer die gleichen leeren Worthülsen, die ihm aus dem Mund fallen, die gleichen abgedroschenen Phrasen, und das beste, worauf man hoffen kann, ist, dass ihm dabei etwas durcheinander gerät. Oh, doch, jetzt fällt mir doch noch ein Satz ein, den Bastian Schweinsteiger zum SC Freiburg gesagt hat: „Dadurch haben sie den Hamburgern den Schneid gezogen.“ Als ich das hörte, hat mein Huhn im Topf gepfiffen.
Wobei, nicht mal das. Anders als etwa bei Steffen Freund regt es mich nicht einmal auf, wenn ich Bastian Schweinsteiger zuhöre. Eine gähnende Leere fällt mich an, als wäre ich versehentlich auf einem Sektempfang mit lauter Prominenten, und es gibt Schnittchen und kein Bier. An den Stehtischen werden Gesten ausgetauscht, Schultern geklopft, man nickt viel, um nicht einzunicken.
Fünfstellig verdient Bastian Schweinsteiger anscheinend an jedem Auftritt, und man fragt sich, warum diejenigen, die ihn dafür bezahlen, Fernsehen so sehr hassen. Und ich frag mich auch, warum ich nicht direkt auf stumm drückte, als die Regie zu Bastian Schweinsteiger schaltete; wahrscheinlich, weil ich da innerlich schon abgeschaltet habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen