Für lau ins Theater: Im Studium ist Theater inbegriffen
Hannover führt eine Theater-Flatrate für Studierende gegen einen kleinen Aufschlag beim Semesterbeitrag ein. Das Modell hat sich bereits in anderen Städten bewährt.
Einzige Voraussetzung für die Nutzung der Flatrate ist, sich einmal an der Theaterkasse zu registrieren und sich eine Kundennummer zuweisen zu lassen. Ab zwei Tage vor jeder gewünschten Vorstellung werden Restplätze freigeschaltet und es ist möglich, gegen Vorlage von Semesterticket, Personalausweis und Kundennummer persönlich eine kostenloses Karte abzuholen.
Jahre haben die Verhandlungen dafür gedauert. Den finanziell darbenden Akademikern in spe kulturelle Teilhabe zu ermöglichen, ist die Absicht der Asten als Projektpartner. Die werben nun mit Flyern, Plakaten und über ihre Online-Kanäle für das Angebot.
Die Leitung des Sprechtheaters sieht das als Marketingmaßnahme zur Publikumsakquise. Dass es in Hannovers Schauspiel – wie in fast allen Stadt- und Staatstheatern – eine Besucherlücke im Bereich der 18- bis 40-Jährigen gebe, sei lange bekannt, sagt Nadja Diwolt, Assistentin des Intendanten. „Bei einer kürzlich durchgeführten Untersuchung kam zudem heraus, dass die Studierenden uns gar nicht kennen.“
Auf Nachfrage wären auch Vorurteile vom hochpreisigen Kulturgenuss zutage getreten. Die Frage, was wohl ein Studententicket koste, tippten die meisten Studierenden auf 14 bis 16 Euro. Tatsächlich liegt der Preis seit Jahren bei acht Euro. Um die finanzielle Hemmschwelle nun komplett zu eliminieren und damit zukünftiges Stammpublikum anzufixen, wurde die Flatrate eingeführt, zunächst befristet bis Ende 2018.
Die Erfahrungen würden wissenschaftlich ausgewertet, erklärt Verwaltungsdirektor Jürgen Braasch. „Wir rechnen mit einem erhöhten Publikumszuspruch und finanziell mit einem Minus.“ Bisher hätte man pro Saison etwa 6.500 Studierende, vier Prozent der Besucher, als Ticketkäufer begrüßen können und damit 52.000 Euro eingenommen. Jetzt gibt es pauschal nur einmal 40.000 Euro im Jahr.
Deswegen hat sich auch die Staatsoper geweigert, mitzumachen. Etwa fünf Prozent ihrer Besucher, gut 10.000, sind jährlich Studententicketkäufer, was Einnahmen von 80.000 Euro ermöglicht. Auf die will die Opernleitung nicht verzichten.
Die Flatrate selbst ist keine hannoversche Erfindung, sondern bundesweit längst praktizierte Realität. In Mainz wurde damit bereits 2011 experimentiert, 2013 folgten Bochum, Dortmund und Karlsruhe, ein Jahr später auch Wuppertal, Krefeld/Mönchengladbach und Gießen. Inzwischen gilt die Studentenflatrate auch in Chemnitz, Rüsselsheim, Ingolstadt, Detmold und Essen. Zumeist ist es ein Euro, um den die zwischen 300 und 450 Euro liegenden Semesterbeiträge dafür erhöht werden.
Braunschweig feiert Erfolge mit der Flatrate
In Niedersachsen feiert Braunschweig große Erfolge mit der Flatrate. Wo sie übrigens – wie an allen anderen Orten auch – für Oper, Schauspiel, Ballett und Konzerte gilt. In der ersten Theaterflatrate-Saison 2016/17 kamen 8.600 Studierende zu den Vorstellungen, in der Saison zuvor – ohne Flatrate – waren es 1.700. Mit dabei sind die Technische Universität mit 20.000 Studierenden, die HBK (1.000) und die Ostfalia (9.000).
Damit nicht alle nur umsonst ins Staatstheater strömen und auch freie Theater, die von Eintrittsgeldern existenziell abhängig sind, davon profitieren, verteilen die Asten der Löwenstadt die eingenommen 30.000 Euro zu Teilen auch ans LOT-Theater und das Figurentheater Fadenschein, damit die ebenfalls freien Eintritt anbieten können. Andernorts wird die Befürchtung geäußert, das Flatrate-Dumping der hochsubventionierten Bühnen wäre ein Vielfaltskiller für das örtliche Theaterangebot.
Erfolgreich funktioniert das Angebot auch in Osnabrück. Das Theater bekommt jährlich je zwei Euro von 24.000 Studierenden. In der Spielzeit 2014/15, vor der Einführung, besuchten 2.736 Studierende das Theater. „In der Spielzeit 2016/17 wurden bereits 4.432 kostenlose Studententickets ausgegeben“, erklärt Matthias Köhn, kaufmännischer Direktor der Bühne.
In Bremerhaven profitieren 3.200 Studierende
Auch in Ministädten wird das praktiziert: In Bremerhaven profitierten 3.200 Studierende seit dem Sommersemester 2014 davon. Zuvor wurden verkaufte Studententickets gar nicht erfasst. Im ersten Flatrate-Semester wurden 435 ausgegeben, inzwischen sind es 1.500 pro Spielzeit.
Seit 2014 bekommt die Landesbühne Nord von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven 1.000 Euro pro Semester überwiesen, die sie dazu nutzt, allen 7.600 Studierenden freien Eintritt anzubieten. Das Angebot wird aber jährlich nur 250 Mal genutzt – auch weil nur 1.300 der Studierenden in Wilhelmshaven wohnen.
Und was wollen Studierende so sehen? Die Antworten sind erstaunlich einheitlich: Am liebsten schauen sie Musicals, Komödien und Schauspielklassiker. Nur in Braunschweig gibt es auch eine sehr große Nachfrage nach Sinfoniekonzerten.
Göttingen hat das Kulturticket seit 2012
Zeitgenössische Werke, postdramatische Inszenierungsformate und Experimente werden hingegen eher ignoriert. „Studierende suchen bekannte Namen, bei uns gehen sie in ,Emilia Galotti’, ,Der Untertan’ und ,Ein Sommernachtstraum’, auch die Familienstücke zu Weihnachten werden stark von Studierenden frequentiert“, sagt Inge Matthes, Pressesprecherin des Deutschen Theaters Göttingen.
Es profitierte als erstes niedersächsisches Theater von einer Flatrate. Seit 2012 gibt es dort das Kulturticket, das für 29 Vereine und Institutionen gilt und inzwischen 9,81 Euro pro Semester kostet. Zwei Euro davon gehen an das Deutsche Theater – macht etwa 56.000 Euro pro Jahr. Vor der Einführung des Kulturtickets wurden jährlich etwa 6.000 Studentenkarten verkauft, seither sind es zwischen 9.500 und 12.000 kostenfreie Tickets pro Saison. Für Nutzer und Anbieter: eine Win-win-Situation.
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