Fünf Nordkoreanerinnen bei der WM gedopt: Der Moschushirsch sollte helfen
Fünf nordkoreanische Spielerinnen sind positiv auf Doping getestet worden. Die Erklärungen, wie das verbotene Mittel in den Urin gekommen sein soll, haben skurrile Züge.
FRANKFURT/MAIN dpa | Ein Blitzeinschlag, eine chinesische Medizin vom Moschushirschen – und drei weitere positiv getestete Fußballerinnen: Der Dopingskandal um Nordkorea bei der Frauen-Weltmeisterschaft weitet sich aus. Insgesamt fünf Spielerinnen aus dem abgeschotteten totalitären Staat hatten in ihrem Urin verbotene Steroide.
„Tatsache ist, dass wir in der Fifa konfrontiert sind mit einem ganz groben bösen Dopingfall, das schmerzt“, sagte Präsident Joseph Blatter bei einer Pressekonferenz am Samstag in Frankfurt und sprach von einem „Schock“.
Ob der Nordkoreanische Verband nun aus dem Weltverband oder die Frauen-Nationalmannschaft von der Qualifikationsrunde zur WM 2015 in Kanada ausgeschlossen wird, darüber entscheidet die Disziplinarkommission der Fifa. Jedenfalls handelt es sich um einen einmaligen Vorgang im Fußball. Einen Tag vor dem Endspiel zwischen den USA und Japan (Sonntag, 20.45 Uhr) in Frankfurt wirft die Nachricht einen deutlichen Schatten auf das Endrundenturnier.
Die gesamte Mannschaft Nordkoreas hatte nach dem 0:0 in der Vorrunde gegen Kolumbien bei einer „zielgerichteten Fahndung“ zur Dopingkontrolle antreten müssen. Zuvor war im Urin von Song Jong Sun und Jong Pok Sim eine verbotene Substanz gefunden worden. Jiri Dvorak, der Medizinische Direktor der Fifa, sprach jetzt von einem „klaren Fall von verbotenen Substanzen“ – die Geschichte dahinter klingt abenteuerlich. Die Namen der drei weiteren Spielerinnen nannte die Fifa nicht, sie müsse erst den nordkoreanischen Verband informieren. Die Untersuchungsergebnisse waren erst in der Nacht zum Samstag eingetroffen.
Am 8. Juni wurden nach Angaben der nordkoreanischen Teamführung im Trainingslager in den heimischen Bergen neun Spielerinnen vom Blitz getroffen. Es gibt laut Dvorak Bilder, wie Spielerinnen danach behandelt wurden. In der Folgezeit habe der WM-Teilnehmer die Betroffenen mit einer traditionellen chinesischen Medizin behandelt. „Es ist ein Drüsenextrakt von einem Hirsch, der in der Region von Sibirien, Nepal, Mongolei bis Korea lebt“, erklärte der tschechische Mediziner den verwunderten Journalisten. „Er heißt auf Deutsch Moschushirsch.“
Nach dem ersten positiven Test stellten die Nordkoreaner der Fifa eine Probe des „Wundermittels“ zur Verfügung. Die Analytiker in Köln und Dresden fanden sowohl in den Urinproben der überführten Fußballerinnen als auch in den Drüsenextrakten 14 verschiedene Steroide, davon stehen vier auf der Verbotsliste. Mittlerweile sind auch die B-Proben untersucht – mit dem gleichen Resultat.
Auf die Frage, warum nicht alle neun angeblich vom Blitz getroffenen Spielerinnen positiv getestet wurden, sagte Dvorak: „Für das dritte Spiel hatte das Team keinen Vorrat mehr für alle.“ Es werde schwierig herauszufinden, „wo die Verantwortlichkeiten liegen: Bei den Trainern, bei den Ärzten oder bei den Spielerinnen.“ Nachdem das nordkoreanische Team nach dem Vorrunden-Aus abgereist war, hält die Fifa mittlerweile den Kontakt nach Pjöngjang unter anderem über zwei Botschaftsräte aus Berlin. Dvorak betonte, dass sich die Nordkoreaner „sehr kooperativ gezeigt hätten“.
Bei der Aufklärung geholfen hätte, dass die Nordkoreanerinnen bereits am 25. Juni bei einer unangemeldeten Trainingskontrolle getestet worden und Steroidprofile von ihnen erstellt worden waren. Ob er Hinweise habe, dass in Nordkorea systematisch gedopt wird? Dvorak sagte nur: „Es ist ein sehr berühmtes Heilmittel in China, Korea und in vielen asiatischen Ländern. Aber nicht in der Welt des Dopings. Das ist meines Wissens der erste Fall.“
Ziemlich profan ist dagegen der Fall der kolumbianischen Torhüterin Yineth Varon, die bei einer Trainingskontrolle erwischt worden war. „Ein Hausarzt hat ihr dreimal eine Spritze mit Anabolika verpasst“, sagte Dvorak.
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