Hella von Sinnen über die Frauen-WM: „Das ist schon ein Augenschmaus“
Fußball- und Entertainment-Expertin Hella von Sinnen zieht im Gespräch mit Ines Pohl ihre persönliche WM-Bilanz. Sie lobt die Anzüge von Silvia Neid und die neue Qualität des Frauenfußballs.
taz: Ines Pohl, guten Tag …
Hella von Sinnen:... von Sinnen. Sie wollen mich also sprechen zum Thema Frauenfußball. Doch nur, weil ich lesbisch bin, oder?
Wie kommen Sie denn darauf?
Warum sonst?
Ich rufe Sie an in Ihrer Eigenschaft als kluge, feministische Komödiantin mit großem Sachverstand für Inszenierung und Wirkung.
Aha.
Jahrgang 1959, erfolgreichste TV-Unterhalterin auf beinahe allen Fernsehkanälen, berühmt für ihre oftmals sehr bunten, gleichwohl den Sendeformaten angemessenen Auftrittskostüme. Eine ihrer erfolgreichsten Bühnenprogramme hieß: "Ich bremse auch für Männer". Sie outete sich als lesbische Frau bereits in den frühen Neunzigern – zu einer Zeit, als dies noch ganz und gar unschicklich und karriereschädigend war. Mit ihrer Lebensgefährtin Cornelia Scheel – sie nennt sie "meine Gattin" – wohnt sie in Köln. Mit taz-Chefredakteurin Ines Pohl traf sich die passionierte Fußballfanin zum Telefoninterview.
Wenn Sie uns etwas zu Ihrem spezifisch lesbischen Zugang zur WM sagen wollen: gerne. Welche gefällt Ihnen denn am besten?
Nun, es ist schon Hope Solo. Natürlich auch, weil ich dann immer so schön mitsingen kann: „Hope, Joana, Hope Joana …“ Und sie macht diese tollen Bewegungen auf der Torlinie. Das ist schon ein Augenschmaus.
Meine Eingangsfrage: Was war diese WM für Sie, Frau von Sinnen?
Nun, ich habe Freude. Ich bin zwar nicht so hysterisch im WM-Fieber wie voriges Jahr mit den Männern in Südafrika. Da hatte meine Gattin kleine Tiere im Drogeriemarkt gekauft, Strauße, Löwen, Giraffen – und die Dekoration war dann schon sehr raumbestimmend.
Mit einem deutschen Adler in Plaste?
Einen amerikanischen mit deutscher Flagge, das schon. Aber ich muss zugeben, zu Beginn der WM waren wir sehr in der Endphase unseres Buches, da haben wir nur die deutschen Spiele gesehen. Und waren auch gut gelaunt, bis die Japanerinnen uns rausgespielt haben. Aber natürlich waren wir zum Ende voll dabei und auf der Straße unterwegs. Ich finde, der Frauenfußball ist mittlerweile sehr intensiv und niveauvoll. Entsprechend ärgere ich mich im Moment schon wieder komplett, dass die ARD-“Sportschau“ und auch das ZDF sich weigern, wöchentliche Beiträge der deutschen Bundesligafußballerinnen zu senden.
Klare Forderung von Ihnen: Frauenfußball in die Sportschauen?
Natürlich! Es geht hier ständig um die Zweite und Dritte Liga der Männer – und über den Mädchenfußball wird überhaupt nicht berichtet.
Haben wir jetzt einen neuen Frauenfußball gesehen – einen, bei dem die Spielerinnen kämpfen, weinen, schreien. Ist das eine neue Dimension?
Ich glaube, neu ist die technische Versiertheit. Ich weiß, dass ich bei der letzten Mädchen-WM noch gedacht habe, ach Kinder, ich weiß aber nicht, ob ich da jetzt ein Fan von werde. Und da waren unsere Frauen extrem dominant. Ich dachte, die Deutschen sind die Einzigen, die begriffen haben, wie das Spiel funktioniert. Da hat sich jetzt etwas geändert.
Machen es die Frauen den Männern damit nach?
Nun, ich glaube, das Spiel kann man nicht anders spielen. Die Frauen sind eben auch athletischer geworden. Dass damit allerdings auch die Verletzungsrate deutlich höher wird, finde ich natürlich nicht gut.
Auf Blutgrätschen stehen Sie nicht?
Nein, die sollen sich nicht gegenseitig von den schönen Beinen holzen, wie die Nigerianerinnen das ja getan haben. Und noch was find ich nicht schön.
Das werden Sie uns erzählen!
Ich war schon sehr traurig, dass jetzt auch die Mädchen anfangen, auf den Rasen zu rotzen. Diese Emanzipationsbestrebungen brauche ich nicht.
Haben Sie mit einem solchen TV-Quotenerfolg gerechnet?
Ja, das habe ich. Klar, das ist alles hochgehängt worden – mit dem Sommermärchen und dem Sommermädchen. Die Deutschen hatten auch wieder tierisch Bock auf Feiern. Aber der Hauptgrund für den Erfolg ist meiner Meinung nach die Tatsache, dass das einfach anspruchsvoller Fußball ist. Wer gerne Fußball schaut, der guckt auch gerne Frauenspiele. Das ist wie damals mit dem Tennisspielen. Wir haben Steffi Graf doch genauso gerne geschaut wie Boris Becker.
Sie meinten, es sei kein Wunder, dass die deutschen Frauen dem Druck nicht standhielten, weil sie diese krasse Aufmerksamkeit nicht gewohnt sind. Wie gehen Sie selbst mit Druck um?
Ich leide massiv unter Lampenfieber, immer noch. Ich glaube, der Trick ist, den Druck in Spielfreude umzuwandeln: Wenn ich in großen Hallen auftrete, dann mache ich mir klar, wie privilegiert ich bin, auftreten zu dürfen und dass ich in diesem Land lebe. Mit Hilfe des Applauses versuche ich den Druck in Freude und Euphorie umzuwandeln. Und wenn man dann Talent hat, dann klappt das auch.
Als Kennerin des Eurovision Song Contest verfolgen sie seit Jahren, wie man einen Wettbewerb gewinnen kann, in dem es an der Spitze qualitativ sehr eng zugeht. Was ist Ihr Tipp für alle, die gewinnen wollen?
Absolut entscheidend ist die berühmte Motivation. Ich bin aber wirklich keine Leistungssportlerin und kann nicht beurteilen, wie das im Sport ist.
Wenn man dieses Motiviertsein, vielleicht auch dieses Rauschhafte, das Auf-den-Punkt-da-Sein betrachtet: Sah in dieser Hinsicht die deutsche Elf nicht eher unterkühlt aus?
Ja, ich hatte den Eindruck, dass die Mädchen auf dem Platz eine Blockade im Kopfe hatten.
Silvia Neid und rauschhafte Freudigkeit – so recht geht das nicht zusammen, oder?
(Lacht) Sie hat immer schöne Anzüge an. Und Jogi Löw ist ja auch nicht gerade das Feiertier. Sind beide so Businessmanager, hat man das Gefühl. Conny [Hellas Frau Cornelia Scheel, d. Red.] ruft gerade aus der Küche, dass sich wenigstens unsre Kanzlerin schön freuen kann.
Eine gute Brücke zu meiner letzten Frage: Welche wärs denn jetzt, die Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden?
Ach Gottchen, am liebsten die schwedische Trainerin der Amerikanerinnen. Die ist ganz toll und erinnert mich einfach an „Ferien auf Saltkrokan“.
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