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Frühere IS-Geisel gegen Einsatz in Syrien„Luftangriffe sind eine Falle des IS“

Zehn Monate war Nicolas Hénin Geisel des „Islamischen Staats“. Nun warnt er: Bombardierungen trieben die Bevölkerung nur in die Hände des IS.

Nicolas Hénin steigt nach seiner Befreiung aus einem Helikopter. Foto: dpa

Berlin taz | Zehn Monate hielt ihn der „Islamische Staat“ (IS) gefangen. Zehn Monate, in denen der französische Journalist Nicolas Hénin die Strukturen der Terrormiliz kennenlernte. Noch heute chattet er gelegentlich mit einigen Anhängern.

Die Strategie, militärisch gegen den IS vorzugehen, ist in den Augen von Hénin fehlgeleitet. Die Luftangriffe seien „eine Falle“, sagt er in einem Video, das der britische Guardian am Mittwoch veröffentlichte.

Was er damit meint, lässt sich anhand eines Debattenbeitrages nachvollziehen, den Hénin kurz nach den Anschlägen in Paris ebenfalls für den Guardian verfasste. Er beschreibt, dass sich die Drahtzieher der Anschläge von Paris darüber im Klaren seien, dass der Westen mit einem stärkeren militärischen Engagement antworten würde.

In dem nun veröffentlichten Video erklärt Hénin: „Der Gewinner dieses Krieges wird nicht die Partei sein, die über die neuesten, teuersten und ausgeklügelsten Waffen verfügt, sondern die Partei, die es schafft, die Bevölkerung auf ihrer Seite zu haben.“

Flugverbotszonen statt Luftschlägen

Mit den Bombardierungen treibe man die Bevölkerung in die Hände des IS. Stattdessen solle die Anti-IS-Allianz auf eine politische Lösung setzen. Sobald die syrische Bevölkerung Hoffnung auf eine solche habe, würde der IS zusammenbrechen. Die Alternative zu Luftschlägen: Flugverbotszonen in den syrischen Regionen, die von der Opposition kontrolliert werden.

Die Veröffentlichung des Videos fiel auf den Tag, an dem das britische Parlament über eine Ausweitung des Kampfeinsatzes abstimmte. Mit einer Mehrheit von 174 Stimmen votierten die Abgeordneten für die Pläne der konservativen Regierung von Premierminister David Cameron. Vier „Tornado“-Jets hoben daraufhin von einer Luftwaffenbasis auf Zypern ab, um IS-Stellungen zu beschießen.

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10 Kommentare

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  • Nicht vergessen, daß Regierungen selten wissen, was ihr Sicherheitsapparat grad macht oder gar weiß.

  • Es sollte ein Mix aus Beidem sein.

  • Wie und von wem wurde Nicolas Hénin denn befreit?

     

    Flugverbotszonen würden genauso militärisch durchgesetzt werden müssen.

     

    Allerdings hat nur die Assad-Firmengruppe russische Flugzeuge, das Daish hat keine.

    • @nzuli sana:

      "Flugverbotszonen würden genauso militärisch durchgesetzt werden müssen."

       

      Manche scheinen zu glauben, man muß nur ein paar Schilder aufstellen und dann halten sich alle dran.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Das Blöde an Fehlern, die nicht gleich korrigiert werden, ist, dass sie sich zu echten Katastrophen auswachsen können.

         

        Nein, "Schilder aufstellen" wird leider nicht genügen in der gegenwärtigen Situation. Aber einen Krieg nach Regeln zu führen, die sich Idioten wie die vom IS ausgedacht haben, ist ja wohl auch bescheuert. Vor allem dann, wenn man keinen Plan für die Zeit nach dem erhofften eigenen Sieg hat.

         

        Die Luftangriffe sind nicht wirklich alternativlos. Sie sind nur die Alternative zu einer überaus mühsamen und riskanten "politischen Lösung". Geldquellen zuschütten, Waffenlieferungen stoppen, Einigkeit herstellen – nichts von all dem traut sich Hollande zu. Und nichts von all dem können sich seine Helfer vorstellen. Der eigene Stuhl ist ihnen nämlich heilig und die Leute, mit denen sie sich anlegen müssten, wenn sie ohne aus Steuermitteln bezahlte Flugzeuge und dämliche Soldaten gegen den IS vorgehen wollten, sind kaum weniger unangenehm als durchgeknallte Islamisten. Zumindest, wenn man ihnen an die hochglanzpolierte Luxuskarre fährt und ihnen nicht den roten Teppich vor die Füße rollt.

  • Ich habe mir den Beitrag im Guardian einmal in voller Länge angetan. Ziemlich wirres Zeug. Die Pariser Anschläge seien eine Reaktion auf die Grenzöffnung für Flüchtlinge und ähnliches. Das Thema Flugverbotszone und die damit verbundene Gefahr, Rückzugsgebiete für Dschihadisten zu schaffen, hatten wir schon mal. Genauso wie die "gemäßigte Opposition", die nicht einmal der CIA finden konnte.

    Unstrittig (aber auch eine Binsenweisheit) ist, daß Luftangriffe OHNE Bodenunterstützung am meisten der Zivilbevölkerung schaden und so neuen Zulauf für den IS generieren.

    • @jhwh:

      Als hätten Sie den Beitrag nicht gelesen. Syrer wollen nicht mit Bomben befreit werden. Die totale Ablehnung des IS muss von dortiger Bevölkerung ausgehen und ist nur so wirksam. Keiner von denen will Krieg.

      • @lions:

        Syrer wollen nicht mit Bomben befreit werden? Schön wärs! Leider hab ich grade hier in der taz auch schon anderes gelesen.

         

        DIE Syrer, fürchte ich, gibt es genau so wenig, wie es DIE Deutschen gibt. Auch unter den Syrern gibt es Anomalien und JHWHs. Die einen sagen so, die anderen so. Am schlimmsten aber finde ich den Gedanken, dass manche Syrer inzwischen so verzweifelt sein könnten, dass ihnen jedes Mittel recht ist, auch das untauglichste. Hauptsache, es tut überhaupt irgend jemand irgend etwas.

      • @lions:

        "Die totale Ablehnung des IS muss von dortiger Bevölkerung ausgehen und ist nur so wirksam."

        Ihr Pazifismus ehrt Sie. Es wird aber nicht ausreichen, wenn "die dortige Bevölkerung den IS nur total ablehnt". Diese Grenzdebilen aus aller Herren Länder (die über hochmoderne Waffen und Kommandostrukturen verfügen) werden sich nicht einfach so nach Hause trollen. Irgendjemand wird da schon noch etwas Überzeugungsarbeit leisten müssen.

         

        "Syrer wollen nicht mit Bomben befreit werden"

        Kobane schon vergessen ? Die Bomben wurden von den (syrischen) Kurden angefordert. Und weil die amerikanische Luftwaffe hier mit Bodentruppen zusammengearbeitet hat, war die Anzahl der zivilen Opfer zumindest begrenzt.

  • das ist logisch:

     

    "(...), dass sich die Drahtzieher der Anschläge von Paris darüber im Klaren seien, dass der Westen mit einem stärkeren militärischen Engagement antworten würde."

     

    - 'die terroristen' erwarten natürlich genau diese reaktion westlicher regierungen und die 'sicherheitsspezialisten' westlicher regierungen wissen mit sicherheit, dass 'die terroristen' genau diese reaktion erwarten.

     

    also tun die westlichen regierungen wissentlich genau das, was 'die terroristen' erreichen wollten.

     

    hochkooperative wesen, diese menschen - höchst interessant...