Fridays for Future gegen Konzerne: Scharfe und stumpfe Waffen
Die Öffentlichkeit, die Fridays for Future bekommt, hilft nur bedingt. Was Unternehmen trifft, sind nicht Argumente, sonder ein teurer CO2-Ausstoß.
ffentlichkeit ist im Ringen um mehr Klimaschutz ein einschneidiges Schwert: Auf der einen Seite scharf, auf der anderen stumpf. Fridays for Future denken nun darüber nach, es gegen die Unternehmenswelt zu zücken, weil die Politik zu lahm ist. Der Fall Siemens scheint in der Bewegung als Erfolg gewertet worden zu sein, obwohl er keiner ist: Er zeigt, dass Öffentlichkeit auch verpuffen kann.
Jedes Unternehmen setzt sich mit Reputationsrisiken auseinander, also damit, dass die eigene Marke an Glanz und damit an Wert verliert, weil sie mit Sauereien verbunden wird. Das kann fatal sein, muss aber nicht: Die Absatzzahlen von VW sind super, obwohl der Konzern massenweise Kund*innen betrogen hat. Auf jeden Fall steht in Zeiten permanenter Proteste für mehr Klimaschutz mangelnder Klimaschutz auf der Liste der Reputationsrisiken ganz oben.
Wenn zornige Schüler*innen vor dem Werkstor demonstrieren, wenn die Mitarbeiter*innen sich beim Abendessen gegenüber ihren Kinder rechtfertigen müssen, in was für einem Drecksladen sie arbeiten, wenn die Konzernspitze selbst gar das Gewissen plagt – all das bringt was. Vor allem wenn der Protest nur längst vorhandenes Wissen über Klimasauereien eine Bühne verschafft. Wissen, dass NGOs jahrzehntelang in mühevoller Kleinarbeit recherchiert haben.
Und trotzdem ist das Schwert auch stumpf: Gegen wie viele Unternehmen will man denn demonstrieren? Die Liste derer, die es verdient hätten, ist lang, sehr lang – im Endeffekt können Fridays for Future allenfalls Showprozesse veranstalten. Was die Unternehmenswelt derzeit am meisten bewegt, sind nicht wütende Schüler*innen, sondern die Tatsache, dass CO2-Ausstoß immer teurer wird. Weil Staaten das politisch so beschlossen haben. In dem Spiel sind die Fridays ein Faktor, der den Wandel beschleunigt, in dem Gesetze härter werden, Unternehmen sich ändern und wiederum härtere Gesetze gefordert werden. Aber sie werden gegen global agierende Unternehmen keine Wunder bewirken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit