piwik no script img

Freiheit für die Deutsche Fußball LigaLindner für Hertha!

Die Deutsche Fußball Liga hat sich sehr detaillierte Hygieneregeln verpasst, über deren Einhaltung niemand wacht. Wie praktisch!

Ein Verein zum Knuddeln: Hertha-Profi Ibisevic (l.) will unbedingt in den engen Kreis der Torjubler Foto: dpa

W as man sich als leidenschaftlicher Beobachter der Fußballszene eben so denkt, wenn man die Bilder sieht, die den FDP-Chef Christian Lindner in enger Umarmung mit einem Mann zeigen, der den Titel des Honorarkonsuls von Weißrussland tragen darf: Wäre doch einer für Hertha. Hygiene- und Abstandsregeln werden beim Berliner Bundesligisten ja besonders kreativ ausgelegt. Man schüttelt Hände in der Kabine und schmust nach einem Tor mit den Mitspielern.

Und hätte sich am Samstag ein weißrussischer Honorarkonsul nach einem Hertha-Tor auf dem Feld befunden, es hätte sich gewiss ein Herthaner gefunden, der den guten (?) Mann umhalst hätte. Hertha ist derzeit einfach zum Knuddeln.

Und dann ist ja da noch dieser Drang bei Hertha BSC, die skurrilsten Promis an den Klub zu binden, die im Fußballbusiness unterwegs sind. Das ist so, seit Hertha-Investor Lars Windhorst den Klub dauerhaft in den Schlagzeilen sehen will. Auf die schwäbisch-amerikanische Windmaschine Jürgen Klinsmann, die sich vom Aufsichtsrat des Klubs auf die Trainerbank bugsiert hat und von da aus bald wieder ins Privatleben verschwunden ist, folgt nun der WM-Bronze-Torwart von 2006 Jens Lehmann. Der hat gleich mal klargemachte, dass das Coronavirus für junge Profis eh nicht gefährlich ist.

Und lange bevor die Bild-Zeitung die Ministerpräsidenten Sachsens und Niedersachsens, Michael Kretschmer und Stefan Weil, zum Thema Bundesligaspiele vor Publikum „ins Verhör“ nahm, konnte sich Lehmann schon vorstellen, dass man jede Menge Leute ins Stadion lässt. Neben einem solchen Freiheitskämpfer würde sich Christian Lindner sicher wohl fühlen. Doch der zweite freie Posten im Kontrollgremium von Hertha ist gerade besetzt worden. Schade eigentlich. Lindner hätte wirklich sehr gut zu Hertha gepasst.

Vorzüge der Selbstbestrafung

Die Hertha-Kuschler vom Wochenende haben übrigens keine Konsequenzen zu befürchten wegen der Missachtung des Kuschelverbots beim Torjubel. Das ist nämlich nicht im bindenden Hygienekonzept niedergeschrieben, sondern bloß eine Art Empfehlung, die den Klubs in einem „Organisations-Rundschreiben Sonderspielbetrieb“ gegeben wurde. Es ist ein sehr weiches Verbot. Auch sonst ist nicht so recht klar, wer und wie Verletzungen der Hygieneregeln überwacht und bestraft.

Gut, dass sich Heiko Herrlich, der Trainer des FC Augsburg, selbst für sein Vergehen gesperrt hat. Sonst hätte ihn am Ende vielleicht niemand gesperrt. Zum Glück fiel Herrlich noch auf, dass es keine gute Idee war, die Quarantäne zu verlassen, um sich Zahnpasta in einer Drogerie zu kaufen.

Egal war es schließlich auch, dass Borussia Mönchengladbach vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs nicht die in den Coronaregeln der DFBL festgeschriebenen sieben Tage in Quarantäne verbracht hat, sondern nur sechs. So etwas kommt eben dabei heraus, wenn diejenigen über die Einhaltung der Regeln bestimmen, die sie einzuhalten haben: die DFL und die Klubs, die in dem Verband organisiert sind. Für die einen mag das ein Manko, vielleicht sogar ein Skandal sein. Der Bundesliga gibt es einen hohen Grad von Freiheit – womit wir wieder bei Christian Lindner wären. Bussi, bussi!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Guter Artikel, Genosse Rüttenauer! Heute hat Hertha keinen Grund zu jubilieren. Klatsche gegen UNION. Lehmann ist ein Vollpfosten. Geisterspiele sind für den Arsch! Fußball ist in diesen Zeiten ganz und gar nicht angesagt! UNVEU

  • Wann darf ich wieder Tango tanzen?

  • Na wenn das die großen Probleme der Welt sind, scheint es uns ja richtig gut zu gehen. Die Spieler werden drei mal pro Woche getestet, gehen mit vollem Körpereinsatz in die Zweikämpfe und jetzt wird aus einer Szene ein Riesenskandal konstruiert. Hut ab, Hauptsache das Feindbild stimmt.

  • Wenn ich richtig informiert bin sind die vorher isoliert für einige Wochen oder nicht? Anyways, Vorbild ist was anderes

    • @sachmah:

      ich habe aber schon den Eindruck, das sich viele daran ein Beispiel nehmen.