Freihandelsabkommen mit Kanada: Eine gefährliche Blaupause
Die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada sind weit fortgeschritten. Sie lassen für das Abkommen mit den USA nichts Gutes ahnen, fürchten Grüne.
BERLIN taz | Für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, das unter dem Kürzel TTIP derzeit die Gemüter erregt, hat am Montag die vierte Verhandlungsrunde begonnen. Deutlich weiter fortgeschritten ist ein ähnliches Abkommen der EU mit Kanada, über das unter der Bezeichnung Ceta – ohne große öffentliche Aufmerksamkeit – seit 2009 verhandelt wird. Doch was von diesem Abkommen bisher bekannt geworden ist, dürfte die Sorge vor TTIP weiter verstärken.
Eine Studie des Instituts für Völkerrecht und Europarecht an der Universität Göttingen im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion, die der taz vorliegt, warnt vor allem vor den möglichen Auswirkungen von Ceta auf die Agrar- und Verbraucherpolitik. Hier drohe durch die gegenseitige Anerkennung von staatlichen Vorgaben eine „Relativierung bestehender Standards in hochgradig kontroversen Regelungsfeldern“, schreibt der Juraprofessor Peter-Tobias Stoll.
Eine formale Beteiligung der Zivilgesellschaft sei zwar im Umweltkapitel vorgesehen, nicht aber in der Agrarpolitik, die in Kanada im Gegensatz zu Europa komplett industriell dominiert ist. „Hier konnte sich die EU offenbar nicht durchsetzen“, sagte Stoll der taz. Auch Verbraucherschutzbelange spielten keine Rolle. Dies sei bedenklich, weil das Abkommen „Pilotfunktion für die TTIP-Verhandlungen“ mit den USA habe: „Das wird Standards setzen“, fürchtet Stoll.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter schlägt darum Alarm. „Wer sich mit Ceta beschäftigt, weiß, was uns mit TTIP droht“, sagte er der taz. „Auch Ceta soll ökologische Standards aufweichen. Auch bei Ceta ist Transparenz ein Fremdwort. Das dürfen wir nicht zulassen.“ Beschwichtigungen aus der EU-Kommission schenkt er keinen Glauben. „Wir dürfen uns von den Pro-TTIP-Lobbyisten keinen Sand in die Augen streuen lassen.“
Demokratische Prozesse unterminiert?
Auch das Seattle-to-Brussels-Network, ein Bündnis von Umwelt- und Handels-NGOs, warnt vor den weitreichenden Konsequenzen von Ceta. Es werde neue staatliche Schutzvorschriften massiv behindern, warnt Network-Experte Marc Maes in einer Analyse. Tatsächlich räumt die Präambel den beteiligten Staaten lediglich ein, neue Regulierungen „im Einklang mit diesem Abkommen“ zu erlassen. „Das unterminiert den demokratischen Prozess“, warnt Maes.
Unklar ist derzeit noch, ob der Bundestag dem umstrittenen Abkommen zustimmen muss. Während die EU-Kommission davon ausgeht, dass die nationalen Parlamente nicht gefragt werden müssen, kommt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags zu einem anderen Schluss. Weil das Abkommen auch Bereiche berühre, die in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, sei es ein „gemischtes Abkommen“, dem der Bundestag per Gesetz zustimmen muss, heißt es in einer vertraulichen Einschätzung.
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