Freiburg rockt die Bundesliga: Es macht halt bruudaal Spaß
Fast unbemerkt hat sich der SC Freiburg auf Platz zwei der Bundesliga-Tabelle hochgespielt. Und das noch nicht einmal unverdient.
A m Freitag verlieh die „Akademie für Fußballkultur“ ihre Ehrenpreise. Aufgelockert wurde die würdige Veranstaltung durch die Darbietungen zweier Fußball-Kabarettisten, von denen der eine sich auf eine Parodie von Christian Streich, dem Trainer des SC Freiburg, verlegt hatte. Dessen Idiom traf er dabei ganz ordentlich, perfekt hingegen den Grundduktus vieler Freiburger Verlautbarungen: Der nächste Gegner ist immer „bruudaal“ stark, die eigene Tabellensituation „wahnsinnig gefährlich“ und jeder Blick weg aus der Abstiegszone ein Sakrileg.
Allerdings belegen die notorisch bescheidenen Badener eben derzeit nicht den vorletzten Platz der Tabelle, sondern den zweiten. Weshalb sie derzeit nach offizieller Lesart und neun Spielen auch bloß 17 Zähler gegen den Abstieg beisammen haben und „natürlich keine Spitzenmannschaft“ (Stürmer Nils Petersen) sind. Aber allein aus den letzten zwei Heimspielen gegen Dortmund und Leipzig hat der SC vier Punkte geholt. Gegen Spitzenmannschaften also, die sich auch als solche sehen.
Und auch wenn es natürlich wirklich fachlich bruudaal daneben wäre, wollte man dem SC das Zeug auf Rang 2, 3 oder 4 andichten – sie spielen in dieser Saison eben doch einen ziemlich guten Ball. Defensive und Offensive sind gut ausbalanciert, taktisch und läuferisch kickt man dank eines nicht gänzlich ahnungslosen Trainerteams sowieso seit jeher über dem Branchendurchschnitt. Und die Mannschaft scheint tatsächlich mit einem derart produktiven Betriebsklima gesegnet, dass sich die drei bekanntesten Individualisten im Team (Petersen, Vincenzo Grifo und Luca Waldschmidt) auch schon mehrfach auf der Bank wiederfanden. Gemeckert hat nie einer von ihnen. Zumindest nicht öffentlich.
So viel zu den weichen Faktoren. Die Härte ist hingegen die Offensive. Vielleicht aber auch die Defensive. Der zweite Freiburger Treffer in der Nachspielzeit war jedenfalls auch am Samstag wie gemalt, um zu illustrieren, was das Freiburger Angriffsspiel auszeichnet. Der Pass von Grifo in den eigentlich leeren Raum wurde nämlich nur deshalb zur zentimetergenauen Vorlage, weil Torschütze Petersen schon losgelaufen war, bevor der Ball Grifos Fuß verlassen hatte. Es herrschte also mal wieder blindes Verständnis zwischen den beiden Freiburger Offensiv-Promis, die im Übrigen beide zu Beginn der Partie noch auf der Bank gesessen hatten.
Dass man auch gegen die offensivwütigen Leipziger erst in der Nachspielzeit den ersten Gegentreffer kassierte, passt wiederum bestens in den Gesamtkontext dieser Saison, in der der SC bislang nur zehn Gegentore kassiert hat. Er lässt weniger Torchancen als in den vergangenen Jahren zu, weil auch Mittelfeld und Angriff wie die Berserker nach hinten arbeiten. Und weil in der Innenverteidigung derzeit eine Qualität herrscht, die bei Freiburger Mannschaften in den letzten Jahrzehnten selten zu beobachten war. Philipp Lienhart, Robin Koch und Dominique Heintz sind individuell stark und ergänzen sich in der Fünferkette prima.
Wer sah, wie Koch seinen ehemaligen Lauterer Kollegen Willi Orban in letzter Sekunde am Torschuss hinderte, versteht sicher besser, warum der Sohn der Lauterer Vokuhila-Legende Harry Koch sich neuerdings Nationalspieler nennen darf. „Es macht einfach keinen Spaß, gegen uns Fußball zu spielen“, hat Nils Petersen dann am Samstag auch noch gesagt. Und wer die Gesichter der Leipziger Spieler sah, die an Petersen vorbei zum Mannschaftsbus schlurften, wusste, dass der Stürmer gerade das eigentlich Entscheidende gesagt hatte.
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