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Frauenfußball mit InvestorinnenMit Spirit zur Revolution

Der Investorinnenklub Viktoria Berlin will den Fußball der Frauen aufmischen. Gegen den Hamburger SV geht es nun um den Aufstieg in die Zweite Liga.

Revolutionärer Kick vor historischer Kulisse im denkmalgeschützten Viktoria-Stadion Foto: Matthias Koch/imago

Aus der Distanz schaut es nach geregeltem Fußballalltag auf der Carl-Schuhmann-Sport­anlage ganz im Süden von Berlin aus. Etwa 12-jährige Jungs vom FC Viktoria 89 Berlin haben hier gerade ein einseitiges Ligaspiel ausgetragen. Der gegnerische Torhüter verlässt heulend den Platz. Jetzt um 19 Uhr ist das Frauenteam des Vereins mit Training auf dem Kunstrasen an der Reihe. Mit Fußballalltag wollen diese Frauen jedoch nichts am Hut haben.

„Revolution im Fußball“, so war vor etwa elf Monaten die Pressemitteilung überschrieben, welche die Übernahme dieses Teams durch sechs Gründerinnen verkündete. Als Ziel wurde ausgegeben, binnen fünf Jahren das Drittligateam in die erste Bundesliga zu führen. Die formulierte Vision: „Nicht nur den Fußball, sondern auch den Sport in Deutschland nachhaltig zu verändern.“ Das Alleinstellungsmerkmal: Nur Frauen auch in der Führung sollen die Sichtbarkeit und den Wert ihres Fußballs vorantreiben. Ein Gegenmodell zur alltäglichen Praxis, bei der die hochklassigen Klubs immer stärker am Tropf der Männerprofivereine hängen.

Es war ein perfekt getimter, forscher Auftritt direkt vor der Frauen-EM in England, der obendrein von der Bekanntgabe prominenter Investorinnen in das Projekt, wie etwa der ehemaligen Schwimmerin Franziska van Almsick, Fernsehmoderatorin Dunja Hayali oder der ehemaligen Fußballtorhüterin und -funktionärin Katja Krauss, unterfüttert wurde.

Ein knappes Jahr später ist dieser Schwung auf dem Viktoria-Trainingsgelände immer noch zu spüren. Geschäftsführerin und Mitgründerin Lisa Währer, einst bei der Marketingagentur Jung von Matt Sports tätig, sagt: „Was wir im letzten Jahr auf die Beine gestellt haben, das ist für mich immer noch Wahnsinn.“

Zehnfache Zuschauerzahl

Die Energie hier ist nach einer perfekten Saison, Meisterschaft und Pokalsieg, allein schon wegen des bevorstehenden Relegationsduells um einen Platz in der zweiten Bundesliga gegen den Hamburger SV mit Händen zu greifen. Am Sonntag muss Viktoria in der Hansestadt antreten, genau eine Woche später fällt die Entscheidung im Rückspiel in Berlin. Zu sprechen sind hier nur verletzte Spielerinnen, die einsatzfähigen haben schon seit zweieinhalb Wochen Medienverbot. Die Spielerinnen, erklärt Währer, setzten sich selbst schon genug unter Druck.

Für Dilara Agac hat diese Saison nur bis zur 13. Minute im ersten Spiel gedauert – wegen eines Kreuzbandrisses. Aber ihre Begeisterung über die Veränderungen im Verein mindert das nicht im Geringsten. Die Tage habe sie mit ihren Eltern darüber gesprochen. Früher seien selbst gegen Union Berlin nur 70 Zuschauer gekommen. Jetzt, seien es auch mal über 1.000. Im Schnitt, sagt Währer, habe sich der Besuch verzehnfacht.

Das war bereits seit der ersten Partie so. Mit ihrer Herangehensweise stellen sie bei Viktoria übliche sportliche Gesetzmäßigkeiten (erst der Erfolg, dann die Aufmerksamkeit und Zugehörigkeitsgefühl) auf den Kopf. Dank des medialen Powerplays der Gründerinnen war das Team schon eine Marke, bevor der erste Ball gespielt wurde. Der Zulauf bei den Mädchenteams ist mittlerweile so groß, dass Absagen erteilt werden müssen.

Diese noch nie erlebte Anerkennung, hebt Agac hervor, sei für sie das Wichtigste. Angst, dass sie bei dem rasanten Fahrplan den Anschluss verpassen könnte, hat sie nicht. Wenige Meter entfernt von ihr gibt gerade die zweifache Weltmeisterin Ariane Hingst einem Kamerateam ein Interview. Auch sie ist Gründerin und seit Mai als sportliche Geschäftsführerin voll für den Verein im Einsatz.

„Ich wollte schon immer nach oben“, sagte die 21-jährige Agac, „jetzt habe ich die Möglichkeit, mit Viktoria dahin zu kommen. Das wäre ein Traum. Ich bin sehr ehrgeizig.“

„Wollen niemand vor die Tür setzen“

Investorenklubs haben nicht den Ruf, allzu viel Rücksicht auf persönliche Schicksale zu nehmen. Fußballromantiker, räumt Lisa Währer ein, begegnen der neuen Viktoria mit einer gewissen Skepsis. Bislang ist das Projekt aber erstaunlich inklusiv. Vor der Saison wurde der Kader nur um fünf Spielerinnen ergänzt. Für Viktoria entschieden hatten sich die Gründerinnen, weil das Fundament bereits tragfähig war. Selbst im Falle eines Aufstiegs möchte man das Team nur sparsam ergänzen. „Vonseiten der Spielerinnen wollen alle mit an Bord bleiben, wir wollen niemanden vor die Tür setzen“, sagt Geschäftsführerin Währer.

In einem ersten Durchgang haben 87 Investorinnen rund eine Million Euro Kapital zur Verfügung gestellt. Genutzt werden die Mittel vornehmlich, um die Bedingungen zu professionalisieren. Alle Spielerinnen erhalten erstmals eine einheitliche Aufwandspauschale. Alejandr Pietro wurde als hauptamtlicher Trainer eingestellt, nachdem man sich zwei Monate, wie Währer erzählt, vergeblich um eine Frau bemüht hatte. Auch Viktoria muss Kompromisse mit der Realität schließen.

Zudem wurde das Trainerteam um einen Videoanalysten ergänzt. Die medizinische Betreuung wurde verstärkt. Die Laufwege der Spielerinnen werden mit einem Trackingsystem analysiert, um die individuelle Förderung zu optimieren. Währer sagt, man sei überzeugt, dass das Team selbst ohne personelle Verstärkungen großes Verbesserungspotenzial habe. Gerade im Athletikbereich sei noch viel Luft nach oben.

Auf diese Weise konnte Viktoria schon einen Verein wie Türkiyem­spor Berlin hinter sich lassen, der seit Jahren mit Nachhaltigkeit und großem Ehrgeiz, aber wenig Geld den Frauenfußball vorantreibt. Aber kann man so auch Frauenteams mit Männerprofilizenzverein im Hintergrund die Stirn bieten, die eh schon professionelle Bedingungen haben und seit dem von der EM 2022 in England ausgelösten Hype zunehmend Kapital in die Hand nehmen? Union Berlin etwa, die in der Regionalliga Viktoria im Nacken saßen, haben sich für kommende Saison deutlich verstärkt.

Hertha BSC wird dort künftig ebenfalls mitmischen. Die nicht vorhersehbare dynamische Entwicklung des Frauenfußballs im vergangenen Jahr setzt Viktoria trotz der großen Erfolge dieser Saison unweigerlich unter Druck. Sollte der Aufstieg gegen den HSV nicht gelingen, wird es nächste Saison gewiss nicht einfacher werden.

Lisa Währer reagiert recht entspannt auf die Frage. „Es würde definitiv vieles einfacher machen, wenn wir den Aufstieg schon jetzt schaffen“, räumt sie ein. „Wenn es nicht klappt, sind wir aber immer noch in unserem Zeitplan und geben auch dann wieder Vollgas für den zweiten Versuch.“

Vorbild aus den USA

Das große Vorbild von Viktoria, der US-Klub Angel City FC, der ebenso von prominenten Frauen wie der Schauspielerin Natalie Portman oder der Tennisspielerin Serena Williams gegründet wurde, konnte sich seine Erstklassigkeit erkaufen. Der US-Profisport eröffnet Unternehmen und Eigentümern ganz andere Möglichkeiten.

Übertragbar aber, sagt Währer, sei der Spirit hinter der Gründung. „Es ist diese Idee, was zu schaffen, was es vorher nicht gab, und zu hinterfragen, warum ist das eigentlich so bei einer Sportart, die mehr und mehr Aufmerksamkeit bekommt. Es ist diese Vision, Sport gleichberechtigter zu machen.“

Schon gegen den Hamburger SV kann sich in dieser Woche zeigen, ob dieser Spirit im Duell zweier gegensätzlicher Modelle ein Vorteil sein kann.

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