Frauenfeindlichkeit: Vor dem Familiengericht sind nicht alle gleich
Mitarbeitende von Gerichten und Jugendämtern hegen Vorurteile gegen Mütter. Dies schwächt den Schutz der Kinder, wie eine neue Studie zeigt.
In der Studie „Macht und Kontrolle in familienrechtlichen Verfahren. Eine Analyse medialer Falldokumentationen“ werde ein Muster deutlich, dem eine „systematische Täter-Opfer-Umkehr“ zugrunde liege, heißt es in der Pressemitteilung. Sobald bestimmte Vorannahmen gegenüber Müttern in familienrechtlichen Verfahren angewendet würden, bestehe für Kinder und Mütter „kaum eine Chance“, dieser Deutungsschablone zu entkommen.
Zu diesen Vorannahmen gehört unter anderem das sogenannte PAS-Konzept, eine Abkürzung für „Parental Alienation Syndrome“, zu deutsch „elterliches Entfremdungssyndrom“. Es unterstellt betreuenden Elternteilen – meist Müttern – nach einer Trennung aus egoistischen Motiven dem anderen Elternteil – meist Vätern – den Kontakt zu den gemeinsamen Kindern einzuschränken oder zu verwehren. Verweise auf Gewalt durch den Mann und Vater würden vor Gericht nur vorgetragen, um ihm den Kontakt zum Kind zu erschweren.
Fallbeschreibungen teils schwer auszuhalten
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 2023 das PAS-Konzept als „überkommenes und fachwissenschaftlich als widerlegt geltendes Konzept“ beschrieben. Dennoch, heißt es nun in der Studie, setze sich die Praxis fort: Die PAS-Vorannahme komme einer „Vorverurteilung der Mutter bei Jugendämtern und Familiengerichten“ gleich. Argumentiert werden in den Verfahren etwa mit einer „Bindungsintoleranz“ der Mutter, die als „Störfaktor“ in der Beziehung des Vaters zum Kind wahrgenommen wird.
Zudem bestätigt die Studie die Ergebnisse der Vorgängerstudie von 2022, die unter anderem „Kartellbildungen an Familiengerichten“ festgestellt hatte: An Familiengerichten hätten sich „teils feste Cluster aus Richtern, Verfahrensbeiständen und Gutachtern etabliert, die dauerhaft und folgenschwer zusammenarbeiten“. In den analysierten Fällen seien 49 Inobhutnahmen von „altersgerecht entwickelten, gesunden und gut sozial integrierten Kindern“ dokumentiert, die mit Polizeigewalt und teils gemeinsam mit dem Kindsvater aus ihrem Zuhause, Kindergarten oder ihrer Schule gerissen wurden. So würden „Traumafolgen“ bei den Kindern in Kauf genommen.
Die Fallbeschreibungen der Studie sind teils schwer auszuhalten. Beschrieben wird, wie Kinder verzweifelt schreien und sich wehren, wenn sie aus Schulen geholt oder ihren Müttern weggenommen werden, wie sie in langer Heimunterbringung Depressionen und suizidale Gedanken entwickeln, wie sie mit ansehen mussten, wie ihre Mutter erstochen oder mit abgetrennten Gliedmaßen im Müll entsorgt wurde. Die Berichte seien „Dokumentationen des Grauens“, so Studienautor Hammer – dennoch zeigten sie nur die „Spitze des Eisbergs“. Denn Medien berichteten über Familienrechtsfälle meist auf Initiative von Betroffenen. Die wiederum würden sich aus Angst vor negativen Folgen häufig gar nicht erst an sie wenden.
„Black Box Jugendamt“
Das familienrechtliche System, heißt es im Vorwort zur Studie, stehe in Fachkreisen und bei Praktikern seit Jahren in der Kritik: Jugendämter und Familiengerichte seien „Black Boxes“, da die Verfahren nichtöffentlich seien. „Valide Daten sind kaum verfügbar, eine Rechtstatsachenforschung existiert nicht.“ Beides sei auch künftig nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Eine Reform, etwa des Kindschaftsrechts, stand an, die auch Regelungen zum Wechselmodell enthalten sollte. Sie wird wohl nun aufgrund des Koalitionsbruchs in dieser Legislatur nicht mehr umgesetzt. „Zwangswechselmodelle“ aber, in die Mütter durch „Drohungen und Entwürdigung“ gezwungen würden, könnten nicht funktionieren.
Das Autorenteam der Studie fordert eine sofortige und gründliche Aufarbeitung der Lage in familienrechtlichen Verfahren durch die Politik: Diese sei „unabdingbar“ vor einer Reform des Kindschaftsrechts.
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